Kommentar: Elon Musk – ein Regelbrecher an der Grenze zum Durchdrehen

Der Tesla-Boss macht von sich reden – zuletzt allerdings mit zweifelhaften Aktionen. Offenbar braucht der manische Serienunternehmer dringend eine Pause.

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Elon Musk

Elon Musk hat die Facebook-Seiten seiner Firmen Tesla und SpaceX verschwinden lassen.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

Die Rapperin Azalea Banks behauptet, Elon Musk sei auf LSD gewesen, als er per Twitter verkündete, über einen Wegkauf von Tesla von der Börse für 420 Dollar pro Aktie nachzudenken. Unabhängig davon, ob der Vorwurf stimmt oder nicht: Unbestreitbar hat der 47 Jahre alte Mitgründer von Tesla und Paypal und Gründer von SpaceX schon mehr erreicht, als sich die meisten anderen Menschen auch nur erträumen dürften. Aber ebenso unbestreitbar scheint er zuletzt beängstigend nah an der Grenze zum Durchdrehen zu stehen.

Der Hedgefonds-Manager David Einhorn hat aufgelistet, was sich Musk allein im ersten Halbjahr 2018 geleistet hat: Er kanzelte Analysten-Fragen als „dumm“ ab, legte bei einem Telefonat mit dem Chef einer wichtigen Behörde einfach auf und schürte Verschwörungstheorien gegen Journalisten („müssen maximale Klicks und Werbe-Dollars generieren oder werden gefeuert“) und Saboteure („lange Liste von Organisationen, die wollen, dass Tesla stirbt“). Im Juli tauchte er plötzlich in Thailand auf, um mit einem Mini-Uboot bei der Rettung einer Kinder-Fußballmannschaft zu helfen. Als ein britischer Retter den Sinn der Aktion anzweifelte, bezeichnete Musk ihn auf Twitter als Pädophilen.

Doch das war nichts gegen das Spektakel, das er in der vergangenen Woche anzettelte. Dass Musk kein Freund der Börse ist, wissen Mitarbeiter seiner Weltraum-Firma SpaceX seit Juni 2013, als er ihnen in einer langen E-Mail die Gründe für den Verzicht auf ihren Börsengang erklärte (zu viel Kurzfristorientierung, Klagen von Anlegern und Ärger mit Leerverkäufern). Dass er auch Tesla lieber nicht an der Börse hätte, verriet Musk schon im November 2017 in einem Interview mit dem Rolling Stone.

Das klang wie bloße Träumerei. Aber dann: „Überlege, Tesla für 420 Dollar von der Börse zu nehmen. Finanzierung gesichert.“, schrieb Musk am vergangenen Dienstag auf Twitter, und kurz darauf: „Der einzige Grund, warum das nicht sicher ist, ist, dass es von einer Aktionärsabstimmung abhängt.“

Ein Kommentar von Sascha Mattke

Sascha Mattke ist ehemaliger Chefredakteur von Technology Review. Er beobachtet Elon Musk und Tesla seit der TR-Titelgeschichte "Die Rückkehr der Elektroautos" von Oktober 2006.

Dieser Tausendsassa! Hatte Musk wirklich nebenbei noch gut 80 Milliarden Dollar für die Übernahme aller Tesla-Aktien und -Anleihen aufgetrieben? Und hatte er wirklich einen Plan dafür, trotzdem weiter allen alten Kleinanlegern eine Beteiligung zu ermöglichen, wie er versprach?

Zuzutrauen wäre es ihm. Denn immerhin hat Musk schon drei Mal gezeigt, dass er als Outsider mit unkonventionellen Methoden ganze Branchen aufmischen kann – mit dem Paypal-Vorgänger X.com bei Finanzdienstleistungen, mit SpaceX bei Raketen und mit Tesla bei Autos. Warum also sollte er sich nicht wieder einmal hingesetzt und, statt zu schlafen, im Rekordtempo alles über Finanz-Engineering gelernt und eine revolutionäre Lösung entwickelt haben?

Weil auch ein Mensch wie Musk irgendwann an seine Grenzen stößt. In einem Twitter-Austausch hat er bereits bestätigt, dass er sich für manisch-depressiv hält. Sein Problem scheint zu sein, dass er viele Bälle gleichzeitig jongliert – und sich trotzdem schrecklich langweilt, wenn kurz einmal keiner davon seine volle Aufmerksamkeit erfordert. Zunehmend wirkt er dabei fast so von Sinnen wie die Beschleunigung seines Spitzen-Modells S P100D.

Bislang hat das ohne echten Unfall geklappt. Musks bisherige Erfolge beruhen unter anderem darauf, dass er gegen Regeln verstößt, gegen grundlegende Branchenweisheiten, die irgendwann tatsächlich überholt sind. Bei einem öffentlichen Übernahme-Angebot aber geht es um so etwas Hartnäckiges wie Gesetze – Musk mag sie nicht schätzen, ist aber anders als an alte Branchen-Regeln trotzdem an sie gebunden.

Anfang dieser Woche lieferte er im Tesla-Blog Erklärungen zur Finanzierung nach, und die klangen dünn. Er habe Ende Juli mit dem Managing Director des saudi-arabischen Staatsfonds gesprochen, und der habe „deutliche Unterstützung“ für die Finanzierung der Transaktion ausgedrückt, schrieb Musk. Ja klar, damit so ein Multi-Milliarden-Deal „gesichert“ ist, braucht man keine Papiere, und der Managing Director entscheidet ganz allein darüber.

Damit wird Musk nicht durchkommen. Die Börsenaufsicht SEC hat bei ihm und Tesla nähere Informationen zu dem Vorgang angefordert, eine offizielle Untersuchung dürfte folgen. Zwei private Klagen liegen bereits vor, und die dürften nicht die einzigen bleiben. Schon mehrmals hat Musk sich mit Tesla-Leerverkäufern angelegt und ihnen hohe Verluste prognostiziert. Solange er mit echten Erfolgen dafür sorgt, dass die Aktie steigt und die „Shorts“ leiden müssen, ist das in bester Ordnung. Aber mit einer allem Anschein nach unausgegorenen Übernahme-Ankündigung den Kurs um 7 Prozent in die Höhe zu treiben, bis die Börse den Handel einstellt, geht klar zu weit.

Die Angelegenheit dürfte also teuer für Musk werden, selbst wenn es ihm – mit Hilfe von alteingesessenen Finanzberatern wie Goldman Sachs, wie er inzwischen verriet – gelingt, die übermütige Ankündigung wirklich auf die Beine zu stellen. Das ist nicht einmal unwahrscheinlich, denn üblicherweise hält Musk, wenn auch verspätet, was er verspricht.

Doch den Schaden für sich selbst und Tesla hat er mit dem voreiligen Tweet schon angerichtet: Eigentlich wollte er mit dem Börsen-Rückzug dafür sorgen, dass er sich voll auf das Geschäft konzentrieren kann statt auf lästige Leerverkäufer und Börsenaufseher. Die hat er jetzt aber erstmal erst Recht an der Backe.

Lernen immerhin kann Musk erwiesenermaßen gut. Hoffen wir also, dass er aus seiner Kollision mit dem Gesetz die richtigen Schlüsse zieht und einen Gang herunterschaltet. (sma)