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Was war. Was wird. Spion vs. Spion

Manches Mal gehen die Begriffe durcheinander, und bei "Aufklärung" allemal. Da muss man nicht einmal deren Dialektik bemühen, wundert sich Hal Faber.

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"Die rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung zwingt das Denken dazu, sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten." Ja, es ist schon so ein Kreuz mit dieser Aufklärung, wissen wir spätestens seit Adorno und Horkheimer. Wie Aufklärung durch die rein instrumentelle Vernunft in den Abgrund führt, hätte sich Kant nun auch nicht träumen lassen - berühmte Worte: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit." Aber, ach: "Wir hegen keinen Zweifel, dass die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist. Jedoch glauben wir, dass der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet."

(Bild: kubais / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Zu den schönsten Worten des neudeutschen Wortschatzes der DDR zählen für mich die Begriffe Feindwärts und Freundwärts. Feindwärts stand man am antifaschistischen Schutzwall, freundwärts schaute man auf das eigene Land. Wer in der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) des MfS arbeitete, tat dies feindwärts als "Kundschafter des Friedens". Das klingt doch viel besser und friedsamer als das hässliche Wort von der Auslandsspionage, fast so friedlich wie "Bundesnachrichtendienst", wo man gerne das hässliche Wort vom Agentenführer vermeidet und viel lieber vom Operateur spricht. Nun ist in dieser Woche Werner Großmann gestorben, der letzte Ober-Operateur der Hauptverwaltung Aufklärung oder eben der Chef der Auslandsspionage. Begonnen hatte diese Spionage unter dem harmlosen Namen "Außenpolitischer Nachrichtendienst" (APN) und dem noch harmloseren Tarnnamen "Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung", ein Name, an dem die Krawall-Influencerin Lilith Wittman ihre helle Freude hätte. Wissens' schon, das ist die junge Frau, die versehentlich den schon erwähnten Bundesservice Telekommunikation enttarnt hat.

*** Auf einer dänischen Tagung im Jahre 2007 zeichnete Werner Großmann das Bild einer edlen Truppe, die mit Romeo-Methoden ihre Kundschafter und Kundschafterinnen einsetzte. "Wir haben z.B. keine Staatsstreiche inszeniert, keinen Mord begangen, keine Killerkommandos ausgebildet und eingesetzt, keine Entführungen durchgeführt, mit keinem Terroristen oder mit Schwerkriminellen zusammengearbeitet." Als höchste Leistung der HV A stufte Großmann in seiner Rede die finanzielle "Hilfe" im April 1972 ein, als das Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Willy Brandt scheiterte. Ja, das war großes Welttheater, wie sich einer an diesem Wochenende erinnert: "Darum gab es Diskussionen in der bundesdeutschen Gesellschaft, deren Schärfe bis in die Familien reichte. Niemand sprach damals von 'Spaltung der Gesellschaft', doch war viel Unversöhnlichkeit zu spüren zwischen Befürwortern und Gegnern der 'Ostpolitik'. Die ohnehin knappe Mehrheit der sozialliberalen Regierung schmolz in den Wochen vor dem Ratifizierungstermin am 17. Mai 1972 durch spektakuläre Übertritte von Abgeordneten beider Regierungsfraktionen zur Union so zusammen, dass ein 'konstruktives Misstrauensvotum' nach den Vorgaben des Grundgesetzes möglich zu sein schien: Abwahl des Kanzlers durch Neuwahl eines neuen Kanzlers. Dies scheiterte am 27. April 1972 zur allgemeinen Überraschung durch Abweichler in der Union – später kam heraus, dass dabei Geld geflossen war, auch aus der DDR."

*** Es gibt ein kleines Büchlein über die Arbeit der Hauptverwaltung Aufklärung namens Imperium ohne Rätsel im Nachklapp zu einer von der Wau Holland-Stiftung veranstalteten Podiumsdiskussion, von der im Newsticker berichtet wurde. Während die westlichen Medien und die einen oder anderen Operateure im Jahr 2013 aus allen Wolken fielen, was da im Zuge der Enthüllungen von Edward Snowden bekannt wurde, wusste die HV A ab 1985 recht genau, was die US-amerikanische NSA alles betrieb und bei verschiedenen Freundesdiensten bestellte. Ein Fernmeldeaufklärer der US-Armee schmuggelte Dokumente über die Arbeit in der Station Teufelsberg nach draußen, ein "Friedenskundschafter" türkischer Nationalität mit dem hübschen Tarnnamen Blitz kopierte in Westberliner Kaufhäusern das Material und übergab es dem Agentenführer der HV A. Damit sind wir zurück in der Gegenwart, denn es gibt immer wieder gute Gelegenheiten, aus allen Wolken zu fallen. Nicht immer sieht das so charmant aus wie bei Constanze Kurz, die einen Lachanfall bekommt, nachdem der ehemalige US-Botschafter John Kornblum behauptet hatte, es gäbe keine Geheimnisse mehr wie dunnemals, als Wikileaks die Diplomaten-Kabel veröffentlichte.

