Windenergie und Photovoltaik: Hartnäckige Mythen im Faktencheck
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Mythos: "Windkraftanlagen töten tausende Rotmilane pro Jahr."
Unbelegt. Untersuchungen und Forschungsprojekte geben zwar an, dass Rotmilane auch aufgrund von Windrädern verendet sind, derzeit kursierende Angaben von über Tausend getöteten Tieren sind jedoch ohne Beleg.
In Sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verbreitet sich seit einigen Jahren die Behauptung mit reißerischen Bildern, dass angeblich jedes Jahr 1500 Rotmilane und 12.000 Mäusebussards durch Kollisionen mit Windkraftanlagen sterben. Darin wird zumeist als Quelle auf die Progress-Studie [PDF] der Universität Bielefeld verwiesen.
Ziel der Progress-Studie war, eine Erfassung der Kollisionsraten von Vögeln mit Windkraftanlagen und eine Abschätzung der Vogelopfer in der norddeutschen Tiefebene und eine Prognose der Bestandsentwicklung. Allerdings decken sich die in den Social-Media-Beiträgen angegebenen Zahlen nicht mit dem Ergebnis. Professor Oliver Krüger, Mitautor der Progress-Studie, wies auf Nachfrage durch heise online hin, dass man das norddeutsche Tiefland nicht mit anderen Orten, wie dem deutschen Mittelgebirge, vergleichen könne. Somit sei eine Hochrechnung der Zahlen nicht richtig.
Innerhalb der Studie suchten Forscher von 2011 bis 2015 insgesamt 46 Windparks in Norddeutschland nach Vogelkadavern ab. Dabei untersuchten sie mehr als 500 Windräder. Die Teams fanden in dieser Zeit 25 tote Mäusebussarde und nur 5 durch Kollisionen verendete Rotmilane. Ihr Fazit: Die aktuelle Anzahl an Windrädern bewirken keinen Bestandsrückgang der Rotmilanpopulation. Für den weiteren Ausbau an Windrädern bestehe "jedoch eine hohe Notwendigkeit, die Artenschutzrechtliche Belange für die Art zu berücksichtigen".
Inzwischen sind verschiedene Schutzmaßnahmen Bestandteil des Genehmigungsverfahrens für Windräder, wie Abstandsregelungen von einem Windrad zum Rotmilan-Horst. Zeitweilige Abschaltungen sind ebenfalls möglich. Etwa dann, wenn ein Bauer das Feld neben einem Windrad aberntet. Das könnte Rotmilane aufgrund verletzter oder getöteter Feldbewohner anlocken.
Auch könnte in Zukunft Computertechnik helfen, den Konflikt zwischen Windkraft und Rotmilan zu entschärfen: KI gestützte Kamerasysteme, die anfliegende Rotmilane erkennen und die Windkraftanlage abschalten, werden in verschiedenen Pilotprojekten geprüft. Das Bundesamt für Naturschutz hat dazu mit dem Kompetenzzentrum für Naturschutz zusammen einen Anforderungskatalog für Windkraftanlagen-Abschaltsysteme verfasst.
Mythos: "Windkraftanlagen sind fĂĽr DĂĽrren in Deutschland verantwortlich."
Unwahr. Zwar existieren Studien, die eine geringe Wetterbeeinflussung nahelegen, aber das beschränke sich auf die unmittelbare Umgebung.
Nach vielen aufeinanderfolgenden Dürresommer kamen im Netz wilde Behauptungen auf: Angeblich sei nicht der Klimawandel für die Trockenheit verantwortlich, sondern die Windräder in Deutschland, da sie den Wind "bremsten" und die Temperaturen erhöhen.
Eine 2018 veröffentlichte Studie Climatic Impacts of Wind Power berechnete eine allgemeine Temperaturerhöhung in den USA von 0,24° C, wenn die gesamte Energierzeugung der Vereinigten Staaten von Windrädern geleistet werde. Durch den Austausch von Wärme, Feuchtigkeit und die Bremsung könne es zu einem Erwärmungseffekt kommen. Allerdings ist dieser Studienansatz umstritten. John Dabiri von der Stanford University kritisierte, dass die Art der Modellierung für Windkraftanlagen nicht ideal sei. In der Simulation werde ein zu hoher Luftwiderstand für die Windanlagen verwendet. Er wies darauf hin, dass andere Simulationen dieser Art nur geringe Temperaturveränderungen zeigten.
Lee Miller, amerikanischer Klimaforscher am Pacific Northwest National Laboratory im US-Staat Massachusetts verfasste einen Artikel in der Zeitschrift Physics Today zu dem Thema und verweist auf einen anderen Aspekt: Tatsächlich werde durch die Turbulenzen, die durch die Rotation im Windstrom entstehen, ein Austausch von Feuchtigkeit, Energie und Luftmassen im Nahbereich einer Anlage erzeugt. Das vom Windrad erzeugte Mikroklima erwärme nachts die Luft in Bodennähe leicht. Allerdings werde der Effekt nicht durch Zugabe von Wärme, sondern über Durchmischung der Luftmassen erreicht. Dadurch wären die Effekte aber nur lokal begrenzt und nicht global relevant.