Whoop-Forschungschefin zum Dauer-Tracking: "Nie einen Herzschlag verpassen"

Seite 2: Wie sich Verhalten auf Schlaf und Erholung auswirkt

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Glauben Sie, dass die Sensoren, die wir jetzt haben, im Grunde ausreichen, um die meisten Ansprüche der Träger zu erfüllen?

Mit neuen oder besseren Sensoren könnten wir sicherlich noch mehr erreichen. Es wäre zum Beispiel schön, Stoffwechselprodukte tracken zu können und Informationen direkt aus dem Schweiß abzuleiten. In diesem Bereich wird viel geforscht. Ich glaube also, dass es noch viel Raum für die Weiterentwicklung der Sensoren gibt.

Whoop ist unter anderem darauf spezialisiert, Menschen bei der Erholungsphase nach dem Training zu helfen. Wie funktioniert das?

Unser Algorithmus erhält dazu vier Inputs: Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Atemfrequenz und Schlafleistung. Das System errechnet daraus täglich eine Momentaufnahme davon, wie gut Sie an diesem Tag auf Stress reagieren und sich daran anpassen können. Es gibt eine Art Ampelfunktion, bei der Grün anzeigt, dass Sie wirklich fit sind, und Rot, dass Sie sich besser einen Ruhetag gönnen sollten. Gelb bedeutet, dass Sie zumindest etwas vorsichtiger sein sollten. Wir berechnen dies anhand einer persönlichen Baseline von ein paar Wochen.

Eine der Besonderheiten von Whoop ist, dass die App Nutzern anfangs sehr viele Fragen zu Gesundheit und Fitness stellt. Was ist die Idee dahinter?

All dies hilft uns, Sie besser zu verstehen. Ich verfolge beispielsweise meinen Menstruationszyklus in der App. Whoop kann mir dann sagen, wie sich mein Zyklus auf meine Erholungs- und Schlafmarker auswirkt. So kann ich mein Training, meine Ernährung und die möglichen Auswirkungen auf meinen Schlaf strategischer ausrichten.

Reisen ist eine weitere Sache, die unsere Biomarker wirklich beeinflussen kann, insbesondere wenn Sie Zeitzonen überqueren. Deshalb versuche ich immer, das in der App zu verfolgen. Auch die Flüssigkeitszufuhr wirkt sich auf die Erholungswerte aus. Ich trinke eigentlich keinen Alkohol mehr, aber wenn ich Alkohol trinken würde, würde ich das auf jeden Fall in der App verfolgen, nur um die Auswirkungen daraus zu sehen. Gleiches gilt, wenn ich ein neues Nahrungsergänzungsmittel einnehme.

Die Datenerfassung ist also für Leute gedacht, die verstehen wollen, wie sich ihre Verhaltensweisen auf die Schlaf- und Erholungsphasen auswirken können. Die Beantwortung dieser Fragen ist dazu wirklich interessant und nützlich. Wenn die Leute daran aber kein Interesse haben, lassen sie es einfach. Trotzdem kann man seine Daten mit Whoop tracken.

Sie führen auch Experimente mit Ihren Mitgliedern durch, wenn diese daran teilnehmen wollen. Tragen die dazu bei, das System genauer zu machen?

Wir veranstalten dazu sogenannte Digital Whoop Labs. Wir senden unseren Mitgliedern dann einfach eine Push-Benachrichtigung mit einem Inhalt wie: "Hey, wir führen gerade eine Studie über Stress und Schlaf durch. Möchtest du daran teilnehmen?"

Im April haben wir beispielsweise eine Untersuchung über einen Zeitraum von etwa vier Wochen durchgeführt und verschiedene Fragen zu Ängsten und Schlafstörungen gestellt. Wir wollten wissen, wie die Nutzer ihren Tag empfanden, ob er sich herausfordernd anfühlte, und haben uns neben Blutdruckdaten auch die von Whoop gesammelten Daten angesehen. Wir konnten einige wirklich interessante Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung eines Tages und den Auswirkungen auf Blutdruck und Schlaf gewinnen. Wir führen regelmäßig solche Forschungsvorhaben durch, um zu verstehen, welche Verhaltensweisen am wirksamsten sind, um Biomarker zu erzielen, die für gute Gesundheit und Langlebigkeit sprechen.

Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) ist ein Wert, über den Whoop viel spricht. Im Vergleich zum Puls oder Blutdruck ist dieser Wert weniger bekannt. Woran liegt das und fehlt es hier an Aufklärung?

Ich habe die Herzfrequenzvariabilität schon vor meiner Tätigkeit bei Whoop im Sportbereich verwendet. Als ich Cheftrainerin an der Princeton University war, haben wir die HRV unter anderem eingesetzt, um zu verstehen, wie sich die Athleten erholten. Der Marker wird in der Leichtathletik seit fast zwei Jahrzehnten eingesetzt.

Die Herzfrequenzvariabilität kann auch ein guter Indikator dafür sein, wie man auf externen Stress reagiert. Und sie ist ein Marker für unser physiologisches und psychologisches Wohlbefinden. Es ist nicht nur für Sportler wirklich wichtig, dass ich weiß, ob sich meine Herzfrequenzvariabilität und mein Ruhepuls in die richtige Richtung bewegen. Ich möchte es lieber jetzt wissen, als in sechs Monaten, wenn ich mich dann möglicherweise in einer schlechten gesundheitlichen Lage befinde. Wir konnten auch zeigen, dass veränderte HRV-Werte ein Signal dafür sein können, dass man krank wird, zum Beispiel an COVID-19 – und das Wochen, bevor man es wirklich spürt.

Kann ein Fitness-Sensor zu viele Daten liefern? Viele Menschen sind gestresst, wenn sie die ganzen Werte nicht richtig interpretieren können.

Keine Frage, ja, es gibt dafür definitiv einen optimalen Bereich. Ich glaube auch, dass die Datenflut eine Menge unnötige Ängste erzeugen kann. Daher hilft es, Unnötiges wegzulassen. Das war schon immer mein persönliches Ethos. Als ich in Princeton trainierte, zeigte ich meinen Athleten nie Daten, die sie nicht auch für sich persönlich umsetzen konnten. Und das ist das Prinzip, das ich seit meiner Ankunft bei Whoop vor acht Jahren immer wieder betone: Wir sollten den Leuten keine Daten präsentieren, mit denen sie nichts für sich anfangen können. Wir arbeiten wirklich sehr, sehr hart daran, dieses Prinzip in unser Produkt zu integrieren. Wenn uns das gelingt, glaube ich, dass wir ein außerordentlich hilfreiches Produkt sein können – und kein schädliches. (bsc)