20 Jahre Google Maps: Bequemlichkeit schlägt Gewissen
Keine Reise ohne Planung in Google Maps. Wege, Essen, Richtungen und Zwischenstopps – ich nutze fast alles, gesteht Eva-Maria Weiß.
(Bild: Michel Meynsbrughen)
Ich kann Karten lesen. Diese ollen Teile aus Papier. Und ich drehe sie auch nicht auf dem SchoĂź herum, wenn ich als Beifahrer den Weg weisen muss. Das ist allerdings schon lange nicht mehr vorgekommen. Aber ich erinnere mich noch gut an meine Jugend. Jetzt ĂĽbernehmen das Navis und oftmals Google Maps. Der Kartendienst ist in seinen 20 Jahren allerdings zu so viel mehr geworden als nur ein Kartendienst.
Es gibt Apple Maps, es gibt OpenStreetMap, es gibt mehr. Ich habe die Konkurrenz auch kurz mal angetestet, aber nein, ich bin bei Google Maps hängengeblieben – wie die meisten Menschen hierzulande. Es ist halt der Primus. Und egal, wie schwer ich mich oft damit tue, Dienste der ganz großen Tech-Unternehmen zu nutzen und sie dann auch noch zu loben, es ist wie es ist: Ich nutze Google Maps verdammt gerne.
Früher bin ich bei einem Citytrip oder im Urlaub durch die belebtesten Gegenden gelaufen und etwa da zum Essen gegangen, wo es einfach gerade voll war und gut aussah. Hat auch prima geklappt. Ich weiß nicht, ob meine heutige Rangehensweise wirklich besser ist, aber sie steigert zum Beispiel meine Vorfreude enorm. Und während ich die Buchung einer Reise und die Auswahl eines Reiseziels grauenhaft finde, liebe ich es, bei Google Maps, und jetzt kommt es noch dicker, bei Instagram abzuhängen und mir herauszusuchen, was ich machen möchte.
Google weiĂź, was ich essen will
Es gibt Restaurants, Foods-Spots, die ich in verschiedenen Städten eh schon auf dem Schirm habe. Zufall, dass es diesen einen viralen Konditor gibt, dem ich schon lange folge, und dass ich jetzt nach Paris düse. Google Maps geöffnet, wo hat Cedric Grolet sein Geschäft? Zack, Startpunkt. Und von dort aus klicke ich mich durch die Umgebung. Google hat dafür schon längst erst Street View und später sogar immersive Ansichten eingeführt. Das nutze ich beides nicht. Ein bisschen Überraschung bleibt mir also.
(Bild:Â emw)
Wenn ich das süße Teilchen gegessen habe, möchte ich sicher später zu Abend essen. Am liebsten in der Nähe des Hotels. Also scanne ich die dortige Umgebung. Google Maps zeigt auf Wunsch alle Gastronomie-Einrichtungen an, oft sind sie mit dem Stil oder der Art des Essens untertitelt. Man kann auch einen Kartenausschnitt auswählen, in dem gesucht werden soll. Klickt man in der App auf ein Restaurant, erscheinen Bewertungen und Fotos. Die sind von der Community hochgeladen, freiwillig und ziemlich kostenlos für Google. Meist gibt es auch Speisekarten zu sehen. Ein Klick weiter und man gelangt auf die Webseite und kann dort einen Tisch reservieren.
Genau diese vielen Möglichkeiten, die Verbindung des Kartendienstes mit den anderen Google-Diensten und Informationen zu Öffnungszeiten und den Preisen machen alles so einfach. Google kann dadurch seine marktbeherrschende Stellung sichern, wie es in den Beobachtungen und Klagen der verschiedenen Wettbewerbsbehörden der Welt so schön heißt. Deshalb schäme ich mich auch fast etwas dafür, dass ich genau das so wahnsinnig gerne nutze.
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Zwischen Patisserie, Einchecken und Abendessen noch kurz ein Mitbringsel finden, ein bisschen Kultur? Kein Problem. Google Maps zeigt die groĂźen SehenswĂĽrdigkeiten ohnehin an. Die Oper schaut gut aus und oh, ein Vitra Showroom wird mir angezeigt. Werbung? Gut, ist aber eh alles zu teuer.
Google kennt den Weg
Dann lieber Kultur, ist günstiger. Notre-Dame ist wiedereröffnet worden. Bei Google Maps eingegeben. Tada. Zu Fuß dauert es 36 Minuten von Cedric Grolet dorthin, mit ÖPNV sind es 19 Minuten. Ich werde nur wenige Stunden haben, also nehme ich die Öffis. M7 ab der Haltestelle Pyramides Richtung Mairie D'ivry, nur drei Stationen bis Châlet und dann nochmal acht Minuten zu Fuß zur Kathedrale. Selbstredend, dass Google Maps den Weg anzeigt und auch die Richtung, in die man schaut, erkennt. Das kann nun wirklich kein Kartendienst auf Papier liefern.
Google weiß außerdem natürlich die Öffnungszeiten und Eintrittspreise – kostenlos, allerdings mit buchbaren Zeitslots. Unterwegs den nächsten Geldautomaten finden? Google weiß, wo er steht. Drehorte? Die Suche nach Café und Amelie führt zum Café des Deux Moulins, in dem Teile des Films "Die fabelhafte Welt der Amelie" gedreht wurden. Nichts für meinen Kurztrip, aber ein Teil des Google-Maps-Wissens.
Google ĂĽbertreibt es auch mal
Seit 20 Jahren hat Google an diesem Konzept gefeilt. Hier und da ist der Kartendienst ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Immersive Ansichten aus der Luft und durchschnittliche Temperaturen vor Ort brauche ich nicht. Manchmal fehlen mir einfache Möglichkeiten, Routen und Orte zu speichern. Ich melde mich ungern an, meist nutze ich deshalb sogar Screenshots, um mir Wege und Plätze zu merken. Das größte Manko ist und bleibt aber die Dominanz Googles.
Die EU hat bereits einige Verknüpfungen von Google und Google Maps unterbunden – damit Bequemlichkeit nicht immer das Gewissen schlägt. Im Browser eine Adresse zu suchen, führt zum Beispiel nicht mehr automatisch zu Maps. In zehn Jahren könnte das noch anders aussehen. Vermutlich gehört bis dahin auch dazu, dass überall noch mehr KI eingezogen ist, und vermutlich wird auch das eher zu viel des Guten sein. Gespannt bin ich, ob ich dann mit einer AR-Brille durch neue Städte laufe, statt auf mein Smartphone zu schauen.
(emw)