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Was war. Was wird. Nichts wird vergessen, nur die Lehren vom letzten Winter

Die Untoten des Internets: unausrottbare Bilder, unsterbliche Fake News, unlöschbare Daten, Leugner in Dauerschleife. Hal Faber rotiert und tanzt den Mussolini.

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Das Internet vergisst nichts, technische Defekte sind die Ausnahme. Können Daten wirklich sterben? Und welche wäre man gerne zuerst los?

(Bild: Titima Ongkantong/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Jetzt, wo Halloween vorüber ist, ist eine gute Zeit, sich all der Untoten zu erinnern. Das Internet vergisst bekanntlich nichts, was die Frage aufwirft, ob Daten abseits technischer Defekte sterben können. Diese Frage mit dem bekanntesten Testbild der IT zu beantworten, ist schwierig. Das dürfte auch an der Karriere von Lena Forsén liegen, die nach ihrem Auftritt im Playboy anno 1972 bei Kodak als Shirley arbeitete, bis die Zeit der weißen (kaukasischen) Normierung zu Ende ging. Nach ihrer Karriere als Model arbeitete sie in Schweden für eine Behörde, die sich um die Rechte behinderter Menschen im Beruf kümmert und sich für die Barrierefreiheit in der IT einsetzt. Längst ist Lena in Rente und hat ein eigenes Projekt gestartet, wie es der kleine Dokumentarfilm Killing Lena zeigt. Das klingt brutal, ist es aber nicht: "I retired from modelling a long time ago. It’s time I retired from tech, too. We can make a simple change today that creates a lasting change for tomorrow. Let’s commit to losing me." Ob ihr Wunsch in Erfüllung geht und das leidige Bild wirklich verschwindet, ist zweifelhaft, denn fast jeder Bericht über ihr Playboy-Bild will illustriert werden. Da hat es eine gewisse Lena Gercke besser, die einstmals das "Gesicht" von Microsoft Windows und von Windows Live war. Zumindest sind die Fotos von damals am Vergilben und würden in Zeiten von LGBT_I_Q nicht mehr möglich sein, eben I, für inopportun.

Lena Gercke, 2007 das "Gesicht" von Windows und Windows Live

*** Nicht nur Bilder sind unausrottbar, auch so manche Legende wird immer wieder gerne gedruckt. Eine hübsche Geschichte über die "Panik", die nach dem Hörspiel Krieg der Welten ausgebrochen sein soll, illustriert das. Wieder und wieder wird die Geschichte von der Panik wiederholt, wie all die unsäglichen Talkshows im Fernsehen, in denen wieder und wieder Menschen auftreten und über ihre "Impfängste" und Paniken sprechen dürfen, von der Politikerin Sahra Wagenknecht bis zum Philoso-Viehtreiber Richard David Precht. Derweil bleibt Corona auf Jahre mit uns, folgt Welle auf Welle auf Welle und Talkshow auf Talkshow. Doch die Hoffnung, dass es mal einen Gesundheitsminister geben wird, der versteht, was ein epidemiologisches Gleichgewicht ist, und die Impfzentren nicht schließt, diese Hoffnung stirbt zuletzt. "Herzlich willkommen in Deutschland!" SMSst es an der Grenze. Derweil wollen europäische Bürgerrechtler, dass die Warn-Apps vom aus den Appstores genommen werden, bei denen die Länder keine echte Prüfung der Effizienz der Apps vorgenommen haben. Dort, wo das Smartphone ohnehin ausgestellt werden muss, sieht es noch düsterer aus. "Nach der Freigabe von 200 Millionen Euro durch den Bund für mobile Luftfilter in Kitas und Schulen hat auch dreieinhalb Monate später noch kein Land den Fördertopf angerührt", heißt es in diesem Bericht. Ein hübscher Tsunami braut sich da zusammen, bei dem das erneute Verbot der Böllerei zu Silvester das kleinste Problem ist. Unterdessen warnt der Verfassungsschutz vor der Radikalisierung der Leugner.

*** Wer über Radikalisierung nachdenkt, wird um das Thema NSU und Verfassungsschutz nicht herumkommen. 10 Jahre ist es nun her, dass sich die beiden Rechtsradikalen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich in einem Wohnmobil erschossen. Damals glänzte der Verfassungsschutz mit Erinnerungslücken der Mitarbeiter, die die rechte Szene observierten, mit Aktionen seiner Mitarbeiter, die Akten von Thüringer V-Leuten schredderten. Zudem wurde ein Bericht des hessischen Verfassungsschutzes als Verschlusssache deklariert, die erst 2044 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. Mit einigen Schwärzungen ist der Bericht zum 10. Jahrestag nun veröffentlicht und lässt die hessischen Schützer nicht gut aussehen. So ist von zahlreichen Hinweisen auf Waffenbesitz von Rechtsextremisten die Rede, denen die Beamten "zum Zeitpunkt des Informationsaufkommens" nicht nachgegangen sind. "So taucht etwa der Kasseler Neonazi Stephan Ernst gleich elfmal auf – er wird später zum Mörder von Walter Lübcke. Oder Benjamin Gärtner, auch aus Kassel und V-Mann des Landesamts – jener Spitzel, mit dem Andreas Temme am Mordtag von Halit Yozgat telefonierte. Hier notiert der Bericht, dass Gärtner im Oktober 2001 eine Demonstration des Thüringer Heimatschutzes in Eisenach besuchte, zu dem auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten." Das Urteil des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses im Jahre 2018, dass mit den "Hinweisen zum NSU Trio nicht sachgerecht umgegangen" sei, klingt wie ein sanfter Schubser. Du du, mach das nicht noch einmal.

