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Was war. Was wird.

2013 - das Jahr, in dem Bayern Kontakt aufnimmt? Ach, Schmarrn, wenn ein Jobs die IT-Branche in Atem halten kann, dann mag ein Stoiber auch ins Web 2.0 wechseln, gesteht Hal Faber zu.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hey, Captain Starligt trällernd wollte ich eigentlich ganz locker auf meine Geburtstagsparty gehen, doch da spuckte der Ticker die traurige Nachricht über die Existenzverschiebung vom großen RAW aus. Das war's dann, mit dem Feiern. In Erinnerung an den großen Philosophen Wilson erlaube ich mir, eine längere Passage in der Übersetzung des großen deutschen Philosophen Gerhard Seyfried zu zitieren:

"In jeder Nation, in der es nur irgendeine Art von Geheimpolizei gibt, lernen die Leute schnell, diejenigen zu verdächtigen, die *sie* verdächtigen. /../ Je allgegenwärtiger die 'Kontrolle' der Regierung ist, desto misstrauischer und vorsichtiger werden die Leute. Und je mehr Leute zeigen, dass ihnen das Vertrauen in die Regierung fehlt, desto mehr wird sich die Regierung genötigt sehen, sie zu bespitzeln, um ganz sicher zu gehen, dass sie sich nicht so weit entfernt haben, um eine Rebellion auszubrüten oder noch mehr hausgemachte Bomben von der Oklahoma-City-Art zu legen. Die Regierung wird also immer mehr schnüffeln und spionieren, und die Leute werden immer 'vorsichtiger' werden."

*** Nach und nach kommen Details der Arbeit heraus, zu der sich unsere vom Terrorismus gestörte Regierung genötigt sieht, die von zwei Programmierern einen Bundestrojaner entwickeln lässt. Der dann zum Patchday des jeweiligen Betriebssystems als Wartungsprogramm auf unsere Rechner strömt, damit die Online-Durchsuchung endlich starten kann. Sie ist für unsere Regierung offenbar so wichtig, dass, sollte sie der Bundesgerichtshof als verfassungsfeindlich bewerten, schnell die Verfassung geändert werden muss. So groß ist der "gesetzgeberische(r) Handlungsbedarf zur Schaffung einer speziellen strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsbefugnis", dass die Frage gestellt werden kann: Was haben die Staatsschützer zu verbergen?

*** Die Regierung wird also mehr und mehr schnüffeln und die Leute werden immer vorsichtiger werden. Gelingt es nicht, die Terroristen beim Aufruf von Google Earth abzufangen, müssen die Verfahren gewechselt werden. Die geheime Online-Durchsuchung zur Aufdeckung von "Täterstrukturen" mag sich wie die krankhafte Phantasie eines frei drehenden Geeks anhören, findet sich aber in den offiziellen Bundestagsdrucksachen. Noch einmal der hellsichtige Robert Anton Wilson:

"Der kalte Krieg hat uns Spionage, Schnüffelei und Verfolgungswahn hinterlassen, die keiner rationalen Funktion mehr dienen. /.../ Keine Kraft von außen hat bis jetzt unsere Bewegung in Richtung einer Kafka-Orwell-Welt verlangsamt, in der die verrücktesten Phantasiegebilde für mehr und mehr Menschen zunehmend plausibel wirken."

*** Die ebenso massierte wie sachunkundige Diskussion um das Verbot von Killerspielen zeigt Wirkung. In Bayern bereitet man ein Gesetz vor, was von der desinformierten Bevölkerung begrüßt wird, die schlicht nicht weiß, dass Spielen intelligent macht und pflichtbewusste Menschen produziert. Doch ein Verbot ist den richtigen Scharfmachern nicht genug. Sie fordern die Indizierung der Spiele, verbunden mit rasch handelnden Staatsanwälten, die zuschlagen und Counterstrike-Server verhaften lassen. Wer Law and Order propagiert, hat natürlich ein Beruhigungschmankerl in der Tasche. In diesem Fall eine alte Kamelle, ummantelt mit zartem Pisa-Schmelz: "Sechstens braucht es ein staatliches Programm zum schrittweisen, flächendeckenden Ausbau unserer Schulen zu Ganztagsschulen. In Zusammenarbeit mit Sportvereinen oder Musikschulen sollte so für den Nachmittag der Kinder und Jugendlichen ein Programm entwickelt werden, das die Lust auf Leben weckt, anstatt die Kinder der Verwahrlosung durch Medien zu überlassen."

