Die Woche: Nokia: Kein Glück mit Linux

Über Jahre feilte Nokia an Linux als künftigem Betriebssystem für Smartphones und Mobilgeräte. Mit der Entscheidung für Windows Phone kam die Kehrtwende: Der Pinguin hat Nokia kein Glück gebracht, das nun vorgestellte Smartphone N9 markiert das Ende einer Ära.

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Nokia war 2005 ein Vorreiter, als das finnische Unternehmen mit dem "770 Internet Tablet" sein erstes Mobilgerät mit Linux-Betriebssystem vorstellte und ins reguläre Produktportfolio aufnahm: Ein kleiner Tablet-Computer, der mit eine Größe von 14 mal 8 Zentimetern gerade noch in die Hosentasche passte und mit 800x480 Pixeln einen für damalige Verhältnisse hoch aufgelösten und mit über 4 Zoll Diagonale angenehm großen Touchscreen besaß. Linux-Entwickler erhielten beim Kauf eines 770 Internet Tablet 250 Euro Rabatt auf das regulär 350 Euro teure Gerät, ohne dass sie irgendeine konkrete Verpflichtung eingehen mussten.

Das 770 Internet Tablet bot Nokia bereits 2005 an.

Denn Nokia hatte der Linux-Community viel zu verdanken: Der kurze Produktentwicklungszyklus war laut Nokias Open-Source-Chef Dr. Ari Jaaksi unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich der Linux-Kernel mit nur wenig Aufwand auf die Hardware des 770 portieren ließ. Es fehlten lediglich die Gerätetreiber für einige Komponenten des Internet Tablet – die Nokia an die Kernel-Entwickler zurück gab. Das wiederum half der Linux-Gemeinde bei der Portierung des Kernels auf andere Embedded-Geräte wie zum Beispiel dem BeagleBoard von Texas Instruments, das den gleichen OMAP-SoC verwendet wie die Nokia Internet Tablets.

Außerdem rief Nokia die Maemo-Community ins Leben, die sich mit der Softwareentwicklung für das Internet Tablet beschäftigte. Dort bekam man ein komplettes SDK für die Anwendungsentwicklung und auch neue Betriebssystemversionen für die Internet Tablets. Dabei ließ Nokia den Maemo-Entwicklern weitgehend freie Hand, ganz anders, als man es bei iOS und Android gewöhnt ist.

Doch der Erfolg von Nokias Internet Tablet war nur von kurzer Dauer. Nokia verpasste es, bei den Nachfolgemodellen N800 und N810 endlich ein GSM-Modul nachzurüsten, das aus den Mini-Internet-Tablets vollwertige Smartphones gemacht und sie unterwegs mit mobilem Internet versorgt hätte. So blieben die Internet Tablets sprichwörtlich das fünfte Rad am Wagen, ein Gerät, das man unterwegs nur mit einem vorhandenen Smartphone oder Handy sinnvoll einsetzen konnte.

Nokias Konkurrenz war hingegen nicht untätig, immer mehr Smartphones wurden vorgestellt, mit denen man nicht nur telefonieren, sondern auch surfen und E-Mails verschicken konnte – und mit der Einführung von Apples iPhone Mitte 2007 wurde der Markt grundlegend neu aufgerollt. Niemand wollte mehr ein Zusatzgerät zum Handy, um zu surfen, das sollte das Smartphone bitteschön selbst können.

Zu der Zeit hatte Nokia mit dem N800 ein fertiges Gerät im Programm, das nur geringfügig größer als das iPhone war und dem man lediglich ein GSM-Modul hätte spendieren müssen. Das Betriebssystem war weitgehend ausgereift, die wichtigsten Applikationen ebenfalls, lediglich die typischen Telefon- und SMS-Apps fehlten noch.

Doch Nokia brauchte über zwei Jahre, bis es mit dem N900 das erste Tablet mit integriertem GSM und UMTS vorstellte. Da hatte Apple bereits zwei iPhone-Generationen nachgelegt und die Android-Smartphones begannen, den Rest des Smartphone-Markts aufzurollen. Mit zwei Zentimetern war das N900 außerdem fast doppelt so dick wie ein iPhone.

Das neue N9 markiert das Ende einer Ära.

Erst mit dem jetzt vorgestellten N9 hat Nokia wieder ein Gerät entwickelt, das dem iPhone und den aktuellen Android-Smartphones das Wasser reichen kann. Dennoch ist das Schicksal des N9 bereits besiegelt, Nokia sieht für Linux keine Zukunft mehr in seiner Handy-Sparte. Man ist mit wehenden Fahnen zu Microsoft gewechselt, noch bevor das N9 das Licht der Welt erblickte, und versucht künftig sein Glück mit Windows Phone statt mit dem Pinguin.

Schade, denn die Linux- und Open-Source-Gemeinde trifft an Nokias Problemen keine Schuld. Allerdings kann Nokia von ihr keine finanzielle Unterstützung erwarten. (mid) (mid)