Kommentar: Warum das Verbot von E-Rollern in Öffis keinen Sinn ergibt

Nicht nur Radfahrern, Fußgängern und Autos sind E-Roller im Weg. Öffis schließen sich an und verstoßen sie jetzt – leider ohne Grund, meint Stella Risch.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 504 Kommentare lesen
KI-Bild zeigt brennenden E-Roller

So stellt sich die KI einen brennenden E-Roller vor. Ein echtes Bild konnten wir nicht finden, da in Deutschland noch nie ein Elektroroller in Bus und Bahn gebrannt hat.

(Bild: heise online, stri / generiert mit Firefly)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

In Bussen und Bahnen darf man nicht rauchen, nicht essen und immer öfter: Keine E-Roller mitnehmen. Dieses neue Verbot der Nahverkehrsbetriebe beruht auf einer völlig übertriebenen Panikmache, die Elektroroller quasi zu Bomben auf Rändern erklärt, sobald sie die Schwelle zum ÖPNV überschreiten.

Die neue Maxime beruht auf Empfehlungen des Gutachters STUVAtec (Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen GmbH). Sie empfahl dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die Mitnahme von E-Rollern zu untersagen. Dem kamen diverse Verkehrsbetriebe nach, etwa die aus München, Berlin, Leipzig und Köln. Elektrorollstühle und E-Bikes sind von dem Verbot aber nicht betroffen. Es zielt somit nicht generell auf akkubetriebene Fahrzeuge ab, sondern speziell auf E-Roller. Einheitliche Regeln für alle Verkehrsbetriebe wären aber zu einfach: Die Deutsche Bahn erlaubt hingegen die Mitnahme von E-Scootern als Handgepäck im Fernverkehr.

Das Mitnahmeverbot wird so zum Verkehrshindernis der Verkehrswende: Denn für viele Fahrgäste ist die Mitnahme von E-Scootern im ÖPNV unglaublich praktisch. So können sie auch längere Strecken zurücklegen und die sogenannte letzte Meile bis zur Haustür mit dem E-Scooter fahren. Wer so nicht mehr zur Arbeit pendeln kann, steigt im schlimmsten Fall doch wieder aufs Verbrennerauto um.

Auslöser der Farce waren E-Scooter-Brände im ÖPNV in London, Barcelona und Madrid. Wenige Vorfälle mit Rollern unbekannter Hersteller schränken damit über 750.000 versicherte E‑Scooter-Fahrer in Deutschland ein. Hier gab es bisher keine Brände der E-Scooter im Nah- oder Fernverkehr, auch dem VDV ist das bewusst.

Zugegebenermaßen: Elektrogeräte, E-Bikes und auch E-Roller haben zwar beim Aufladen in deutschen Wohnungen gebrannt – das ist aber noch nicht beim Transport in der Bahn passiert. Beim Laden wandern Lithium-Ionen von einer Akku-Kammer in die andere. Sollte die Trennwand zwischen den Kammern etwa durch starke Hitze oder mechanische Einwirkung beschädigt sein, gibt es einen Kurzschluss. In einer Kettenreaktion wandern dann die Lithium-Ionen schnell durch den Akku und es gibt chemische Reaktionen. Es wäre schon arg unwahrscheinlich, dass sich ein Akku entzündet, während der Roller ausgeschaltet in der Bahn lagert. Zudem liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Akku Feuer fängt, unter 1:1.000.000.

Eine nachvollziehbare Maßnahme für den Brandschutz in Tunneln wäre ein Verbot für große Akkus in U-Bahnen. Warum man E-Scooter nicht in Bussen mitnehmen darf, die doch auf der Straße schnell die Türen öffnen könnten, ist nicht plausibel. Für Flugzeuge etwa gibt es bereits Regeln, die eindeutig festlegen, wie Akkus zu transportieren sind: Passagiere dürfen Akkus bis 100 Wattstunden im Handgepäck mitführen. Im Straßenverkehr gilt es also, die Regeln noch zu definieren, anstatt E-Roller komplett zu untersagen.

Übrigens: 2016 machte Samsung mit dem Galaxy Note 7 Schlagzeilen – das notorisch feueranfällige Smartphone machte auch vor Flugzeugen nicht halt. Fluggesellschaften und Aufsichtsbehörden haben daraufhin nicht etwa Smartphones komplett verboten, sondern nur das problematische Handy stillgelegt. Der VDV könnte auch hier nur Roller ohne Straßenzulassung verbieten oder bestimmte Modelle, bei denen bekannt ist, dass die Akkus Produktionsfehler aufweisen.

Akku-Experten wie der TÜV sprechen sich ohnehin gegen die Empfehlung des Gutachters STUVAtec aus. Die Logik des VDV versagt völlig, wenn man E-Roller mit E-Bikes vergleicht: E-Räder sind nicht verboten. Sie benötigen keine Betriebserlaubnis, sondern eine Konformitätserklärung. Für E-Bikes genügt es, dass Hersteller angeben, dass sie das elektrische Fahrrad getestet haben. E-Roller hingegen müssen mit der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung eine Betriebserlaubnis des KBA erhalten und benötigen eine Überprüfung des TÜV. "Die in Deutschland zugelassenen E-Scooter verfügen somit über ein hohes Sicherheits- und Brandschutzniveau, das mit dem von Pedelecs bzw. E-Bikes vergleichbar ist." So lautet die nüchterne Antwort des TÜV auf den VDV. Wer es genau wissen will: Beide Fahrzeuge folgen der DIN EN 15194:2018-11. E-Roller-Akkus durchlaufen zudem einige Tests wie Motorkurzschlusstests, einen Überladungstest, eine Kontrolle der Batterieanschlüsse und einen Blockade-Test des Antriebssystems.

Es bleibt: E-Roller polarisieren. Entweder man liebt sie oder man hasst sie. Der VDV sollte den E-Roller-Groll aber nicht mit unnötigen Verboten befeuern und den Kindergarten-Konflikt mit den echten Akku-Experten einstellen. Alternativ müsste der VDV, um die Konsistenz seiner Verbote zu wahren, die Mitnahme von elektronischen Zahnbürsten, Smartphones und E-Bikes untersagen – auch sie enthalten einen Akku mit derselben Zellchemie und könnten theoretisch explodieren.

(stri)