Vorsicht vor dieser teuren Gentherapie gegen das Altern

Das US-Startup Libella behauptet erneut, dass seine telomerverlängernde Behandlung bald verfügbar ist. Experten warnen vor schweren Gesundheitsrisiken.

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Vorsicht vor dieser teuren Gentherapie gegen das Altern

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Frank Swain

Wie heißt es so schön? Nichts ist sicher, nur der Tod und die Steuern. Allerdings wird die erste Antwort seit den Siebziger Jahren angezweifelt, als Wissenschaftler damit begannen, eines der grundlegenden Geheimnisse der Biologie zu entwirren: die molekularen Ursachen dafür, warum wir altern und schließlich sterben.

Das erste lose Fadenende, mit dem sie das Entwirren beginnen konnten, hatte mit Telomeren zu tun. Diese molekularen Zeitmesser an den Chromosomen-Enden verkürzen sich bei jeder Zellteilung und begrenzen damit praktisch die Lebensdauer der Zellen. Einige Gewebe wie die Darmschleimhaut erneuern sich fast ständig, weil sie einen hohen Anteil an dem Enzym Telomerase haben, das die Telomere wiederaufbaut und erweitert, sodass sich die Zellen weiter teilen können.

Für diese Entdeckungen erhielten Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak 2009 den Medizin-Nobelpreis. Die naheliegende Frage lautete also, ob die Telomerase eine Zelle vor dem Altern schützen und möglicherweise auch die Lebensdauer ganzer Organismen verlängern kann. Bei Mäusen führten telomererweiternde Behandlungen tatsächlich zu faszinierenden Ergebnissen. Bei Menschen konnte bisher allerdings niemand bewiesen, dass das Manipulieren der molekularen Uhr Vorteile hat.

Trotzdem bewirbt das US-Start-up Libella Gene Therapeutics aus Manhattan, Kansas, eine Gentherapie zur Telomerstärkung – für einen stolzen Preis. Rund eine Million Dollar pro Dosis kostet die angeblich funktionierende Zellreparatur. Wie das Unternehmen am 21. November bekanntgab, rekrutiert es gerade Patienten für eine so genannte "Pay-to-Play-Studie". Interessenten sollten jedoch beachten, dass es sich dabei um eine unbewiesene und bisher nicht getestete Behandlung handelt, die möglicherweise sogar gesundheitsschädlich ist.

Das Unternehmen will Patienten Viren injizieren, die die genetische Anweisung für eine Untereinheit des Telomerase-Enzyms namens Reverse Transkriptase enthalten. Dieses Molekül ist an der Verlängerung der Telomere beteiligt. "Die Gefahren sind enorm", warnt Jerry Shay, ein weltweiter Experte für Altern und Krebs am Southwestern Medical Center der Universität von Texas. "Es besteht das Risiko, dass eine präkanzeröse Zelle aktiviert wird, die alle [ungünstigen] Veränderungen mit Ausnahme jener in der Telomerase aufweist, insbesondere bei Menschen über 65." Unklar ist auch, woher Libella die Viren für die Behandlung bezieht. Das kalifornische Biotech-Unternehmen Virovek, das von mehreren Quellen als Hersteller von Libella identifiziert wurde, beantwortete keine Fragen dazu.

Die im Oktober bei "clinicaltrials.gov" veröffentlichten Studienlisten enthalten derzeit Pläne für drei miteinander verknüpfte Experimente mit jeweils fünf Patienten, die auf kritische Mangeldurchblutung (Ischämie) der Extremitäten, Alzheimer und Altern abzielen. Libella-Präsident Jeff Mathis sagte Technology Review, dass zwei Patienten bereits die enorme Gebühr für die Teilnahme an der Studie entrichtet haben: eine 90-jährige Frau und ein 79-jähriger Mann aus den USA. Sie könnten die Gentherapie in der zweiten Januarwoche 2020 erhalten.

Die Entscheidung, Patienten ein Vermögen für die Teilnahme an einer experimentellen Behandlung in Rechnung zu stellen, ist laut Ethikexperten ein ernstes Warnzeichen. "Welche moralische Rechtfertigung gibt es dafür bei Alzheimer-Patienten?", fragt Leigh Turner vom Center for Bioethics der University of Minnesota. "Warum sollten sie mit dem ganzen Risiko belastet werden?" Ein weiteres Warnzeichen ist die Wahl des Studienortes: Weil die Studie nicht von US-Zulassungsbehörde FDA genehmigt wurde, wird sie laut Angaben bei "clinicaltrials.gov" in der kolumbianischen IPS Arcasalud SAS-Klinik in Zipaquirá, etwa 40 Kilometer nördlich von Bogotá, durchgeführt.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Libella behauptet, der Studienstart stehe unmittelbar bevor. Bereits Ende 2017 sollte die erste Telomerasetherapie am Menschen "in den nächsten Wochen" beginnen. Zuvor hatte Libellas Wissenschaftsvorstand Bill Andrews (damals in Partnerschaft mit dem Biotech-Startup BioViva) 2016 bekanntgegeben, dass der Bau einer Altersumkehrklinik im Inselstaat Fidschi "vor Jahresende" vollendet würde. Keine der beiden Ankündigungen wurde erfüllt.

Unternehmen, die den Telomer-Ansatz ausprobieren möchten, verweisen häufig auf die Arbeit von Maria Blasco, einer spanischen Wissenschaftlerin, die berichtete, dass die telomerverlängernde Gentherapie Mäusen zugutekommt und keinen Krebs verursacht. Die Direktorin des spanischen Nationalen Zentrums für Krebsforschung warnt allerdings, dass "noch viel mehr Studien nötig sind", bevor ein solches Genexperiment an Menschen durchgeführt wird.

(vsz)