Wie die Elbphilharmonie und Hamburger Clubs ihre Konzerte ins Netz streamen

Der Lockdown macht erfinderisch: Clubs und Konzerthäuser stellen auf Livestreams um und finden neue Wege für den Austausch zwischen Publikum und Künstlern.

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(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Christiane Richwien
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Der Lockdown trifft die Kulturbranche besonders hart. Abends liegen selbst in Großstädten wie Hamburg die Bühnen und Clubs im Dunkeln. Pianistinnen und Schauspieler haben schon fast vergessen, wie es sich anfühlt, mit Kollegen zu proben und vor Publikum aufzutreten. Doch es gibt immer mehr Orte wie die Elbphilharmonie, an denen Licht brennt, weil dort ein Live-Stream stattfindet. Ebenso versuchen kleinere Clubs der Stadt, mit Live-Übertragungen Kontakt zum Publikum zu halten. Das wird die Szene auch nach Corona prägen.

Bands wie Derya Yildirim & Grup Simek treten online beispielsweise auf dringeblieben.de auf. Die Plattform der Kölner CodeKarussel UG streamt neben Konzerten auch Lesungen und Theaterstücke. Die Preise liegen meist bei 5 Euro pro Auftritt. Einige sind aber auch kostenlos, bei anderen können die Zuschauer selbst entscheiden, ob sie nur 1 Euro zahlen oder den Künstler und Kulturbetrieb mit bis zu 100 Euro sponsern. Nach der Live-Übertragung stehen die Sendungen in der Mediathek des Veranstalters meist ein paar weitere Monate zum Abruf bereit.

Auf dringeblieben.de laufen Konzerte, Vorlesungen und Theaterstücke auch während des Lockdowns weiter.

Im Bereich der staatlich geförderten Kunst kommen Opernfans kostenlos in den Genuss, wenn sie einen Konzert-Stream der Hamburger Elbphilharmonie in den Mediatheken der ARD oder bei arte, auf Facebook oder YouTube empfangen. Seit August stellt die Elphi neben kurzen Porträts auch ganze Konzerte online. Rund ein Dutzend solcher Auftritte sind bereits in der Mediathek unter elbphilharmonie.de erschienen.

Das Know-how für solche Live-Streams müssen sich viele Veranstalter aber noch erarbeiten. Denn in Clubs und Theatern war man bis vor Kurzem überhaupt nicht auf Echtzeitübertragungen eingestellt. Bei ihren ersten Gehversuchen setzten manche Veranstalter lediglich Smartphones und Action-Camcorder ein. Welche Kamera für einen Stream taugt oder wie ein Bild gut ausleuchtet wird, wussten nur wenige Spezialisten, die für eine Konzertaufzeichnung extra gebucht werden mussten.

Mats Wollny, Vorstandsmitglied im Clubkombinat Hamburg e.V. berichtet, dass es in den ersten Monaten der Coronakrise schwierig war, angesichts geschlossener Fachgeschäfte und einer hohen Nachfrage die geeignete Technik überhaupt anzuschaffen. Mittlerweile hätten ein paar Clubs dank der städtischen Förderung immerhin 4K-Kameras bestellt. Manche Veranstalter wollten die komplexe Aufgabe einer Echtzeitbearbeitung von Bild und Ton zunächst umgehen. Sie entdeckten den internen Speicher ihres digitalen Tonpults neu und zeichneten Bild und Ton erst einmal auf, um sie anschließend zu bearbeiten und eine halbe Stunde später zu senden.

Allerdings wären sie dadurch fast aus der Förderung gefallen, da ihnen die finanziellen Mittel ausschließlich für den Live-Stream bewilligt worden waren. Die Hamburger Kulturbehörde erkannte eine um dreißig Minuten verzögerte Ausstrahlung nicht als Live-Stream an. Gefördert werden sollten nämlich Ersatz-Auftrittsmöglichkeiten für geschlossene Live-Bühnen und keine Musikvideo-Produktionen.

Deshalb gingen kleine Subkultur-Clubs wie das Stellwerk in Hamburg dazu über, ein paar Kameras mit einem Live-Videomischer zu verkabeln. Im Computer laufen die Bilder mit dem Stereomix aus dem Mischpult zusammen und werden mit der Open Broadcaster Software (OBS) online geschickt. Die Open-Source-Software ist kostenlos für Windows, macOS und Linux erhältlich und kann eine Show nicht nur live senden, sondern auch aufzeichnen.

Derartige Computerlösungen sind zwar günstig, bergen jedoch Fehlerpotenzial und benötigen geschultes Personal. Andere Live-Bühnen setzen deshalb auf schlankere Systeme. Hersteller bieten dazu inzwischen Videomischer an, die direkt einen sendefähigen Stream ausspucken. So schickt aus einigen Clubs der Blackmagic Design Atem Pro ISO komplette Konzerte ohne PC online. Sollte die hauseigene Internetverbindung während des Streams ausfallen, bietet der Hersteller Blackmagic mit dem Webpresenter HD zudem die Möglichkeit, zur Not auch über ein Smartphone weiter zu streamen. Die Kosten für eine solche Kombination liegen bei rund 1400 Euro.