Wie Japan der Schifffahrt die CO2-Emissionen austreiben will
Der japanische Schiffbauer Mitsubishi Heavy testet die weltweit erste CO2-Speicher-Anlage für Schiffsmotoren. Sie reist einfach mit.
- Martin Kölling
Der japanische Frachter "Corona Utility" wird in der Pandemie zum Symbol der Klimarettung. Gleich neben dem massiven Schornstein des 230 Meter langen Schiffs wurde ein mehr als zwei Stockwerke hoher Kasten mit einer technologischen Pionierleistung installiert: der weltweit ersten Kohlendioxidabscheidungsanlage für ein Schiff im Linienverkehr.
CO2 sammeln auf hoher See
Der Name, der auf dem Quader prangt, ist dabei Programm: CC Ocean steht für "Carbon Capture on the Ocean". In den kommenden Monaten wollen drei Partner ausprobieren und vorführen, wie die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung an Bord funktioniert. Aber die eigentlichen Ambitionen der Teilnehmer sind größer.
Das Projekt ist Teil einer konzertierten Aktion von Japans Regierung, Reedern und Schiffsbauern, der maritimen Logistik die Kohlendioxidemissionen auszutreiben. Dies ist inzwischen global ein wichtiges Ziel. Denn Schiffsdiesel waren laut der Internationalen Energie-Agentur im Jahr 2019 für immerhin zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen im Energiesektor verantwortlich.
Das Paradoxe: Japans Regierung und Japans Firmen gehörten Anfangs keineswegs zu den Pionieren der Bewegung. Aber sie entschlossen sich rasch, die ersten zu sein, die diesen Markt mit Technologien für emissionsfreie Schifffahrt bedienen. Denn industriepolitisch sehen sie die Chance, mit den neuen Technologien gerade im Schiffbau Marktanteile zurückzuerobern, die die Werften und Reeder besonders an chinesische und koreanische Rivalen verloren hatten.
Fahrplan seit Frühjahr 2020
Bereits im März 2020 veröffentlichte ein Konsortium unter Leitung des Transportministeriums den "Fahrplan für null Emissionen der internationalen Schifffahrt". Laut dem Plan wollen die beteiligten Konzerne nicht nur bis 2028 die ersten "Zero Emission"-Frachtschiffe auf den Markt bringen. Sie wollen auch verschiedene Ideen zur Dekarbonisierung der Schiffsdiesel zur Marktreife entwickeln.
Die Dekarbonisierung an Bord fiel dabei einem Konsortium des Reeders K-Line, der Werft Mitsubishi Shipbuilding und der Klassifizierungsgesellschaft ClassNK zu. Die Partner verwenden dazu eine kleine Auffanganlage, die bisher an Land eingesetzt war. Das gewonnene Kohlendioxid soll dann als Rohstoff für beispielsweise künstlich erzeugte synthetische Kraftstoffe verwendet werden.
Synthetisches Methan, das aus der Verbindung von Wasserstoff mit Kohlendioxid gewonnen werden kann, gilt dabei in Japan als eine mögliche klimaneutrale Alternative zu bisherigem Schiffsdiesel. Im Juli dieses Jahres bestätigte sich ein anderes japanisches Industriekonsortium, dass diese "Methanisierung" als emissionsneutral gelten könne.
Lieferkette entwickelt
Die Partner haben sich sogar eine Lieferkette ausgedacht. Kohlendioxid aus Stahlwerken und Fabriken soll eingefangen und dann in Tankern zu Anlagen gebracht werden, wo es mit Wasserstoff zu Methan verarbeitet und verflüssigt wird. Der Wasserstoff wird in diesem Gedankenspiel mit Sonnen- und Windkraft durch Elektrolyse von Wasser erzeugt.
Aber genau wie der Betrieb von Schiffsmotoren mit Flüssiggas, den wiederum ein anderes Konsortium erprobt, sehen auch Japans Unternehmen darin eher eine Übergangslösung. Neben Dekarbonisierungsanlagen und alternativen Brennstoffen setzen die Japaner ebenfalls große Hoffnungen auf Wasserstoff und Ammoniak als Energiespender. Diese Technologien sollen dabei nicht nur kleinen Schiffen Vortrieb leisten.
Die vier windschnittigen Konzepte für Fracht- und Containerschiffe, die das all-japanische Konsortium zu Papier gebracht hat, sind bis zu 400 Meter lang. Nun müssen die Unternehmen sich nur beeilen, die Technologien so rasch wie geplant zu entwickeln, zu bauen und zu verkaufen. (bsc)