Klimavorhersagen: Was Klimadienste für unsere Energiesicherheit liefern können

Die Weltorganisation für Meteorologie hebt hervor, wie wichtig Klimavorhersagen sind – gerade für den Bau von Anlagen, die regenerativen Strom erzeugen.

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Alle Wetter von Galeriefotograf Banshee66

(Bild: Banshee66)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Vor genau 75 Jahren, am 11. Oktober 1947, wurde die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als Unterorganisation der Vereinten Nationen (UN) gegründet. Unter ihrem Dach sammeln und teilen Wetterdienste in 187 Ländern ihre Daten nach gemeinsamen Standards. Denn alle regionalen Vorhersagemodelle müssen die Wetterverhältnisse überall auf der Welt kennen. Nur so sind die heute üblichen, recht genauen Wettervorhersagen möglich, weil selbst weit entfernte Wetterlagen innerhalb weniger Tage lokales Wetter beeinflussen können.

Aber die WMO kümmert sich auch um das Klima. Anders als der Weltklimarat (IPCC) geht es den Wetterdiensten tatsächlich um echte Vorhersagen. Der IPCC erstellt Klimaszenarien und -projektionen, die Trends für politische Zukunftsentscheidungen beschreiben, aber keine genauen Prognosen.

Zu ihrem Jubiläum veröffentlichte die WMO jetzt ihren Bericht "State of Climate Services 2022", in dem sie auf die ungenügend ausgebaute Infrastruktur für die Wetterdienste hinwies, vor allem auf die mangelnden Kapazitäten für Klimavorhersagen, die über die 15 Tage der üblichen Wettervorhersagen hinausgehen.

Denn präzisere Klimavorhersagen im Bereich von Jahreszeiten bis zu wenigen Jahrzehnten sind gerade jetzt besonders wichtig, wo Anlagen für regenerativen Strom weltweit aus dem Boden schießen. Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen sind nämlich den zunehmenden Extremwetterlagen ganz besonders ausgesetzt. Aber auch die wohl noch lange laufenden und sogar geplanten Kernkraftwerke geraten zunehmend in Gefahr durch Wassermangel in Flüssen und einen steigenden Meeresspiegel.

Der Statusbericht zu den Klimaservices stellt fest, dass trotz der erwarteten Klimarisiken die Energiesicherheit bei allen Anpassungsbemühungen an zukünftige Klimaentwicklungen nur geringe Priorität habe. Die WMO kritisiert, dass nur 40 Prozent der sogenannten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) überhaupt eine Anpassung der Stromnetze an den Klimawandel erwähnen. Die NDC-Berichte sollen Auskunft über den Stand der Klimaanpassungen in den Ländern geben, damit sich trotz fehlender Meldestandards dennoch Fort- oder Rückschritte bei den Klimazielen abschätzen lassen, die die Staaten 2015 in Paris vereinbarten.

Hitzewellen und Dürreperioden setzen bereits heute die bestehende Energieerzeugung unter Druck. Auch die physische Belastbarkeit der Netze kommt vielerorts schon an ihre Grenzen.

Auf der Erzeugerseite hängt die Sicherheit für den Strom aus erneuerbaren Energieträgern bei Windkraftwerken direkt von der Windgeschwindigkeit, bei der Sonnenenergie von Strahlung und Temperatur, und bei der Wasserkraft von der Verfügbarkeit von Wasser ab. Auch die fossil und nuklear betriebenen Kraftwerke, die die Menschheit noch einige Zeit begleiten werden, sind von Wassermengen und deren Temperatur für ihre Kühlsysteme abhängig.

Die Verteilung von Strom ist dagegen vor allem durch Starkwind und Stürme, starke Regenfälle, nassen Schnee oder Frost, sehr hohe Temperaturen, Blitze oder Waldbrände gefährdet.

Im Jahr 2020 hingen 87 Prozent der weltweit aus Fossil-, Kern- und Wasserkraftanlagen erzeugten Elektrizität direkt von der Verfügbarkeit von Wasser ab. Von den fossil betriebenen Stromkraftwerken liegen 33 Prozent, von den Kernkraftwerken 15 Prozent, und von den Wasserkraftwerken elf Prozent in Gebieten, die in Zukunft unter Trockenheit leiden dürften. Und zehn Prozent aller Stromerzeugungsanlagen sind bereits heute von schweren Überschwemmungen an Küsten betroffen.

Solche Fehler dürfen die Planungen für den Übergang zu sauberer Energie nicht wiederholen. Dafür braucht es aber nicht nur gute Wettervorhersagen, sondern auch verbesserte Klimainformationen und die entsprechenden Dienste, die diese Informationen für Branchen-Zielgruppen aufbereiten und an Stromerzeuger und Netzbetreiber weitergeben. Dieses Wissen ist unerlässlich für die Auswahl von Standorten, den Betrieb, die Wartung und das Management, aber auch für die Einspeisung von grünem Strom ins Verteilnetz bei schwankendem Bedarf.

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Normalerweise nutzt der traditionelle Energiesektor routinemäßig Wettervorhersagen von bis zu 15 Tagen im Voraus. Damit hat die Energiewirtschaft zwar seit langer Zeit umfangreiche Erfahrungen, aber kaum welche mit Klimadiensten, die es bisher noch nicht so häufig gibt.

Jenseits der 15 Tage muss man nämlich auf klimatologische Daten zurückgreifen. Die Klimatologie geht aber davon aus, dass künftige Bedingungen denen der Vergangenheit ähneln – sie erstellt also Projektionen und keine Prognosen. Genau diese Annahme setzt der Klimawandel außer Kraft. Klimadienste müssen sich für den Energiesektor also ausgefeiltere Methoden einfallen lassen.

Der WMO-Bericht stellt als gelungenes Beispiel einen Online-Dienst vor, den das Pekinger Meteorologie-Unternehmen JiuTian Meteorological Technology Co entwickelte. Dessen Plattform ergänzt die herkömmlichen Wettervorhersagedienste mit Empfehlungen, was zu tun oder auch zu unterlassen ist, wenn ein Extremwetter im Anzug ist und beispielsweise Offshore-Anlagen bedroht.

Darüber hinaus liefert das System Langzeit-Informationen darüber, wann sich ideale Wetterbedingungen für Reparaturen oder den Bau eines neuen Windrades auf See auftun. Das ist sicherlich nicht supergenau. Aber es reichte den bisherigen Nutzern, um die Betriebsstunden ihrer Windräder zu erhöhen, indem sie den Stillstand der Turbinen bei Wartungen zeitlich sehr eng eingrenzen konnten. Bei Neubauten half das Portal die Kosten zu senken, weil die Arbeiten recht genau zu optimalen Wetterlagen eingeplant werden konnten.

Angesichts der chaotischen Wetteraussichten auf Grund der rapiden Klimaänderungen sind Klimadienste zunehmend wichtig – eben auch für die Sicherheit der Energieversorgung. Der WMO-Statusbericht 2022 zu den Klimadiensten zeigt auf, dass die Bedeutung dieser Services bei der Energiewende unterschätzt wird und ihre Weiterentwicklung stärker gefördert werden sollte.

(jle)