Von unsterblichen Mäusen und Menschen

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Die Reaktion bekomme ich häufig, das können viele Leute konzeptionell gar nicht erfassen. Aber wenn Sie meiner Logik Schritt für Schritt folgen, ist es quasi unvermeidbar, dass wir bei einer solchen Lebenserwartung landen. Dazu müssen zwei Dinge gegeben sein: Erstens müssen wir Verjüngungstherapien der ersten Generation bis 2050 oder noch früher entwickeln. Zweitens muss der Wert, dem wir dem Leben beimessen, mit der neuen Lebenserwartung steigen. Das gab es in der Vergangenheit bereits. Ich bin kein Soziologe, aber diese Entwicklung ist sehr wahrscheinlich, wenn wir das Verjüngungsmittel erst einmal gefunden haben.

Was ich immer erklären muss, ist, warum Anti-Alterungsmedikamente der ersten Generation, die Leuten im Alter von 60 mindestens 30 Jahre zusätzlich ermöglichen, später für die zu diesem Zeitpunkt 25jährigen quasi unendliches Leben bedeuten. Der Grund ist der eben der wissenschaftliche Fortschritt. 30 Jahre sind eine Ewigkeit in der Wissenschaft. Daher ist es faktisch unmöglich, dass die erste Generation von verjüngten Menschen die Technik der zweiten Generation verpasst. Und diese Spirale lässt sich dann unendlich weiter drehen.

Technology Review: Wie sehr hat Sie Ihr Background in Informatik und Ingenieurwesen bei Ihrer Forschungstätigkeit beeinflusst?

Das ist sehr wichtig für mich und auch für das Gebiet, in dem ich arbeite. Es ist enorm problematisch, dass es im Bereich der Biologie so wenig Leute gibt, die so arbeiten wie ich - und zwar nicht nur in der Altersforschung, sondern in der gesamten Biologie. Auch einmal theoretisch zu arbeiten, die Daten anderer Forscher zu analysieren und viel nachzudenken und zu lesen, gehören dazu. Experimentalforscher haben viel zu wenig Zeit zum Lesen, weil ihre Experimente so lange dauern. Das ist besonders in der Physik wohlbekannt. Aber in der Biologie ist hier das Gleichgewicht verloren gegangen - und das schadet dem Forschungsgebiet.

Technology Review: Sie glauben daran, dass ein Ende der Vergreisung, also eine unbegrenzte Lebenszeit, nicht zu der Frage führt, wer dafür zu bezahlen hat?

Sobald wir uns diesem Schritt nähern, sogar, wenn wir es bei Mäusen nur ansatzweise schaffen, wird es keinerlei Debatte mehr darüber geben, das versichere ich Ihnen. Was ich schlimm finde, ist aber, dass die Leute, die sich mit dem Thema beschäftigen, meinen, wir müssten bis zur Ankunft einer solchen Technologie samt ihrer preiswerten Anwendung nicht über wirtschaftliche oder soziale Konsequenzen nachdenken - oder auch darüber, ob die Technik wünschenswert ist. Das ist eine große Fehlannahme.

Technology Review: Warum?

Die Hölle wird losbrechen, sobald wir nicht mehr altern oder es auch nur eine überoptimistische Voraussage hierzu gibt. Das wird passieren, sobald wir die entscheidenden Fortschritte bei Mäusen machen.

Das Interview führte David Appell; Übersetzung: Ben Schwan. (sma)