*** Keine Geheimnisse mehr? Wie sieht es dann mit dem Bericht des Magazins der New York Times aus, nach dem die CIA im Jahre 2018 die Software der israelischen NSO Group kaufte, um sie der Republik Dschibuti zum Ausspionieren von Oppositionellen zur Verfügung zu stellen? Was ist mit dem FBI, das ebenfalls Millionen für ISO-Lizenzen ausgab, um WhatsApp-Nachrichten lesen zu können, übrigens auf Anraten von Trump-Unterstützer Peter Thiel. All das sollte geheim bleiben, ist aber auf bisher nicht bekannten Wegen bei der New York Times gelandet. Keine Geheimnisse? Welcher "Kundschafter des Friedens" steckt hinter der bundeseigenen IP-Adresse, die in der Wikipedia die Einträge von Politikern wie Robert Habeck umschreibt, die zu den Adressen gehören, die von einer Krawallmacherin veröffentlicht wurden? So schließen sich die Kreise und wir können immerhin lernen, das Krawall vom jiddischen Krawóle abstammt und dort Aufsässigkeit bedeutet. Immerhin ist es kein Geheimnis, wer alles noch einen Geheimdienst braucht: Die Europäische Union will ihre beiden Schnüffeldienste INTCEN und EUMSINT zusammen ausbauen: Wer ein Global Player sein will, braucht globales Spielzeug, meint Nacho Sánchez Amor.

*** Was waren das noch für Zeiten, als die FAZ unter dem flinken Denker Frank Schirrmacher sich mit dem Sourcecode eines Staatstrojaners beschäftigte und Details zur Anatomie eines digitalen Ungeziefers veröffentlichte, das Ganze mit tatkräftiger Hilfe des Chaos Computer Clubs. Das ist schon mehr als 10 Jahre her – und eigentlich immer noch aktuell, wie hier der Staat im Geheimen schnüffelt. Doch dieses Wochenende gibt es was zu feiern, denn zwei Seiten dicht bepackt mit Sourcecode finden sich im Innern des Wirtschaftsteils. Doch diesmal ist es kein Staatstrojaner, sondern mehr ein SAP-Trojaner: Der Sourcecode der 1983 entstandenen Programmiersprache ABAP ziert eine Doppelseite, hinter der sich der 1982 geborene SAP-Vorstandssprecher Christian Klein versteckt. Dahinter steckt immer ein kluger Kopf, der sattsam bekannte Claim des Frankfurter Blattes ist damit abgebappt, hübsch ergänzt durch die Nachricht von angestrebten Kauf der Mehrheit am Fintech Taulia. Wieder einmal darf sich Léo Apotheker freuen, von seinen Freunden aus Walldorf umhegt und umsorgt zu werden.

Der Januar ist um, der März als Women's History Month lässt auf sich warten und damit auch die Bilder von Minnie Maus im gepunkteten Hosenanzug, entworfen von Stella McCartney. Bleibt uns nur noch übrig, den ollen Februar auszusitzen, mit Schmerzen wie sie Angela Merkel hat. Die große Frauenrechtlerin und Hosenträgerin steht nämlich vor dem Scherbenhaufen ihres Käsekuchens oder so. Irgendwie ist auch Margot Honecker beteiligt, irgendetwas ist ja immer. Was es auf jeden Fall in dieser unserer Realität gibt, das ist der 18. deutsche IT-Sicherheitskongress des BSI. 30 Journalisten dürfen vor Ort sein, wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Bundes-CIO Markus Richter am 1. Februar den Kongress eröffnen. Knisternde Spannung ist angesagt, denn erstmals wird das IT-Sicherheitskennzeichen vergeben. Es soll ein "praktisches Werkzeug" sein, mit dem jeder Mensch mit einem Blick die Sicherheitseigenschaften eines IT-Produktes beurteilen kann. Man kann es beispielsweise liebevoll an sein QNAP-NAS bappen, das gerade alle Backups verschlüsselt hat oder den QR-Code auf einem Käsekuchen drapieren. Ja, ich weiß, dass erst einmal nur Breitbandrouter und E-Mail-Dienste ausgezeichnet werden, die nie, niemals schlimme Dateien transportieren, aber die Idee ist ja ausbaufähig.

Einen habe ich noch, aber diesmal ist es kein Witz. In China beginnen am nächsten Freitag die Olympischen Winterspiele 2022. Von der Zeitung für kluge Köpfe werden sie "Corona-Spiele" genannt, kundigere Köpfe sprechen von Propagandaspielen und übersetzen das ins Englische mit Genocide Games. Man kann noch ein paar weitere Ausdrücke finden, denn der wichtigste Ehrengast ist Wladimir Putin, der an der Grenze zur Ukraine ein Wintersportzentrum eingerichtet hat. Dort wird scharfes Biathlon geübt. Vielleicht gibt es noch die eine oder den anderen, die glauben, dass Sport nichts mit Politik zu tun hat. Wer mit Wintersport nichts am Hut hat und lieber Fußball mag, hat sicher den Vorschlag von Gianni Infantino gehört, die Fußball-Weltmeisterschaften alle zwei Jahre auszutragen, weil das die Flüchtlinge abhalten würde. "Wir müssen Wege finden, den Afrikanern Hoffnung zu geben, damit sie nicht über das Mittelmeer kommen, um vielleicht ein besseres Leben zu finden, aber wahrscheinlicher den Tod auf See finden. Wir müssen Möglichkeiten und Würde finden." Die Würde des Menschen ist kickbar. Da geht sie dahin, die Aufklärung.

(jk)