Warum China voll auf Chiplets setzt

Durch die Verbindung mehrerer weniger fortschrittlicher Chips zu einem Gesamtsystem wollen chinesische Unternehmen US-Sanktionen umgehen.

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(Bild: Tatohra/Shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Zeyi Yang
Inhaltsverzeichnis

In den vergangenen Jahren haben die Sanktionen der amerikanischen Regierung die chinesische Halbleiterindustrie praktisch in den Würgegriff genommen. Unternehmen aus dem Reich der Mitte können zwar weiterhin Chips für normale Anwendungen herstellen, dürfen aber bestimmte neuere Chiptechnologien nicht einführen. Das macht die Herstellung fortschrittlicherer Produkte nahezu unmöglich. Doch das Land arbeitet an einem Ausweg: Mit der sogenannten Chiplet-Technologie will sich China jetzt die Möglichkeit eröffnen, Exportverbote zu umgehen, um in der IT-Branche ein gewisse Eigenständigkeit aufzubauen – und mit anderen Ländern, insbesondere den USA, zumindest Schritt zu halten.

2023 haben sich sowohl die chinesische Regierung als auch – nicht nur örtliche – Risikokapitalgeber darauf konzentriert, die heimische Chiplet-Industrie zu fördern. Universitäre Forscher erhalten Anreize, um die mit der Chipfertigung verbundenen wichtigsten Probleme zu lösen – und einige Chiplet-Start-ups wie Polar Bear Tech haben bereits erste Produkte eingeführt.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Chips, bei denen alle Komponenten auf einem einzigen Stück Silizium integriert sind, verfolgen Chiplets einen modularen Ansatz. Jedes einzelne hat eine spezielle Funktion, eins kann etwa die Rechenkerne enthalten, ein anderes die Speicher-Controller und wieder ein anderes die I/O-Schnittstellen wie PCI Express. Prominente Beispiele für diese Herangehensweise sind AMDs Ryzen-Prozessoren und Intels Core Ultra alias Meteor Lake.

Mehrere Einheiten ergeben ein System. Da jedes Chiplet kleiner und spezialisierter ist als ein vollständiger Chip, sind sie billiger in der Herstellung und weniger anfällig für Fehlfunktionen. Gleichzeitig können einzelne Chiplets in einem System gegen neuere, bessere Versionen ausgetauscht werden, um die Leistung zu steigern. Andere Funktionskomponenten bleiben gleich. Aufgrund ihres Potenzials, in der Ära nach dem aufziehenden Ende des Mooreschen Gesetzes für weiteres Leistungswachstum zu sorgen, wurde die Chiplet-Technik bereits prämiert. So hat die US-Ausgabe der MIT Technology Review sie zu einer der zehn bahnbrechenden Technologien des Jahres 2024 erkoren.

Für Unternehmen wie AMD und Intel sind Chiplets aber nur eine von mehreren Möglichkeiten, wie die Halbleiterindustrie die Rechenleistung von Chips trotz der physikalischen Grenzen weiter steigern kann. Für chinesische Firmen sollen sie hingegen den Zeit- und Kostenaufwand für die Entwicklung leistungsfähigerer Chips im eigenen Land verringern und wichtige Technologiesektoren wie die KI beliefern.

Die US-Regierung verwendet schon seit mehreren Jahren sogenannte schwarze Listen, um die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie auszubremsen. Eine der Sanktionen, die im Oktober 2022 verhängt wurde, verbot den Verkauf bestimmter Hochtechnologien an China, die für die fortschrittlichste Chipfertigung benötigt werden.

Seit Jahren sucht die chinesische Regierung nach Möglichkeiten, den daraus resultierenden Engpass zu überwinden. Aber Durchbrüche in Bereichen wie der Chip-Lithografie – dem Verfahren, bei dem mithilfe von Licht ein Designmuster auf das Silizium-Basismaterial übertragen wird – können Jahrzehnte dauern, bis sie gelingen. Heute hinkt China bei der Chipfertigung im Vergleich zu Unternehmen in Taiwan, den Niederlanden (mit dem dort ansässigen Unternehmen ASML) und in anderen Regionen immer noch hinterher. "Obwohl wir gesehen haben, dass Chinas Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC)] 7-Nanometer-Chips herstellen kann, vermuten wir, dass die Produktion teuer und die Chip-Ausbeute [der sogenannte Yield, also wie viele Chips fehlerfrei sind] gering ist", sagt McKnight-MacNeil.

SMIC verwendet für seinen 7-nm-Prozess ältere DUV-Lithografie-Systeme (Deep Ultraviolet, tief-ultraviolettes Licht) und belichtet die Strukturen mehrfach. Andere Chipfertiger wie TSMC, Samsung und Intel sind bereits auf Lithografie-Systeme mit extrem-ultravioletter (EUV-)Belichtungstechnik gewechselt, die SMIC nicht bekommt.

Der Ansatz der Chiplet-Herstellung stellt jedoch eine Herausforderung für einen anderen Bereich der Halbleiterindustrie dar: Chip-Packaging-Technologien, die die Chiplets zu einem Chippaket verbinden, sodass sie zusammenarbeiten. "Die Entwicklung fortschrittlicher Packaging-Technologien, die für die Nutzung eines Chiplet-Designs erforderlich sind, steht zweifellos auf Chinas To-Do-Liste", sagt Cameron McKnight-MacNeil, Prozessanalyst beim Halbleiterforschungsunternehmen TechInsights. "China ist bekannt dafür, dass es bereits über einige Grundlagentechnologien für den Einsatz von Chiplets verfügt".

Die in diesem Prozess verwendete Technik wird als Advanced Packaging bezeichnet. Für China ist dies – im Vergleich zu den Import-Sanktionen von weiterentwickelten Chip-Generationen – ein leichteres Unterfangen als die Produktion ganzer Chips. Denn bereits heute sind chinesische Unternehmen für 38 Prozent des weltweiten Chip-Packagings verantwortlich. Unternehmen in Taiwan, Singapur und den USA beherrschen zwar immer noch die neueren Technologien, aber es ist weniger schwierig, an dieser Front aufzuholen.