*** Musikschulen gegen verwahrloste Medien! Dabei sein ist Alles! Gesangsausbildung für alle, die "Ich hab die Möpse schön" trällern wollen. Und bitte, ein richtigen Internet-Grundkurs für Herrn Plasberg, der den Günther Christiansen geben soll. Seine ach so hartfaire Fragestunde zum Thema Killerspiele hatte das Niveau von Dieter Bohlens Starsucherei. Anderswo ist es leider nicht besser. Da gibt es nun die große SZ-Serie über Onlinekriminalität, über das schreckliche Internet und die Inseln der Gesetzlosen, auf denen Drogenhändler kryptisierte Internettelefone benutzen. Die schaudernd davon erzählt, wie das Internet die Schänder zu den Kindern bringt und wie die Operation Mikado mit ihrer Nichtrasterfahnundung die Gesetzlosen der gerechten Strafe zuführt – auch wenn diese möglicherweise nur eine Art Sachbeschädigung ist.

*** Und was die schönen Möpse anbelangt, so darf auch dieses Detail nicht in der Wochenschau fehlen: Allein in den USA wurden mit dem Verkauf und der Vermietung von heißem Porno auf DVD oder VHS im letzten Jahr 4,28 Milliarden Dollar umgesetzt. Mit der in Las Vegas bekannt gewordenen Drohung des Lizenzentzuges für Blu-ray-Presswerke für den Fall einer Porno-Pressung scheint Sony den Kampf der Formate beendet zu haben. HD steht dann einfach für Hautnah Dabeisein. Doch Las Vegas hatte in dieser Woche mehr zu bieten, etwa die CES mit einer Keynote von Bill Gates, in der dieser drohte, im nächsten Jahr über seine ins Zwielicht geratene Stiftung zu reden – und genau dafür Beifall bekam. Das vernetzte Erlebnis, von dem Microsoft seit Jahren schwärmt, ist schwer langweilig geworden, selbst für die Bewohner von Las Vegas. Die reden lieber über das abgebrühte Zockerstück ihres Stadthelden Steve Wynn, der letzten Oktober seinen Ellenbogen in ein Picasso-Gemälde rammte, das er eigentlich für 139 Millionen Dollar verkaufen wollte. Nach dem Bodycheck wurde die Leinwand nur noch auf 85 Millionen taxiert. Nun will Wynn 54 Millionen Schadensersatz für ein Gemälde, das er für 48 Millionen gekauft hat. Ein Fall für einen unerschrockenen Detektiv. Doch Tote schlafen fest. Ja, ich sehe unser aller Detektiv im Grabe rotieren, bei den heutigen Kriminalitätsbekämpfern und ihren obersten Sicherheitsfanatikern.

*** In der letzten Woche hatte ich überlegt, etwas zu BenQ zu schreiben und es sein gelassen, in dieser Woche geht es mir mit dem iPhone ähnlich. Viel heiße Luft regt die Sinne an, ein Furz schafft das aber auch. Der Rest ist Spekulatius.

Was wird.

Grammatikalisch gesehen ist Europa sicher leben heiße Luft. Doch die deutsche Politik hat sich zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft viel vorgenommen. Da sollen die DNA- und Fingerabdruckdatenbanken miteinander vernetzt werden und in einer großen Konferenz der Stand der Sicherheitsforschung ausgelotet werden. Als Krönung des Ganzen wird die Kanzlerin daran arbeiten, den Gott der Christen in die europäische Verfassung aufzunehmen. Dabei halten sich nach der European Values Study ein Drittel aller Europäer für unreligiös.

Man kann vieles glauben, doch dass Edmund Stoiber bis ins Jahr 2013 über das Land der Laptops und Lederhosen herrscht, glaubt wohl nur noch Edmund Stoiber. Der bayerische Ministerpräsident, der so gern per Transrapid vom Münchener Hauptbahnhof aus abfliegen möchte, ist keine Lichtgestalt mehr, sondern ein Clown. Schuld daran, schreibt der oberste deutsche Verschwörungs-Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung hat wieder einmal das böse Internet, diesmal in Gestalt von Youtube.com. Dort würden Stoibers Versprecher gespeichert, um auf Ewigkeit durchs Netz zu rasen. Sollte das stimmen, sind nicht nur die Apparate die letzte funktionierende Macht in Deutschland, wie Leyendecker meint, sondern ist auch Edmund Stoiber der erste bedeutendere Politiker, der vom Web 2.0 (und seiner eigenen Halsstarrigkeit) entmachtet wurde. So gesehen ist es ein ganz feiner Zug, wenn der oberste Bayer ausweislich der Gästeliste bei der bedeutendsten europäischen Konferenz über die neue Spekulationsblase vorbeischaut. Ein Clown und das passende Publikum, das hat was. Mit einem Lied begann die Wochenschau, mit einem Lied soll sie enden. Natürlich ist es eine Verschwörungstheorie: Wir werden alle sterben. (Hal Faber) / (jk)