*** Wenn diese kleine Wochenschau in den unvergesslichen Weiten des Internets auftaucht, ist das Drama um eine Künstliche Intelligenz, die für eine gerechte, gewaltfreie Welt sorgen soll, im TV gelaufen. Wer es kann, darf in die Mediathek reinschauen, so schwierig ist das nicht. Einerseits. Andererseits lässt die Werbung des Senders Grässliches wie einen Gottschalk erwarten: "Die fiktionale Geschichte beruht auf heutigen Analysen und Forschungsergebnissen. Sie wird verflochten mit einer dokumentarischen Ebene, in der weltweit führende Forscher das Geschehen kommentieren. Sie ordnen ein, wie viel Macht künstliche Intelligenz erlangen könnte. Der Film soll eine Debatte anstoßen, die dringend geführt werden muss." Führen wir die Debatte um die KI nicht schon seit gefühlten 1024 Jahren? Was hat eine Maschine eigentlich von einer gerechten und gewaltfreien Welt? Das ist schwer, die Frage und die Antwort, tja, sie kommt aus Dresden, dem Mini-Silicon-Valley: "Auf 800 qm Ausstellungsfläche ermöglichen kulturhistorische Exponate, wissenschaftliche Objekte und Beiträge sowie audiovisuelle Medien differenzierte Einblicke in den aktuellen Entwicklungsstand von KI und den menschlichen Umgang mit dieser neuen Technologie. Darüber hinaus bieten internationale zeitgenössische Künstler:innen mit ihren Arbeiten Reflexionsangebote, um über den Einfluss von KI auf unser Zusammen-Leben nachzudenken." Denn dort ist die KI schon im Museum für Hygiene gelandet und seit gestern zu bestaunen.

Eine bekannte Kette für unnützes IT-Zubehör hat in der letzten Woche den schönen Monat November in Mehrwember umgetauft. So sollen den ganzen Monat über noch vor dem Black Friday Schnäppchen angeboten werden, eher der Gehtnichtmehrzember beginnt. Dank Wikipedia (such macht kluch) bin ich schlauer geworden und habe gelernt, dass der Begriff Black Friday in Deutschland als Wortmarke geschützt ist und "Werbedienstleistungen für Dritte sowie der Handel mit Elektronik- und Elektrowaren" ihren Krams so auszeichnen dürfen, wobei wiederum Apple bei den Elektronikwaren ausfällt. Die Firma verwendet da lieber den denglischen Begriff "eintägiger Shopping Event". Einkaufstag klang wohl zu banal und ephemer zu fremdnäsig.

Auf den Black Friday folgt – nach einem weiteren WWWW natürlich – der nahezu identische Cyber Monday mit Supa-Angeboten, aber dann kommt es faustdick! Noch ein Drama im Stream, noch ein deutsches Problem mit Faking Hitler und Playing Moritz Bleibtreu als Kunstfälscher. Die "brandaktuelle Serie um Fake News" soll auf der Basis eines Podcasts entstanden sein, doch der Zeitgenosse denkt eher an Selling Hitler von 1991 oder an die um ein Drittel gekürzte Fassung Hitler zu verkaufen aus dem Jahre 1993. Natürlich sind alle Folgen auf Youtube zu sehen. Hitler ist immer ein Schnäppchen. Am schönsten ist dabei die "Enthüllung" hier, ungefähr ab der dreißigsten Minute zu sehen. Das ist ein ganz und gar umsonstiger Tipp für Eilige, die gerade schwer damit beschäftigt sind, die Preise zu beobachten.

Die Band DAF.

Dieses WWWW entstand, ohne dass ein einziger Abba-Song gehört wurde. Zum Abschluss empfehle ich statt Dancing Queen Gabi Delgado-López und Robert Görl von DAF:

Geh' in die Knie
Und klatsch' in die Hände
Beweg' deine Hüften
Und tanz' den Mussolini
Tanz' den Mussolini
Tanz' den Mussolini
Dreh' dich nach rechts
Und klatsch' in die Hände
Und mach' den Adolf Hitler
Tanz' den Adolf Hitler

(tiw)