Kommentar: Mobilitätswende – Vergesst die Leichtfahrzeuge nicht!
Elektrische Leichtfahrzeuge sind für viele Anwendungen sinnvoller als ausgewachsene E-Autos. Trotzdem werden sie kaum gefördert.
Egal, wie groß und wie schwer – Elektroautos werden vom Staat großzügig gesponsert. Dabei verbrauchen sie viele Rohstoffe und tragen nichts zur Entlastung von Straßen und Städten bei. Kleine "Elektroleichtfahrzeuge" hingegen gehen bislang leer aus – zumindest auf Bundesebene. Dort werden lediglich gewerbliche Lastenräder gefördert. Auf Länderebene gibt es hier und da weitere Förderungen, die aber schwer zu überblicken sind.
Um das zu ändern, hat der Bundesverband Elektromobilität (BEM) im Februar eine "Sonderkommission Leichtfahrzeuge" eingerichtet. Bei diesem oft übersehenen Fahrzeugsegment handelt es sich, vereinfacht gesagt, um alles, was Räder und Motor hat, schneller ist als 25 km/h und leichter als 600 kg ohne Batterien (also alles zwischen Pedelec und "normalem" Auto). Auf behördisch: Die Zulassungsklassen L1e bis L7e. Zur ersten Kategorie gehören beispielsweise 50-ccm-Roller, zur letzteren Kleinwagen wie der Renault Twizy, der Opel eRocks oder der Microlino. Dazwischen befindet sich eine kaum zu übersehende Fülle an zwei-, drei- und vierrädrigen Vehikeln mit jeweils anders definierten Leistungs-, Geschwindigkeits- oder Gewichtsgrenzen.
Elektroleichtfahrzeuge als Alternative zu Autos
"Die wenigsten kennen die ganze Bandbreite des Segments", sagte BEM-Vorstand Markus Emmert auf der Micromobility Expo in Hannover. "Viele davon sind keine Ergänzung zu Autos, sondern echte Alternativen."
Vor allem für Pflegedienste, Lieferservices oder die Logistik können Leichtfahrzeuge oft eine sinnvolle Lösung sein. An Ideen mangelt es jedenfalls nicht: Das Start-up Carit aus Münster hat beispielsweise mit dem "HopOn" eine Mischung aus Palettenwagen und Bahnsteigkarre entwickelt, die bis zu 30 km/h schnell sein kann und eine Straßenzulassung hat.
Der BEM hat den Bundesministerien nun seinen Vorschlag zu einer bundeseinheitlichen Förderung zukommen lassen. Er sieht keine pauschale Prämie wie bei E-Autos vor, sondern einen anteiligen Zuschuss zum Kaufpreis. Das Ganze sei eine Frage der Gerechtigkeit: "Man kann als Bundesregierung nicht eine bestimmte Form der Mobilität massiv fördern und eine andere gar nicht", sagte Emmert. "Jeder sollte maximal mobil bleiben können, aber nicht jeder kann sich ein neues Auto leisten."
Was es für eine Verkehrswende braucht
Zudem setzt sich der BEM auch dafür ein, die Geschwindigkeitsgrenze von 45 km/h zu erweitern, die für viele L-Klassen gilt. Das Gefühl, nicht flüssig im Stadtverkehr mitschwimmen zu können, dürfte für viele potenzielle Nutzer bisher ein Ko-Kriterium sein. Dem BEM schwebt stattdessen ein Spitzentempo von 59 km/h vor. "Ab 60 km/h darf man auf die Autobahn, das wäre kontraproduktiv", begründet Emmert die krumme Zahl.
In der vergangenen Legislaturperiode sei man mit diesem Vorschlag "mehrfach am Widerstand zuständiger Behörden gescheitert", so der BEM. Beim erneuten Anlauf berichtet Emmert von einer "gemischten Resonanz" aus der Politik.
Wenn die Koalition wirklich eine Verkehrswende will und nicht nur eine Subventionierung der etablierten Autoindustrie, dann dürfte es ihr jedenfalls schwerfallen, vernünftige Argumente dagegen vorzubringen. Mit den rund drei Milliarden Euro für die Spritpreisbremse könnte man viele E-Leichtfahrzeuge unterstützen.
(grh)