Videotechnik: Wie Avatar 2 die Aufnahmetechnik fürs Kino revolutioniert

Seite 3: Wo TrueCut Motion ansetzt

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Nach Angaben des Pixelwork-Technikchefs Richard Miller gegenüber c’t handelt es sich bei "TrueCut Motion" um ein Set von Post-Production-Tools, mit dem man (unter anderem) einem HFR-Film den typischen 24-fps-Look verpassen kann – unabhängig davon, ob der Film mit hoher Bildfrequenz gedreht oder nachträglich durch Interpolation auf diese gebracht wurde. Die glatteren Bewegungen als Vorteil der höheren Framerate sollen dabei erhalten bleiben.

Pixelworks nutzt dabei nach eigenen Angaben ein selbst entwickeltes "Motion Appearance Model", das vom Konzept her dem bereits bekannten "Color Appearance Model" (CAM) ähnelt. Ein CAM versucht zu bestimmen, wie eine bestimmte Farbe in einer vordefinierten Lichtumgebung von einem menschlichen Betrachter wahrgenommen wird, wenn sich die Lichtumgebung oder die Leuchtdichte der Farbe ändert. Das Ziel ist es, die Wahrnehmung des Referenzfarbtons in jeder Umgebung beizubehalten. Das Motion Appearance Model tut dasselbe, nur übertragen auf Bewegung. Durch die Kombination beider Modelle entstand das sogenannten "Motion Picture Appearance Model".

Um das Motion Appearance Model zu erstellen, sammelte Pixelworks einen Datensatz mit erfahrenen Betrachtern. Diese sahen sich eine Vielzahl von Inhalten an, um "gerade noch wahrnehmbare Unterschiede" für die Bewegung auf verschiedenen Bildschirmen und aus unterschiedlichen Entfernungen zu dokumentieren. Bei diesen Inhalten handelte es sich um eine Vielzahl von Aufnahmen mit unterschiedlichen Kamera- und Motivbewegungen, unterschiedlichen Kontrasten und Spitzenweißwerten, sowie unterschiedlichen Belichtungszeiten. Eine Erkenntnis aus diesen Screenings war etwa, dass man auf einem Bildschirm mit einer Spitzenhelligkeit von 800 Nits einen Verschlusswinkel von 310 Grad bräuchte, damit die Bewegungsunschärfe wirkt wie bei einer Produktion mit 180 Grad im konventionellen Kino.

Auf Basis dieses Modells lässt sich nach Angaben von Pixelworks in der Post Production (nach dem Color Grading) mit TrueCut Motion unabhängig voneinander unter anderem festlegen, mit welcher Framerate der Film zu laufen scheint (unabhängig von der tatsächlichen Bildfrequenz) und wie viel Ruckeln er aufweisen soll (zwischen 24-fps-Look und nicht mehr wahrnehmbar). Weiterhin lässt sich eine künstliche Bewegungsunschärfe hinzufügen, die die Zuschauer von Kinoproduktionen erwarten. Als würde man über die vorhandenen Aufnahmen mit einer Art "virtuellen Kamera" gehen – so beschreibt Technikchef Richard Miller die Herangehensweise.

Mit TrueCut Motion soll sich zum HFR-Film (Mitte) ein akzeptables Maß an Ruckeln und Bewegungsunschärfe hinzufügen lassen, damit das Ergebnis (rechts) einen Filmlook wie der klassische Kinofilm (links) erhält.

(Bild: Pixelworks)

James Cameron hatte ursprünglich angekündigt, die Avatar-Fortsezung mit 60 fps zu drehen, zeitweise war sogar von 120 fps die Rede. Mittlerweile stehen jedoch 48 Bilder pro Sekunde als Bildfrequenz für die HFR-Fassungen aller drei Cameron-Filme fest – wie bei "Der Hobbit". Aus Sicht der Kinoauswertung ist das eine vernünftige Wahl: Praktisch jeder modernen Kinoprojektor ist in der Lage, Filme mit dieser Bildrate wiederzugeben. Anders sieht es mit dem 60-fps-Playback aus – hier wären lediglich LED-Bildwände eine sichere Bank. Diese sind bislang aber noch nicht sehr verbreitet.

TrueCut Motion soll hinsichtlich der Quelle mit jeder beliebigen Bildrate funktionieren, zudem ließe sich der Look Szene für Szene festlegen. Das könnte man beispielsweise einsetzen, wenn in einem Film eine Traumsequenz vorkommt, die anders als der Rest des Films wirken soll. Richard Miller widerspricht jedoch Meldungen, wonach bei den Cameron-Filmen mit einer variablen Bildfrequenz gearbeitet werde– also je nachdem, wie actionreich eine Szene ist. Eine solche Herangehensweise wäre dem Ziel eines einheitlichen filmischen Looks wenig zuträglich – mal ganz abgesehen von den technischen Komplikationen, die variable Bildraten provozieren.

Doch selbst wenn die Filme mit 48 fps an alle Kinos ausgeliefert werden, bedeutet dies nicht, dass alle dieselbe Fassung erhalten. Entsprechend den oben angesprochenen Erkenntnissen zum Verhältnis zwischen Judder und Kontrastumfang werden mit TrueCut Motion vielmehr für die verschiedenen Wiedergabesysteme in Kinos unterschiedliche HFR-Versionen erstellt – also etwa für Filmtheater mit gewöhnlichen Digitalprojektoren, für Dolby-Cinema-Säle oder für Kinos mit LED-Bildwänden.