Was kennzeichnet ein Lean Startup?

Seite 2: Prinzipien

Inhaltsverzeichnis

Die Grundprinzipien der Lean-Startup-Methode setzen sich folgendermaßen zusammen:

  1. Entrepreneure gibt es überall: Sie finden sich in Start-ups und in allen Unternehmen oder Bereichen, in denen neue, innovative Produkte (oder Dienstleistungen) unter unsicheren Bedingungen geschaffen werden sollen.
  2. Entrepreneurship ist Management: Ein gewisses Maß an Führung bringt Sicherheit und verringert das Risiko.
  3. Validierte Lernprozesse: Das übergeordnete Ziel eines Unternehmens ist, ein Produkt zu erstellen, Kundenbedürfnisse damit zu befriedigen und letztlich Geld dabei zu verdienen. Beim validierten Lernen geht es um die Integration einer Feedbackschleife und die Durchführung von Experimenten in kurzen Abständen. Die damit verbundene Intention ist es, die getroffenen Annahmen sowie die unternehmerische Vision zu überprüfen und basierend auf den Ergebnissen gegebenenfalls anzupassen.
  4. Bauen, Messen, Lernen: Dieser Punkt beschreibt die Vorgehensweise im Entwicklungsprozess. Am Anfang steht eine Idee. Auf ihr beruhend wird ein Produkt erstellt, das dem Markt (oder einer Zielgruppe) zugänglich gemacht wird. Danach werden die Reaktion auf das Produkt gemessen und die Lehre aus den Ergebnissen gezogen. Anschließend beginnt die Schleife von Neuem; gegebenenfalls mit einer angepassten oder weiterentwickelten Version.
  5. Innovationsbilanz: Hierbei werden Fortschritte, Erfolge und Misserfolge gemessen und als Konsequenz aus den Erfahrungen die entsprechenden Prioritäten gesetzt.

Das Ziel eines Entrepreneurs sollte es unter anderem sein zu untersuchen, wie sich das Unternehmen entwickelt, ob die richtige Strategie mit einem geeigneten Produkt verfolgt wird und wie es aus Fehlern und Erfahrungen lernen kann. Es ist wichtig, seine Annahmen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.

Um das Risiko zu minimieren, rät Ries in seinem Buch zum MVP (Minimum Viable Product). Ein zu deutsch minimal funktionsfähiges Produkt ist die geringstmögliche Größe (was den Zeit- und Kostenaufwand betrifft) eines Produkts. Die geringe Funktionsumfang ermöglicht ein schnelles Kundenfeedback und fördert den erwünschten Lernprozess.

Für das Überprüfen eines MVP werden entsprechende Experimente durchgeführt. Am Anfang eines jeden steht eine klar definierte Hypothese, die es zu validieren oder falsifizieren gilt. Dann wird das MVP vorgestellt und die Reaktion darauf gemessen. Folgende Fragen sollten sich dabei beantworten lassen:

  • Welches Problem soll gelöst werden?
  • Wie würde die Lösung beim Kunden ankommen? Haben sie das Problem wirklich?
  • Ist der Fragesteller der Richtige, um das Problem zu lösen?
  • Würden die Kunden die Lösung akzeptieren?
  • Welche Art von Kunden würde das interessieren?
  • Welches Produkt könnte das Problem lösen?

Oftmals wird ein fertiges Produkt auf den Markt gebracht, ohne vorher Annahmen zu validieren. Die genannte Vorgehensweise bietet ein geeignetes Mittel, rechtzeitig Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Die richtigen Metriken zu finden ist manchmal nicht einfach. Es gibt genügend, die einen positiven Eindruck vermitteln, ohne dabei konkrete Hinweise auf die Entwicklung des Unternehmens zu geben. Generell sollten bei der Wahl der Metriken drei einfache Merkmale erfüllt sein, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten: Sie sollten aktionsorientiert, allgemein zugänglich und allgemein nachprüfbar sein.

