Kommentar: Meta ohne Moderation – Zuckerberg riskiert das digitale Chaos

Zuckerbergs Zeitenwende zur Meinungsfreiheit ist naiv, meint "heise medien"-Chefredakteur Torsten Beeck. Meta droht ein Sumpf der Desinformation zu werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 229 Kommentare lesen
Apps von Threads, Facebook, Instagram, WhatsApp, Messenger und Meta auf einem Smartphone

(Bild: Koshiro K/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mark Zuckerberg hat beschlossen, die Moderation und Faktenprüfung auf Facebook, Instagram und Threads weitgehend einzustellen. Stattdessen will er auf ein Community-Modell setzen, das nach dem Vorbild von Elon Musks "Community Notes" funktioniert. Ein radikaler Schritt, der unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu einer digitalen Katastrophe führen könnte.

Zuckerberg spricht von einem Triumph der Meinungs- und Redefreiheit. Doch die Realität sieht anders aus. Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram sind nicht neutral. Sie sind von Algorithmen getrieben, die Interaktionen maximieren. Je polarisierender oder emotionaler ein Inhalt, desto größer seine Reichweite. Ohne Moderation wird dieser Effekt explodieren. Die Folge? Eine Flut von Desinformation, Hassrede und Radikalisierung. Aber auch Porno, Missbrauch und Drogenhandel werden für die Plattformen und die Nutzenden zum Problem.

Ein Kommentar von Torsten Beeck

Torsten Beeck ist Chefredakteur von heise medien.

Wer glaubt, dass eine "freie Plattform" automatisch zu einem besseren Diskurs führt, ignoriert die bisherigen Erfahrungen. 4chan oder Telegram zeigen, wohin das führt: toxische Räume, die von extremistischen Gruppen missbraucht werden.

Moderation und Faktenchecks sind nicht perfekt, aber sie geben Nutzern ein Mindestmaß an Sicherheit. Wenn Zuckerberg diesen Schutz abschafft, werden viele User das Vertrauen in seine Plattformen verlieren. Ohne Moderation wird Facebook zur Spielwiese für Trolle und öffnet jede Möglichkeit für Propaganda und Desinformationskampagnen.

Der Blick auf X (vormals Twitter) unter Elon Musk zeigt, wohin dieser Kurs führen kann. Seit der Abschaffung grundlegender Moderationsmechanismen versinkt die Plattform im Chaos. Werbekunden flüchten, Nutzerzahlen stagnieren, und die Glaubwürdigkeit ist am Boden. Zuckerberg riskiert dasselbe Schicksal – nur auf noch größerer globaler Bühne.

Meta lebt von Werbung. Doch Unternehmen wollen ihre Anzeigen nicht neben Hasskommentaren oder Fake News sehen. Sollte der Moderationsstopp das Umfeld auf Facebook und Instagram vergiften, werden Werbekunden ihre Budgets abziehen. Das ist nicht nur ein Risiko, es ist ein absehbares Szenario.

Zudem drohen rechtliche Konsequenzen. Der europäische Digital Services Act (DSA) schreibt klare Regeln für den Umgang mit Desinformation und illegalen Inhalten vor. Plattformen, die nicht handeln, müssen mit hohen Strafen rechnen. Zuckerberg spielt mit dem Feuer – und setzt dabei das Geschäftsmodell von Meta aufs Spiel.

Meta ist kein Hobbyprojekt, sondern eine der mächtigsten Kommunikationsplattformen. Zuckerberg hat eine Verantwortung – seinen Nutzern gegenüber und der Gesellschaft. Seine Plattformen prägen öffentliche Debatten und beeinflussen, wie wir miteinander kommunizieren. Wer in diesem Kontext Moderation abschafft, öffnet Tür und Tor für Manipulation, Hass und Chaos.

Die Berufung auf "Freedom of Speech" ist dabei pure Augenwischerei. Wahre Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Lüge und jeder Hasskommentar ungefiltert verbreitet werden darf. Sie verlangt vielmehr einen Raum, in dem faktenbasierte Diskussionen möglich sind.

Zuckerbergs Entscheidung ist nicht mutig, sie ist naiv. Meta riskiert, zu einem digitalen Sumpf zu werden, in dem Desinformation und Extremismus gedeihen. Der Kurswechsel mag kurzfristig Applaus von Meinungsfreiheit-Puristen bringen, doch langfristig droht der Verlust von Vertrauen, Nutzern und Werbeeinnahmen.

Das Ende der Moderation ist kein Schritt in Richtung Freiheit, sondern ein Rückschritt in ein digitales Chaos. Zuckerberg muss verstehen: Wer seine Plattformen nicht schützt, zerstört sie.

Transparenzhinweis: Torsten Beeck war drei Jahre Strategic Partner Manager bei Meta.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(tbe)