Kommentar: Elektroautos auf der Holperpiste

Erneut hat die Bundesregierung Kaufprämien für E-Autos eine Absage erteilt, doch die gilt nur bis zu den Wahlen 2013. Bei einem möglichen Schwenk Merkels zu Grünen oder SPD wäre diese Subvention ungeachtet ihrer Sinnhaftigkeit plötzlich en vogue.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Holprig ging es voran, als Bertha Benz im August 1888 mit dem von ihrem Gatten konstruierten Motorwagen, der gemeinhin als erstes Automobil der Welt gilt, von Mannheim nach Pforzheim aufbrach. Das erst später so genannte "Benzin" musste an der Apotheke aufgefüllt und Ersatz für verdampftes Kühlwasser notfalls aus dem Straßengraben geschöpft werden. Um mit dem etwa 2,5 PS schwachen Einzylinder größere Steigungen zu bewältigen, müssen Bertha Benz und ihre mitreisenden Söhne Eugen und Richard immer wieder schieben, heißt es in den Annalen des Daimler-Konzerns.

Ähnlich steinig scheint der Weg, den die Elektroautos noch vor sich haben, soll denn das Ziel noch erreicht werden, dass bis 2020 eine Million solcher Vehikel über deutsche Straßen – oder was bis dahin davon übrig ist – surren. Die Bundesregierung hält trotz Bedenken an dem Ziel fest: Man werde dieses "nicht ganz einfach erreichen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Spitzentreffen zur Elektromobilität mit Wirtschaft und Wissenschaft am Montag in Berlin laut dpa. Es wäre aber falsch, jetzt die Ziele aufzugeben, da noch acht Jahre Arbeit bevorstünden. Dabei äußert auch die von der Regierung selbst eingesetzte Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) Zweifel, daran, dass diese Marke auch ansatzweise erreicht wird.

Elektroautos: Langsam wächst die Auswahl (9 Bilder)

Citroën C-Zero

Noch vor gut einem Jahr war die Auswahl kläglich: Gerade einmal unter drei Elektroautos von Großserienherstellern konnten die deutschen Kunden wählen – und die Kleinwagen von Citroën, Mitsubishi und Peugeot waren auch noch nahezu baugleich. Mittlerweile gibt es auch von deutschen Marken batteriebetriebene Autos zu kaufen, oder sie stehen kurz vor ihrem Marktdebüt (Text: dpa, alle Bilder: heise Autos).

Im Sommer brachte auch die NPE daher Kaufanreize für E-Autos ins Gespräch, zuvor hatte es aus der Industrie wiederholt Rufe nach Subventionen gegeben, und auch heute hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche vor dem Treffen bei der Kanzlerin via ZDF-Morgenmagazin prophezeit: "Wenn man bei dem Ziel bleiben will, eine Million in 2020 zu erreichen, wird man an den Randbedingungen noch mehr tun müssen." Doch lehnen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Kaufprämie weiterhin ab. Zugleich lässt Merkel in der für sie typischen Weise ein Hintertürchen offen: Ob eventuell in der nächsten Wahlperiode mehr Anreize gebraucht würden, sei zu entscheiden, "wenn es so weit ist".

Ob den E-Mobilen weiter eine holprige Steigung ins Haus steht oder ihre Fans auf kräftigen Rückenwind hoffen können, ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern zunehmend auch der Koalitionsarithmetik: Käme es nach der Bundestagswahl 2013 Jahr zu einem schwarz-grünen Bündnis, läge eine Förderung von E-Autos voll im Trend. Schließlich sehen Optimisten deren Batterien schon als Netzpuffer im Smart Grid, und Vehikel wie der Elektro-Smart oder der – nur bedingt wetterfeste – 1+1-Sitzer Renault Twizy taugen in der postmaterialistisch-urbanen Zielgruppe allemal mehr Statussymbol als CO2-speiende Boliden tempo- und marktradikaler "Leistungsträger". Und käme es zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot, ließe sich der Gewerkschaftsflügel der SPD nicht lange bitten, einer Neuauflage der Abwrackprämie von 2009 zuzustimmen – dieses Mal halt zugunsten von E-Autos, Hauptsache Arbeitsplätze retten. Schließlich haben selbst ein bekennende Autokritiker wie Winfried Kretschmann eine schnelle Lernkurve durchlaufen, um zu erkennen, wie "systemrelevant" die Automobilindustrie ist.

In den kommenden Jahren sind auch die Energieversorger gefragt, außer dem Umbau ihrer Netze auch noch einige "Apotheken" für den Patienten Elektroauto zustande zu bringen. Derzeit scheint zumindest deren Versorgung gesichert: Rechnerisch müssen sich derzeit nur wenig mehr als zwei E-Autos eine öffentliche Ladestation teilen, doch sind Elektroautos weiterhin nur in homöopathischen Dosen vorhanden. Für 5960 zugelassene Elektrofahrzeuge standen zur Jahresmitte 2012 in 491 Städten und Gemeinden "insgesamt knapp 2821" öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung, teilt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) anlässlich des jüngsten Elektrogipfels mit. Immerhin erfreuen sich elektrische Zweiräder bereits wachsender Beliebtheit, was das Geschäft mit den Stromsäulen beflügeln könnte. Und auch die Auswahl an E-Fahrzeugen mit vier Rädern wächst langsam, aber stetig, wie ein Blick in unsere Bildergalerie zeigt. (ssu)