Strange New Worlds: Star Trek kann doch noch Spaß machen

Seite 2: Was man im All so tut

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Grundsätzlich erfüllt die USS Enterprise unter Captain Pike dieselbe Aufgabe wie seinerzeit – ach nein: später – unter James T. Kirk: "Der Weltraum, unendliche Weiten." So düst die Enterprise quer durchs Weltall, mal zur Forschung, mal zur Konfliktbewältigung.

Konkret sieht das so aus: In der Pilotfolge muss Pike seine oberste Offizierin aus dem Kerker eines kriegerischen Planeten befreien. Als Nächstes versucht die Enterprise zu verhindern, dass ein Komet eine primitive Zivilisation auslöscht. Dann wird die Crew bei einer Forschungsmission von einem Licht-Virus infiziert. Schon in Folge 4 zieht das die Schiffssubstanz so stark in Mitleidenschaft, dass die Enterprise für ein Weilchen außer Gefecht ist.

Wie bei der Ur-Serie beschwört die Titelsequenz eine Fünfjahresmission. Anders als beim ursprünglichen Cast, der auch 25 Jahre später noch unverzagt vor die Kamera schritt, ist bei "Strange New Worlds" ein fester Schlussstrich gesetzt. Denn Captain Pike weiß, dass er in sieben Jahren als hilflos piepsender Vollinvalide enden wird, das verstrahlte Opfer eines Unfalls. Alte Trek-Hasen kann das nicht überraschen, wurde das tragische Ende von Captain Pike doch schon 1966 im einzigen Zweiteiler der alten Enterprise-Serie geschildert.

Dass Pike sich seinem vorhergesehenen Schicksal nicht ergeben mag, ist verständlich. Sein Hadern bildet die Klammer für die erste Staffel und rechtfertigt womöglich seine todschicke Föhnwelle.

Aber auch der Rest der Crew hat's nicht leicht. Spock kämpft so verbissen mit seiner menschlichen Seite, dass er nicht einmal bemerkt, wie er in ein Beziehungsdreieck schlittert. Uhura begegnet jeder Gefahr mit Kulleraugen und durchwandert einmal alle Abteilungen der Enterprise. Die streng frisierte Sicherheitschefin leidet unter einem unterdrückten Kindheitstrauma; Number One und der leitende medizinische Offizier tragen dunkle Geheimnisse mit sich herum.

Unbelastet wirken allein Steuerfrau Erica Ortegas, die jeder Situation mit einem schiefen Grinsen begegnet, sowie die lebenslustige Krankenschwester Christine Chapel, die fröhlich erzählt, wie oft Patienten schon vor ihr abgehauen sind. Arm dran ist hingegen Transporter-Chief Kyle, für den sich nach 55 Jahren im Franchise immer noch kein Vorname eingefunden hat.

Optisch schwimmt "Strange New Worlds" im Fahrwasser von Discovery: Um zum Design der Discovery zu passen, wurde das Schiff insgesamt vergrößert und die Außenhülle mit Kachelmustern übersät. Dass es sich dabei tatsächlich um die gute alte Ur-Enterprise NCC-1701 handeln soll, erkennen Zuschauer am besten am Typenschild.

Auch innen ist alles größer geworden: Muss sich Kirk anno 1966 (bzw. 2265) noch mit einer klaustrophoben Kommandozentrale mit mickrigem Viewscreen zufriedengeben, ist die von Captain Pike kommandierte Brücke im Jahr 2022 (bzw. 2259) dezent abgedunkelt und bietet einen panoramischen Ausblick auf die unendlichen Weiten des Weltalls. Die Crew von "Strange New Worlds" steuert alles per Touchscreen und ihre luxuriösen Kabinen bieten ausnahmslos große Fenster nach draußen.

Die erste Staffel von "Strange New Worlds" entließ den Autor mit zwiespältigen Gefühlen. Das Versprechen in sich abgeschlossener Folgen erfüllen die Macher nur bedingt, zumal das Staffelfinale mehr Fragen offen lässt, als es beantwortet.

Auch stellt sich die Frage nach dem Zielpublikum: Einerseits will die Serie durch eigenständige Folgen einsteigerfreundlich bleiben, andererseits ergeben diverse Entwicklungen erst richtig Sinn, wenn man im Trek-Universum einigermaßen standfest ist. So wissen etwa Trek-Trivia-Profis in Folge zwei sofort, dass eine Figur hier allein deshalb nicht sterben kann, weil das erst acht Jahre später passiert.

Die Star-Trek-Serien im Überblick (8 Bilder)

Star Trek, In Deutschland "Raumschiff Enterprise": Mit dieser Crew hat alles angefangen (einfach Chekov wegdenken, der kam erst in Staffel 2 dazu).
(Bild: Startrek.com / CBS Entertainment
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Nur zweimal knickt die Staffel qualitativ richtig ein: Bei Folge drei stimmt schlicht der Erzählrhythmus nicht; bei Folge acht ist trotz viel Fanservice nach der ersten halben Stunde die Luft raus, das erlösende Ende folgt aber erst 20 Minuten später. Andere Fehltritte erscheinen verzeihlich, etwa die völlig vorhersehbare "Überraschung" in Folge sieben.

Insgesamt überwiegt jedenfalls das Positive: Bei Folge vier befindet sich das Schiff in einer derart prekären Lage, dass man kurz vergisst, dass die Enterprise nicht implodieren kann, weil es dann kein Franchise gäbe. Und wenn geklaut wird, dann gekonnt: Folge fünf zieht das olle Klischee des Körpertauschs so gekonnt durch, dass es wieder frisch wirkt. Auch dass Folge neun aus Versatzstücken von "Aliens: Die Rückkehr", "Das Ding aus einer anderen Welt" und "Predator" zusammengeklaubt wurde, tut der Spannung keinen Abbruch. Das Sahnehäubchen ist, wie sich das Staffelfinale ausgerechnet bei Charles Dickens bedient.

Ausschlaggebend ist letztlich, dass die Figuren und ihre Dynamik funktionieren – und hier haben die Serienmacher und Schauspieler ganze Arbeit geleistet. Captain Pike holt in Krisensituationen souverän die Meinungen seiner Crew ein und verwöhnt seine Crew regelmäßig mit selbst gekochtem Essen. Number One wirkt anfangs hart und humorlos, findet aber dennoch Zeit, ihre Nägel in zur Uniform passendem Gold zu bemalen. Obwohl der neue Spock weiterhin stark von den stoischen Versionen von Nimoy und Quinto abweicht, gefällt er hier deutlich besser als vor zwei Jahren in "Discovery".