Survival-Ratgeber Verkehrskontrolle

Seite 2: Nachlass, Wissen und heiße Löcher

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Das mag dem Laien eskalierend scheinen, bewirkt jedoch das Gegenteil. Wenn Polizisten einen Sachverhalt im Büro schriftlich aufsetzen müssen, ist das erste Affekt-Adrenalin verflogen. Vielfach fallen ihnen dann zudem Verfahrensfehler bei der Kontrolle auf, denn die passieren sehr häufig. Manchmal wird ihnen schlicht die Zeit fehlen oder die Lust. Von einer Liste wütender Vorwürfe bleibt am Ende maximal das, was Sie rechtsstaatlich gesehen wirklich falsch gemacht haben. Meistens kommt jedoch schlicht gar nichts mehr. Nichts wird so heiß gegessen, wie es am Straßenrand im Wutschädel gekocht wird.

Um die (für sie) bequeme Vor-Ort-Unterschrift oder -Bezahlung schmackhaft zu machen, locken Beamte gelegentlich mit Cash-Rabatten: "Zahlen Sie jetzt bar, sonst wird es viel teurer!" Diese Lockangebote lohnen sich in Deutschland meiner Erfahrung nach nicht, weil wie beschrieben meistens ja gar nichts bezahlt werden muss, selbst wenn nicht alle Vorwürfe haltlos sind. Im Ausland dagegen kann es sich lohnen, vor Ort zu bezahlen, weil sonst der innereuropäische oder gar internationale Aktenakt zu knackigen Aufschlägen führt.

Die Verkehrskontrollen weltweit sind mittlerweile recht gut vernetzt. Ein Parkticket aus Melbourne wurde mir mit vergleichsweise günstigen 20 AUD Aufschlag nach Stuttgart zugestellt. Für den Tarif gibts in Österreich ned amoi a Fotz'n, wie der Eingeborene sagt. Felix Austria, wo der Verkehrspolizist Geschwindigkeitsübertretungen aus seinem reichhaltigen Schätzungserfahrungsschatz schätzen darf. Ich versuche mittlerweile, die Alpenrepublik zu umfahren oder am schmalsten Stück durchzustoßen nach Italien. Lieber Schweiz als Österreich. Die Schweiz ist planbar.

Polizisten sind auch nur Menschen, und Menschen (selbst Österreicher!) machen ständig Fehler. Ich habe noch nie einen Polizisten getroffen, der die aktuelle Gesetzeslage komplett korrekt kennt. Es wird diese Beamten sicher geben, doch Sie sollten nicht davon ausgehen, dass diese Minderheit Sie kontrolliert. Das Problem liegt wahrscheinlich am gigantischen Regelwust, den sich kein Mensch merken kann. Es hat zudem kaum Konsequenzen, die Regeln nur streifschussmäßig zu kennen.

Wenn der teure Heli abhebt, ist Schluss mit lustig. Ich geriet einmal auf der Fahrt zur Arbeit in die Kontrolle der Cannonball-Raserveranstaltung auf ihrem fatalen Weg durch Württemberg. Das hatte schon eine Prise von Apocalypse Now.

(Bild: Bayerische Polizei)

Lassen Sie sich also nicht davon irritieren, wenn die Beamten sagen, "Sie sind falsch informiert", wenn Sie sich sicher sind. Es kann genausogut sein, dass der Beamte falsch informiert ist. Das ist sogar wahrscheinlicher, wenn sich der Halter vor kürzerer Zeit mit konkreten Regeln für z. B. eine ABE auseinandergesetzt hat, der Polizist jedoch nicht. Niemand möchte seinen Job erklärt kriegen, aber in manchem Streitfall ist das unumgänglich.

Freundlich, ruhig, höflich, sachlich bleiben, sich aber auch keinen Quatsch erzählen lassen, nur weil der aus einer Uniform schallt. Eine Uniform macht nicht schlauer. Ich erinnere mich bei Unstimmigkeiten in der Verkehrskontrolle an diesen Satz anhand einer Eigenheit: Der Uniformierte zeigt bei Motorradkontrollen die Tendenz, den Finger in den Auspuff eines Fahrzeugs stecken zu wollen, das er selbst eben noch in verbrennender Bewegung erlebte. Was auch immer er damit herauszufinden hofft, man erläutere ihm das signifikanteste Ergebnis seines Experiments besser vorher: "Heiß!"

Das klingt alles schwierig. Es gibt der Legende nach jedoch einen Vorteil des amtlichen Unwissens: Halbwegs kompetente Laberer können bei Kontrollen selber viel ad hoc schlüssig klingenden Quatsch erzählen. Also, habe ich gehört.

Obwohl niemand vor Kontrollen gefeit bleibt, gibt es Möglichkeiten, die Frequenz zu senken. Am besten schaut man nicht aus wie ein Pappenheimer. Einen VW Passat fahren funktioniert hervorragend, oder egal welchen Hyundai. Ich wurde auch noch nie auf einer BMW GS kontrolliert. Nun kann, will und sollte sich nicht jeder Pappenheimer ein langweiliges Fahrzeug nur der Exekutive wegen kaufen. Es gibt glücklicherweise genügend günstige Möglichkeiten, das eigene Profil weichzuzeichnen. Ein Sylt-Aufkleber am Fahrzeugheck wirkt Wunder. Sozialverträglich leise Serien-Auspuffanlagen kosten gar nichts außer eine Verzichtsentscheidung, sind ja Serie (Achtung bei der Kontrolle: trotzdem heiß!). An der Hautfarbe lässt sich schwer etwas ändern, und leider muss ich berichten: Weiße Schminke kommt ebenfalls nicht gut an, nicht einmal zu Fasching: "Abschminken! Sofort."

"Ich lasse Sie noch einmal davonkommen." Dieser Satz signalisiert Ihre bevorstehende Freiheit: Sie haben nichts getan, was der Beamte Ihnen vorwerfen kann oder möchte. Er ist am Ende seines Lateins, daher geht auch die Kontrolle endlich zu Ende. Fragen Sie nicht, warum er Ihnen grummelnd mit dieser Formulierung ein schlechtes Gewissen einreden will. Schießen Sie keine Fotos von der Kontrolle. Und lassen Sie um der Liebe Jesu willen niemals einen dazukommenden Kollegen zum Polizisten sagen: "Haben Sie nichts Besseres zu tun?" In allen Fällen fangen Sie von vorn an mit der Beruhigung der Lage, das kann locker noch einmal genauso lange dauern. Nein, zur ersten Gelegenheit: Danke, tschüs, schönen Tag, *braAAAAapp!*, wech. Die vergangene Stunde mit Humor nehmen: Wenn jemand eine Reise mit Kontrolle tut, so kann er zumindest was erzählen.

(cgl)