Pro & Contra: Ist eine Aufspaltung der Deutschen Bahn sinnvoll?

Seite 2: Contra: Warum die Bahn nicht zerschlagen werden sollte

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Das kann man sich nicht ausdenken: Da verhandeln Grüne, FDP und SPD über eine Koalition, die für "Aufbruch" stehen soll, und die "die großen Herausforderungen" dieser Zeit endlich angehen will: den Klimawandel an vorderster Stelle – und damit auch die Verkehrswende. Und was fällt FDP und Grünen zu diesem Thema ein? Die Bahn muss endlich komplett zerschlagen werden! Maximaler Respekt. Das ist mal echt innovativ. Eine Idee aus dem neoliberalen Gruselkabinett der 1980er Jahre soll die Verkehrsprobleme des 21. Jahrhunderts lösen. Ich halte das für komplett falsch.

Aber der Reihe nach. Ein Ergebnis des ursprünglich angestrebten – und nach der Finanzkrise 2008 wieder abgesagten – Börsengangs der DB AG ist eine schon teilweise erfolgte Aufspaltung des Unternehmens. Die Gleis-Infrastruktur gehört seit der zweiten Stufe der so genannten Bahn-Reform der Bahn-Tochter DB Netz. Die ist für Betrieb und Ausbau des Schienennetzes verantwortlich und finanziert diese Vorhaben aus den "Trassenentgelten". Das sind Gebühren, die alle Eisenbahnunternehmen für die Nutzung der Gleise und Infrastruktur zahlen müssen – eine Art Schienenmaut. Weil die DB Netz wie jedes Unternehmen Gewinne erwirtschaften muss, sind die Investitionen in Erhalt oder gar Wiederaufbau des Schienennetzes natürlich gedeckelt. Das Ergebnis: Das Schienennetz bleibt marode. Ein Ausbau, der beispielsweise nötig wäre, um mehr Fracht und Passagiere auf die Schienen zu bekommen, kommt bestenfalls im Schneckentempo voran. Wenn überhaupt.

Ein Kommentar von Wolfgang Stieler

Nach dem Studium der Physik wechselte Wolfgang Stieler 1998 zum Journalismus. Bis 2005 arbeitete er bei der c't, um dann als Redakteur der Technology Review zu wirken. Dort betreut er ein breites Themenspektrum von Künstlicher Intelligenz und Robotik über Netzpolitik bis zu Fragen der künftigen Energieversorgung.

Den Befürwortern der Bahn-Zerschlagung ist zudem ein Dorn im Auge, dass die Töchter der DB AG dabei gegenseitig mit sich selbst Geschäfte machen. Auf diese Weise sei ein "Verschiebebahnhof" für Gelder entstanden, eine Black Box, die auch Quersubventionierung ermögliche. Die Lösung liegt laut FDP und Grünen nun darin, den Infrastrukturteil vollständig aus der DB herauszulösen. Die Verantwortung für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur soll allein dem Staat überlassen bleiben, während auf der Schiene freier Wettbewerb herrscht.

Mal ganz abgesehen davon, dass uns hier wieder mal das gute alte Konzept von "Kosten sozialisieren, Gewinne privatisieren" vorgelegt werden soll, hat die Idee noch einen gewaltigen Haken: Sie funktioniert nicht. In Großbritannien ist genau dieses Konzept der Aufspaltung, Deregulierung und Privatisierung grandios gescheitert. Nicht genug damit, dass dieser grandiose Plan dazu geführt hat, dass Tickets nur genau für die Züge eines Unternehmens gelten. Es fahren auch weniger Züge, die Tickets sind teuerer geworden und die notwendigen staatlichen Zuschüsse für Bahn-Unternehmen sind seitdem enorm gestiegen, statt zu sinken. Das System ist so unpopulär, dass die konservative Regierung die Privatisierung nun teilweise wieder rückgängig machen will. Aber empirische Daten zu ignorieren, ist in der Verkehrspolitik ja gute Tradition. Warum sollte ausgerechnet die nächste Bundesregierung damit aufhören.

(Wolfgang Stieler)

(jle)