Vom Fahren zum Gefahrenwerden. Pandemie-Effekt: Robotaxis nehmen an Fahrt auf

Technisch scheint ihr Betrieb annähernd gelöst zu sein, aber wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit einer fahrerlosen Flotte aus? Ein Überblick.

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(Bild: EpicStockMedia/Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Timo Daum
  • Andreas Knie
  • Weert Canzler
Inhaltsverzeichnis

Seit 2018 bietet Waymo im Stadtgebiet von Phoenix seinen Robotaxi-Service in einem 260 Quadratkilometer großen Areal an. Seit 2020 können alle, die ein Smartphone besitzen, jederzeit ein Robotaxi bestellen. Es ist auch keine Verschwiegenheitserklärung mehr nötig, wie noch beim Early-Rider-Progamm von Waymo One.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden zunächst – wie bei der Konkurrenz auch – sämtliche Testfahrten auf öffentlichen Straßen eingestellt. Doch seit September 2020 ist Waymo wieder am Start, allerdings mit veränderter Strategie: Der Sicherheitsfahrer ist verschwunden! Dieser war standardmäßig immer noch an Bord, um dem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste zu entsprechen (siehe Das Projekt "Chauffeur" geht an den Start).

Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich dies anscheinend geändert. Nun ist umgekehrt die Tatsache, dass niemand mit an Bord ist, ein schlagendes Argument für einen solchen Service aus Perspektive des Infektionsschutzes. Der gesetzlich vorgeschriebenen Eingriffsmöglichkeit im Disengagement-Fall wird durch Fernüberwachung Genüge getan.

Vom Fahren zum Gefahrenwerden. Autonome Fahrzeuge, Personentransport und die Zukunft des Verkehrs

(Bild: jamesteohart/Shutterstock.com)

Autonomes Fahren, die Auswirkungen auf den Personentransport mit Robotaxis, people movern, autonomen Bussen und die notwendigen Techniken und Regularien beschäftigen uns in einer zehnteiligen Serie, deren einzelne Artikel bis zum 14. Mai werktags erscheinen.

Sobald das Fahrzeug eine Situation nicht bewältigen kann, übernimmt ein Robotaxi-Lotse, der in einem entfernten Kontrollzentrum sitzt. Das mitfahrende Sicherheitspersonal kann so eingespart werden, was einen wesentlichen Kostenfaktor des Geschäftsmodells eliminiert.

Sicherheit wird nach eigenen Aussagen der Firma bei Waymo großgeschrieben, im September 2020 wurde der "Waymo Safety Report" der Öffentlichkeit präsentiert. Seit 2019 bis Ende September 2020 kam es zu 18 kleineren Unfällen, davon waren 16 Auffahrunfälle durch andere Fahrzeuge. Nur ein einziges Mal fuhr ein Waymo-Fahrzeug auf, als ein anderes Auto abrupt die Spur wechselte und scharf abbremste. In drei Fällen wurde das Auto im Stand von Radfahrern oder Fußgängern angerempelt, davon wurde in zwei Fällen das Fahrzeug von zurücksetzenden Autos gerammt. Einmal kam es zu einem Frontalzusammenstoß, als das gegnerische Fahrzeug auf der falschen Spur unterwegs war.

Es gab keine ernsthaften Verletzungen. "Fast alle Ereignisse ... betrafen einen oder mehrere Verstöße gegen Straßenverkehrsregeln oder abweichendes Fahrverhalten durch den anderen Verkehrsteilnehmer", heißt es im Bericht.

Waymos Fahrzeuge sind mit maximal 45 Meilen pro Stunde unterwegs (ca. 72 km/h), fahren allerdings nicht auf die Autobahn, obwohl sowohl die Fahrzeuge als auch die Betriebsgenehmigung das erlauben würden. Die Fahrzeuge fahren auch bei Regen und bei Nacht. Die redundanten Sensoren, insbesondere Radar, funktionieren auch bei Regen, Schnee und Nebel gut, die Technik ist gegen Umwelteinflüsse weit weniger empfindlich, als das menschliche Fahrer sind. Trotzdem können Regentropfen oder Schneeflocken eine Beeinträchtigung der Sensorik-Funktion verursachen. Es gibt Berichte, nach denen Waymo-Autos bei starkem Regen kurz anhalten und abwarten.

Waymo testet Fahrzeuge an 25 Orten, verteilt auf mehr als zehn US-Bundesstaaten. Über 20 Millionen Meilen auf öffentlichen Straßen und mehr als 15 Milliarden im Simulator seien zurückgelegt worden. Bis Anfang 2020 fanden zwischen 1.000 und 2.000 Waymo One-Fahrten pro Woche statt, 5 % bis 10 % davon vollständig fahrerlos (Waymo One, Waymo Safety Report, September 2020). Für Phoenix (Arizona), den wichtigsten Testort für Waymo, weist der Bericht 6,1 Millionen gefahrene Meilen aus. Ohne Sicherheitsfahrer an Bord sind insgesamt bis September 2019 65.000 Meilen in Phoenix gefahren worden.

Testläufe in den USA (Waymo)

(Bild: Susann Massutte)

Angesichts der vielen gefahrenen Meilen ist die Unfallquote sehr niedrig. Im direkten Vergleich fällt die Fehleranfälligkeit von menschlichen Fahrzeuglenkern auf. Offenbar werden nicht-autonome Unfälle selbstverständlich hingenommen. Durchschnittlich alle 280.000 Kilometer verursacht jemand einen Unfall mit einem Kfz, der den Autoversicherungen gemeldet wird (2019). Keiner der Unfälle, die Waymo in seinem Bericht verzeichnet, fällt in diese Kategorie, da ausnahmslos Fremdverschulden vorlag ().

Waymo ist zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Einführung der Technologie eine sehr hohe Sensibilität zu erwarten ist, was die Fehleranfälligkeit angeht, und dass die Akzeptanz nur dann gegeben sein wird, wenn die Zahl der Unfälle minimal bleibt. Beobachter sehen hier einen Strategiewechsel. Einfach nur sicherer oder erheblich sicherer als menschliche Fahrer zu sein, reicht offenbar nicht.

Diese Sichtweise hat Unterstützung erhalten durch die Berichte über einige wenige tödliche Unfälle, in die Tesla und Uber verwickelt waren. Diese erhielten weltweite Aufmerksamkeit und führten zu Kritikwellen an den jeweiligen Firmen. Im Fall von Uber war eine Konsequenz sogar die zeitweise Einstellung des Betriebs mit automatisierten Fahrfunktionen.

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Der erste Leiter des Google Car Projekts, Chris Urmson, betonte bereits 2015 bei einem legendären TED-Talk den entscheidenden Unterschied zwischen "immer weiter verbesserten Fahrassistenz-Systemen" und "vollständig fahrerlosen Systemen". Er machte auf das Problem unkonzentrierter Fahrer, die die Fähigkeiten der Assistenzsysteme überschätzten, aufmerksam. Aus frühen Erfahrungen mit unkonzentrierten Testfahrern auf der Autobahn zog das Unternehmen den Schluss, diesen Entwicklungspfad nicht weiter zu verfolgen.