Warum China voll auf Chiplets setzt
Seite 2: Geld strömt in die Chipindustrie
"Packaging ist weniger standardisiert, etwas weniger automatisiert. Es hängt viel mehr von qualifizierten Technikern ab", sagt Harish Krishnaswamy, Professor an der Columbia University, der sich mit Telekommunikation und Chipdesign beschäftigt. Und da die Arbeitskosten in China immer noch deutlich geringer sind als im Westen, "glaube ich nicht, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis China da aufholt". Wie alles andere in der Halbleiterindustrie kostet natürlich auch die Entwicklung von Chiplets Geld. Die chinesische Regierung und andere Investoren haben bereits damit begonnen, in Forschung und Start-ups zu investieren, um die heimische Chip(let)industrie rasch zu entwickeln.
Im Juli 2023 kündigte die National Nature Science Foundation of China, der oberste staatliche Fonds für Grundlagenforschung, ihren Plan an, 17 bis 30 Chiplet-Forschungsprojekte in den Bereichen Design, Herstellung, Packaging und weiteren Bereichen zu finanzieren. Die Organisation plant, in den nächsten vier Jahren 4 bis 6,5 Millionen Dollar an Forschungsgeldern zu vergeben, mit dem Ziel, die Leistung von Chips um "ein bis zwei Größenordnungen" zu steigern.
Dieser Fonds ist eher auf die akademische Forschung ausgerichtet, aber einige örtliche Regierungen sind auch bereit, in die industriellen Möglichkeiten von Chiplets zu investieren. Wuxi, eine für chinesische Verhältnisse mittelgroße Stadt im Osten, positioniert sich als Zentrum der Chiplet-Produktion – ein "Chiplet Valley". Letztes Jahr schlug die Regierung von Wuxi vor, einen 14-Millionen-Dollar-Fonds einzurichten, um Chiplet-Firmen in die Stadt zu holen, das ist teilweise geglückt.
Gleichzeitig haben eine Reihe chinesischer Start-ups, die sich auf dem Gebiet positioniert haben, Risikokapitalgelder erhalten. Polar Bear Tech, ein chinesisches Start-up-Unternehmen, das sowohl universelle als auch spezialisierte Chiplets entwickelt, erhielt im Jahr 2023 eine Investition von über 14 Millionen US-Dollar. Im Februar 2023 brachte es seinen ersten Chiplet-basierten KI-Chip auf den Markt, den "Qiming 930". Mehrere andere örtliche Start-ups wie Chiplego, Calculet oder Kiwimoore haben ebenfalls Millionen erhalten, um spezialisierte Chiplets für Autos oder multimodale KI-Modelle zu entwickeln.
Herausforderungen bleiben bestehen
Die Entscheidung für den Chiplet-Ansatz ist mit Kompromissen verbunden. Zwar werden dadurch häufig die Kosten gesenkt und die Anpassungsfähigkeit der Chiptechnik verbessert, doch die Verwendung mehrerer Komponenten in einem Chip bedeutet, dass mehr interne Verbindungen erforderlich sind.
Wenn eine dieser Verbindungen fehlerhaft ist, kann der gesamte Chip ausfallen, weshalb ein hohes Maß an Kompatibilität zwischen den Modulen entscheidend ist. Das Verbinden oder Stapeln mehrerer Chiplets bedeutet auch, dass das System mehr Strom verbraucht und sich möglicherweise schneller erwärmt. Dies könnte die Leistung beeinträchtigen oder sogar das Gesamtsystem beschädigen.
Um diese Probleme zu vermeiden, müssen sich die verschiedenen Unternehmen, die Chiplets entwickeln, an dieselben Protokolle und technischen Normen halten. Weltweit haben sich große Unternehmen bereits 2022 zusammengeschlossen, um den Standard Universal Chiplet Interconnect Express (UCIe) vorzuschlagen, eine offene Norm für internen Verbindungen von Chiplets. Aber alle beteiligten Akteure möchten mitbestimmen. Einige chinesische Unternehmen haben daher ihre eigenen Chiplet-Standards entwickelt – beziehungsweise sogar zwei, die verschiedene Forschungsallianzen vorgeschlagen hatten. Ein dritter Standard, der im Januar 2024 herauskam, konzentriert sich auf die Datenübertragung statt auf die physischen Verbindungen.
Ohne einen universellen, von der gesamten Branche anerkannten Standard werden Chiplets jedoch nicht den Grad an Anpassungsfähigkeit erreichen, den die Technologie grundsätzlich verspricht. Die Nachteile könnten außerdem dazu führen, dass Unternehmen auf der ganzen Welt wieder zu herkömmlichen einteiligen Chips zurückkehren. Und für China wird die Einführung der Chiplet-Technologie nicht ausreichen, um andere bekannte Probleme zu lösen, wie zum Beispiel die Schwierigkeiten bei der Beschaffung oder Herstellung von Lithografiemaschinen.
Chiplets bald auch verboten?
Die Kombination mehrerer weniger fortschrittlicher Chips könnte Chinas Chiptechnologien einen Leistungsschub verleihen und die fortschrittlichen Techniken ersetzen, auf die es keinen Zugriff hat. Allerdings wird es nicht in der Lage sein, einen Chip zu produzieren, der den bestehenden Spitzenprodukten aus dem Westen weit voraus ist. Und da die US-Regierung ihre Sanktionen für Halbleiter ständig aktualisiert und erweitert, könnten auch bald Chiplets Einschränkungen unterliegen.
Diese könnten etwa bei weiteren EDA-Tools zum Design von Chiplets erfolgen oder bei Packaging-Systemen. Einschränkungen wären hier aufgrund der geringeren Komplexität allerdings längst nicht so schwerwiegend wie bei Lithografie-Systemen.
Als das US-Handelsministerium im Oktober 2023 seine früheren Sanktionen gegen die chinesische Halbleiterindustrie änderte, enthielt es einige neue Formulierungen – darunter auch die Erwähnung von Chiplets. In den Neuerungen spielen Parameter eine Rolle, die bestimmen, welche Technologien nicht mehr nach China verkauft werden dürfen. Offenbar wissen die Beamten, wie fortschrittlich Chiplets sind.
Während Chipfabriken auf der ganzen Welt nicht daran gehindert werden, weniger fortschrittliche Chips für China zu produzieren, werden sie in dem Dokument des Handelsministeriums auch aufgefordert zu prüfen, ob diese Produkte Teil eines leistungsfähigeren integrierten Systems werden könnten. Sonst besteht die Gefahr, unter die Ausfuhrbeschränkung zu rutschen.
Angesichts all dieser praktischen und politischen Hindernisse wird die Entwicklung von Chiplets in China noch einige Zeit in Anspruch nehmen, ganz gleich, wie viel politischer Wille und Investitionen in diesen Sektor fließen. Es mag für die chinesische Halbleiterindustrie eine Abkürzung sein, um leistungsstärkere Chips herzustellen – eine magische Lösung im Technologiekrieg zwischen den USA und China ist es nicht.
(jle)