Meta und die Orion-Brille: Zuckerbergs Gruß vom anderen Stern

Mit Project Orion hat Meta stark vorgelegt. Die Botschaft ist unmissverständlich: Meta will es wissen. Aber wollen die Menschen das auch, fragt Malte Kirchner.

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Kommentar-Bild zu Project Orion

(Bild: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
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Kudos an Meta: Der Facebook-Konzern hielt am Mittwoch seine Produktkeynote in einer Weise ab, wie manche Apple-Fans sie sich wünschen würden. Nicht nur, dass CEO Mark Zuckerberg höchstselbst seine Neuigkeiten auf einer Bühne – und eben nicht in einem Video – vorstellte. Er hatte neben dem Erwarteten – KI-Funktionen, neue Ray-ban-Glasses und einer Quest – auch eine echte Überraschung im Gepäck: Project Orion, der Prototyp einer echten AR-Brille – also zumindest dem, was der Vorstellung vieler, wie es mit Augmented Reality weitergehen muss, nach heutigen technischen Möglichkeiten am nächsten kommt.

Ein Kommentar von Malte Kirchner

Malte Kirchner ist seit 2022 Redakteur bei heise online. Neben der Technik selbst beschäftigt ihn die Frage, wie diese die Gesellschaft verändert. Sein besonderes Augenmerk gilt Neuigkeiten aus dem Hause Apple. Daneben befasst er sich mit Entwicklung und Podcasten.

Die Botschaften, die Meta sendete, waren unmissverständlich: So, liebe Konkurrenz – auch in Cupertino – muss die Zukunft aussehen! Meta hat damit aber nicht nur die Messlatte für andere, sondern vor allem für sich selbst hoch angelegt: Auf diese Keynote wird man einst zurückschauen und fragen, was daraus geworden ist. Nach der Umbenennung in Meta vor einigen Jahren, um zu zeigen, dass das Metaverse mehr als ein Produkt ist, kommt jetzt der klar formulierte zweite Auftrag an sich selbst: In diese Richtung muss es mit AR weitergehen. Und das ist nur das Minimum. Die Vorstellung von Orion war in jedem Fall mehr als eine Durchhalteparole. Sie war ein Statement. Dabei wurde so deutlich wie noch nie, dass Meta wirklich über die sozialen Netzwerke hinauswachsen will.

Zugleich ist aber der Name des Projekts Fingerzeig genug, nicht zu schnell zu viel zu erwarten: Das Sternbild Orion ist weit entfernt – so wie vermutlich die Brille als Consumer-Gerät auch. Und böse Zungen könnten einwerfen, dass im besagten Sternbild der Stern Beteigeuze zu finden ist – ein heißer Kandidat für eine Supernova. Man kann es Meta nur wünschen, dass man sich mit dem hochtrabenden Projekt nicht selbst zerlegt.

Trotzdem – und das verwundert – sind selbst am Tag danach die ersten Reaktionen auf diese technische Sensation eher verhalten. Ob es an Meta liegt, einem Konzern, der primär für Datensammelwut in sozialen Netzwerken bekannt ist? Mag sein. Doch nicht genehme Herausgeber sind erfahrungsgemäß kein Showstopper, eine technische Innovation erstmal zu bewundern. Elon Musk erregt schließlich mit SpaceX und Tesla auch immer noch Aufmerksamkeit, obwohl er gewiss nicht Everybody's Darling ist. Und wenn irgendwo, irgendwie ein neues generatives KI-Modell herauspurzelt, das Fotos oder Videos in ungeahnter Schönheit präsentiert, sind die sozialen Medien voller Euphorie – bei Orion klangen viele Posts doch eher nur freundlich zustimmend.

Am Thema Mixed Reality arbeiten sich aktuell unter anderem mit Meta und Apple gleich zwei der finanzstärksten Tech-Unternehmen im Silicon Valley ab. Beide haben enorme Ressourcen freigeschaufelt, um das Metaverse bzw. die Meta-Hardware bei dem einen und die Vision Pro bei dem anderen ins Leben zu rufen. Und obwohl die Technik im ersten Moment fast jeden Träger – wie auch den Autor – erst einmal fasziniert, stellen sich nach dem Absetzen alsbald die ersten Fragen ein. Wofür brauche ich das? Verwende ich das wirklich häufig? Und möchte ich vor anderen oder gar in der Öffentlichkeit wirklich mit den Händen in der Luft herumfuchteln?

Vielleicht ist es auch so, dass wir als Menschheit mit jedem Schritt, den die AR-Technik voranschreitet, mehr das eigene Bedürfnis in uns entdecken, in der gemeinsamen Realität zu verbleiben. Denn die Zukunftsvision, die Big Tech da zeichnet, ist eine, wo jeder seine eigene Realität erlebt und sieht. Eine Realität, in der man sich zwar andere Menschen als Videocall oder Spielepartner aus der Ferne dazu holen kann. Aber es ist im Nahbereich des Nutzers unabhängig von der Bauweise eine Technik, die trotz aller Bemühungen, die äußere Realität zu integrieren, ausgrenzend ist. Um diese Nachteile zu erkennen, genügt schon die heutige Technik in Gestalt von Meta Quest 3 und Apple Vision Pro.

Ob das der Punkt ist, der viele Menschen – vielleicht auch unterbewusst – dazu bringt, nicht allzu euphorisch Beifall zu klatschen? Schwer zu sagen. Es könnten genauso gut die hohen Preise, die wachsende Abhängigkeit von Tech-Konzernen und die immer noch am Anfang stehende Technik sein, die abschrecken. Obwohl das Faktoren sind, die zumindest die KI nicht daran hinderten, trotzdem einen Hype auszulösen. Ein Hype, den die Vordenker der Mixed Reality bis heute herbeisehnen.

Aber vielleicht leben diese mit ihrer Vorstellung, dass MR das Next Big Thing ist, auch einfach nur in einer anderen Realität als die meisten Menschen.

(mki)