Wie die Auswirkungen von Strompreiszonen und Netzentgelten aussehen

Bei der Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen geht es darum, die Preisgestaltung an regionale Gegebenheiten anzupassen.

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Umspannwerk in Bremen

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

In gewohnter Manier polterte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor kurzem gegen die Einführung von Strompreiszonen in Deutschland. "Wer solchen Zonen das Wort redet, legt die Axt an den Industriestandort Deutschland und gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik", zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung. Dieser unbedachte Reflex ist offenbar dem laufenden Wahlkampf geschuldet – denn darum geht es bei den Strompreiszonen nämlich gar nicht.

Bei der geplanten Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen, auch Gebotszonen genannt, geht es darum, die Preisgestaltung beim Strom an regionale Gegebenheiten anzupassen. Damit einhergehend wird auf eine geplante, gerechtere Aufteilung der Netzentgelte gezielt, vor allem fĂĽr die Ăśbertragungsnetze zwischen Nord und SĂĽd.

Der schnelle Zubau der Wind- und Solarparks im Norden erfordert auch gewaltige Investitionen in neue Stromleitungen und -trassen. Solche Infrastrukturkosten legen die Netzbetreiber auf ihre Kunden vor Ort um. So kommt es, dass dort, wo viel in regenerativ erzeugte Elektrizität investiert wird, auch die Stromkosten am höchsten sind – vor allem, wenn es in einer Region nur wenige Stromkunden gibt, wie etwa in Schleswig-Holstein.

Während Privatkunden in Bayern für eine Kilowattstunde Strom im vergangenen Jahr um die 43 Cent zahlten, mussten die Schleswig-Holsteiner vier Cent mehr zahlen. Kein Wunder, dass sich die nördlichen Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen unfair behandelt fühlen und sich für eine gerechtere Lastenverteilung einsetzen.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der unfairerweise alle Stromkunden gleichermaßen belastet. Der ergibt sich daraus, dass der Ausbau der regenerativen Stromkapazitäten im Norden so schnell vorangeht, dass die Netzbetreiber mit dem Bau von Übertragungsleitungen zu den Verbrauchern im Süden nicht nachkommen.

Wenn günstiger Wind und strahlende Sonne reichlich billigen Strom liefern, dann müssen die Windkrafträder im Norden oft gebremst werden, weil er nicht weiter geleitet werden kann. Im Süden dagegen fahren teure Kohle- und Gaskraftwerke hoch, um das Netz stabil zu halten. Die Mehrkosten dafür, die sogenannten Redispatchkosten, sorgen an der Strombörse für hohe Preise, die dann alle deutschen Verbraucher zahlen müssen. Eben auch die Nordländer mit ihrem eigenen, günstigen Strom. Laut Monitoring-Bericht 2022 der Bundesnetzagentur lagen die Redispatch-Kosten 2021 immerhin bei mehr als 1,2 Milliarden Euro.

Insgesamt werden den Schleswig-Holsteinern fĂĽr die Stromnetzentgelte bei einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden rund 480 Euro aufgebĂĽrdet, den Bayern nur rund 323 Euro.

Bei der jetzt geplanten Neuordnung der Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur für die Übertragungsleitungen müssten die Bajuwaren allerdings in der Tat wohl mehr zahlen, weil sie den Ausbau der Erneuerbaren in ihrem Freistaat so lange verzögert haben.

Ein ganz anderes Thema ist dagegen die Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen.

Sie geht auf Vorschläge der EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) zurück. Deren Aufgabe ist es, die europäischen Energiemärkte zu überwachen und zu regulieren.

Für Deutschland wären Strompreiszonen ein Novum. Derzeit kann Strom hier noch in beliebigen Mengen kreuz und quer verschickt werden, solange die Kapazitäten der Stromleitungen es hergeben. Innerhalb der Zonen, so die Idee, soll sich die Preisgestaltung beim Strom an den regionalen Gegebenheiten des Stromnetzes orientieren. Gebiete, in denen nur wenige Leitungen zwei Nachbargebiete miteinander verbinden, wären dann quasi die Grenzen zwischen zwei Zonen. ACER schlägt für Deutschland vier Varianten als Diskussionsgrundlage vor, die zwei bis fünf Zonen vorsehen.

Solche Strompreiszonen gibt es in anderen Ländern schon lange. So ist Italien in sieben, Norwegen in sechs, Schweden in vier und Dänemark in zwei Gebotszonen aufgeteilt, in denen sich die Preise zeitweise durchaus erheblich unterscheiden.

Damit Politik und Netzbetreiber in eine Verhandlung einsteigen können, müssen sie erst die Analysen auch anderer mitteleuropäischer Netzbetreiber abwarten, die im Frühjahr 2024 vorliegen müssen. Die Bundesregierung und die Regierungen von Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Ungarn, die Niederlande, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien haben dann sechs Monate Zeit, sich selbst auf eine gemeinsame Neuordnung ihrer Stromnetze zu einigen. Schaffen sie es nicht, wird die EU-Kommission nach Anhörung von ACER innerhalb weiterer sechs Monate eine Entscheidung treffen.

In den Zonen, in denen mehr Strom erzeugt, als verbraucht wird, könnten die Preise rein theoretisch durchaus fallen. Doch dauert die Preisdifferenz zwischen den Zonen oft nur wenige Stunden, in denen die Netzkapazität nicht ausreicht, um den Strom zu transportieren. Da die Übertragungsnetze aber derzeit kontinuierlich ausgebaut werden, dürfte der Stromtransport in Zukunft immer reibungsloser erfolgen, so dass sich die Strompreise im Laufe der Zeit in den verschiedenen Zonen weitgehend angleichen könnten. Die Einteilung in Strompreiszonen würde also nicht unbedingt einen Anreiz für den stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien in Ländern führen, die diesen Ausbau bisher vernachlässigt haben. Für die physikalische Stabilität des gesamten Stromsystems wären sie dagegen durchaus sinnvoll, weil nicht zuletzt der Redispatch sinken würde.

"Studien des DIW Berlin zeigen, dass die Strompreiseffekte gering wären", schreibt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im DIW-Wochenbericht vom 24. Mai 2023 und widerspricht damit Markus Söders Wahlkampfgetöse, der fürchtet, dass Unternehmen aus Bayern gen Norden abwandern.

Anders sieht sie es bei den Netzkosten aus: Dort sei eine einheitliche und nicht regionale Verteilung der Netzkosten überfällig. Das wäre nach Kemferts Analyse weniger ungerecht.

(jle)