Wie die Elbphilharmonie und Hamburger Clubs ihre Konzerte ins Netz streamen

Seite 2: High-Tech-Philharmonie

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Die Hamburger Elbphilharmonie spielt derweil in einer anderen Liga. Da die Konzerte zuweilen auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen sind, erreichen die Streams das Niveau einer TV-Produktion. Schaut man während eines Streams in den großen Saal, findet man dort bis zu acht Panasonic AW-HE 130 Full-HD-Kameras. Die lautlos ohne Lüfter arbeitenden Kameras kommen auch mit minderen Lichtverhältnissen klar und werden aus dem Remote-Operator-Raum ferngesteuert, erläutert der technische Projektleiter Matthias Baumgartner. Über das hauseigene Netzwerk gelangen die Kamerasignale in eine Videomatrix.

In der Regie der Elbphilharmonie laufen die aufbereiteten Bilder der Kameras aus dem Konzertsaal zusammen und werden für den Live-Stream zusammengestellt.

(Bild: Christiane Richwien)

Die Grundlage der Streaming-Technik bildet das hausinterne redundante 10-Gigabit-Glasfasernetzwerk mit kupferbasierten HD-SDI-Leitungen. Der Vorteil dieses Netzwerks ist seine Flexibilität. Denn je nach Produktion können sowohl die Auftrittspositionen der Künstler als auch Anzahl und Arbeitsort der im Hintergrund Mitwirkenden stark variieren. Bild- und Tonsignale müssen deshalb an vielen Stellen im Haus abgreifbar sein.

Eine MediorNet-Videomatrix der Firma Riedel stellt die gewünschten Verbindungen über 132 physische Ein- und ebenso viele Ausgänge her. Aus dieser Matrix gehts in einen Graphite-Bildmischer von Ross. Die Streaming-Regie vereinheitlicht das Bildmaterial und steuert über Monitore aus der Ferne, welches Kamerasignal für den Stream zurück in die Videomatrix soll.


»Jede PC-Hardware und Software birgt bei einem Live-Stream das Risiko zusätzlicher Fehlerquellen und Abstürze.« Matthias Baumgartner, technischer Projektleiter der Elbphilharmonie Hamburg


Die Tonregie sendet das Audiosignal aus dem Saal ebenfalls über das hauseigene Netzwerk an die Matrix. Nach einem Ausflug durch einen Prozessor zur Optimierung der Lautheit wird der Ton mit dem Bildsignal gekoppelt. Die letzte Station im Haus, die das frisch komponierte Videosignal vor dem Eintritt ins Internet durchläuft, sind vier H.264-Encoder vom Typ AJA Helo. Je einer ist für den Stream zu Facebook (720p25 mit 5 MBit/s) und YouTube (1080p25 mit 6 MBit/s) vorgesehen. Die beiden übrigen Encoder senden redundant, sodass bei Störungen gleich umgeschaltet werden kann.

Auf Streaming-Software und PCs verzichtet man so weit wie möglich in der Elbphilharmonie. Denn jede eingesetzte Software berge samt dem Computer zusätzliche Fehlerquellen und Risiken, zum Beispiel Programmabstürze, erklärt Projektleiter Baumgartner. Geht alles gut, ist ein Ton bei einer Live-Übertragung bereits etwa 20 Sekunden, nachdem er im Großen Saal erklingt, auf Facebook zu hören.

Ein sensibles Thema ist die Anpassung der Lautstärke, insbesondere bei der Übertragung konzertanter Musik. Die Dynamik ist bei Klassikproduktionen in der Regel nämlich deutlich größer als im Pop oder Rock. Lautheitsschwankungen zwischen zarten Flötentönen und donnernden Paukenschlägen müssen deshalb äußerst behutsam ausgeglichen werden. Denn je lauter das Signal im Durchschnitt klingt, desto weniger Spielraum bleibt für dynamische Unterschiede.

In der Elbphilharmonie orientiert man sich dazu an den Hörgewohnheiten der Zielgruppen und den eingesetzten Wiedergabegeräten. Während Zuschauer auf Facebook meist ihr Smartphone nutzen, sitzen sie bei YouTube eher am heimischen PC oder vor dem Smart-TV mit angeschlossener Stereo-Anlage.

Die Audioprozessoren der Elbphilharmonie gleichen unter anderem die Lautstärke für die Streams auf YouTube und Facebook an.

(Bild: Christiane Richwien)

Zur Lautheitsanpassung kommt an der Elphi ein TC Loudness Pilot 2XSDI zum Einsatz. In dessen Loudness-Sektion sind Parameter wie Ziel-Level, maximale Reduktion, Freeze Level, Freeze Hold und maximaler Boost einstellbar, angezeigt in LUFS (Loudness Units Full Scale). Während Aufnahmen in der Philharmonie zunächst auf eine durchschnittliche Ziellautstärke von -23 LUFS ausgesteuert werden, hebt der Loudness Pilot den Pegel für YouTube um etwa 3 Dezibel auf –20 LUFS an. Bei Facebook ist der ausgespielte Ton durchschnittlich 2 Dezibel lauter (–18 LUFS), um die generell schwächere Ausgangsleistung von Smartphones etwas auszugleichen. Die lautesten Paukenschläge müssen dafür dann eventuell etwas gestutzt werden, weil keine Pegelspitze über die theoretische Obergrenze von 0 LUFS hinausragen kann.

Doch zurück zur Hamburger Club-Szene: Für einen guten Stream braucht es nicht nur Technik, sondern auch Personal. In manchen Clubs ist der Azubi der Einzige, der sich nicht gänzlich in Kurzarbeit befindet und deshalb Zeit hat, sich in die neue Streaming-Technik reinzufuchsen.

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