Aktionsorientiert: Hierbei sollte der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestätigt werden. Die Ergebnisse müssen zeigen, welche Ausprägung des Produkts welches Verhalten hervorruft. Außerdem sollte das Ergebnis wiederholbar sein. Ein klassischer Fall einer nicht aktionsorientierten Metrik ist beispielsweise der Anstieg an Nutzerzahlen einer Webapplikation, wenn sich diesem keine Aktion direkt zuordnen lässt. Es ist dann nicht zu erkennen, ob der Anstieg durch die Änderung des Produkts zustande gekommen ist, er durch eine Marketingaktion beeinflusst wurde oder zum Zeitpunkt der Beobachtung einfach ein paar besonders aktive Besucher auf der Seite waren, die den Feiertag zum Surfen im Internet genutzt haben.

Allgemein zugänglich: Die vorgenommen Messungen sollten den Mitarbeitern des Unternehmens jederzeit zugänglich sein. In vielen Start-ups beobachtet man Dashboards, die alle wichtigen Kennzahlen aufzeigen. Die Darstellung sollte dabei so einfach und so unmissverständlich wie möglich erfolgen.

Allgemein nachprüfbar: Die Ergebnisse müssen für alle Mitarbeiter nachprüfbar und glaubhaft sein. Wenn das Vertrauen in die erhobenen Daten nicht gegeben ist, leidet das gesamte Projekt darunter.

Ein geeignetes Instrument zur Analyse der Kundengruppen stellt die Kohortenanalyse dar. Hierbei wird nicht die Gesamtheit der Kunden, sondern die Interaktion der Kohorten (Kundengruppen) mit dem Produkt betrachtet. Dabei erfolgt die Beobachtung des Verhaltens im Zeitverlauf von der Akquise bis zum möglichen Verkaufsabschluss. Bei der Bewerbung eines Produkts würde man beispielsweise messen, was in den unterschiedlichen Schritten der Prozesskette passiert und wie viele Kunden der Kohorte bis zum gewünschten Ereignis, nämlich dem Kauf des Produkts, gelangen.

Ein Vergleich der Kohorten kann über A/B-Tests (oder auch Split-Run-Test) erfolgen, bei denen das Produkt den Kohorten in zwei unterschiedlichen Versionen vorgelegt wird. Wie verhält sich die Kundengruppe, denen Produkt A angeboten wird, im Vergleich zu der, denen Produkt B präsentiert wird? Die Ausführung, die eine höhere Konversionsrate erreicht, sollte weiterentwickelt werden.

Der Investor Dave McClure hat eine geeignete Vorgehensweise bei der Analyse der Kohorten in seinem Blog-Post über die Verwendung der "Startup Metrics for Pirates" (am Beispiel einer Webapplikation) beschrieben. Dabei untersucht er das Verhalten der Nutzer in den einzelnen Phasen des "AARRR Funnel":

  • Acquisition: Nutzer kommt das erste Mal auf die Seite (über verschiedene Kanäle)
  • Activation: erste positive Erfahrung beim ersten Besuch
  • Retention: Nutzer kommt wieder und besucht die Seite mehrmals
  • Referral: Nutzer findet das Produkt so gut, dass er andere auf die Seite hinweist/eine Empfehlung ausspricht
  • Revenue: Nutzer kauft das Produkt zur weiteren Nutzung (bspw. in Form einer Pro-Version)

Bei Start-ups, die mit einem Kanban-System arbeiten, lässt sich die angestrebte kontinuierliche Verbesserung durch die Lean-Startup-Methode weiter unterstützen. Bei der Visualisierung und Abbildung der Prozessschritte am Kanban Board kommt in der Prozesskette ein Validierungsschritt hinzu, in dem Teams überprüfen, ob sich die aufgestellte Hypothese zum entwickelten Produkt/MVP validieren ließ oder nicht.

Hierbei werden die User Stories, MMFs (Minimum Marketable Feature), Features oder Arbeitspakete (je nach Definition und Größe) erst als abgeschlossen betrachtet, wenn ein validierter Lernprozess erfolgt ist – nämlich der positive oder negative Ausgang der Hypothesenüberprüfung. Sobald der Validierungsschritt abgeschlossen ist, kann auch das Ticket in die letzte Stufe übergehen beziehungsweise (je nach Kanban-System) vom Board genommen werden. Dabei ist wichtig, von vornherein genau festzulegen, welche Hypothese überprüft werden soll. So ist sichergestellt, dass die Vorgehensweise im Validierungsschritt klar ist und die Überprüfung keine Verzögerung verursacht.

Kanban Board inkl. Validierungsschritt

Schematische Darstellung des gleichen Kanban Board