Bundesrat bringt Staatstrojaner für die gängige Strafverfolgung auf die Spur
Die Länderkammer hat einen Gesetzentwurf passieren lassen, wonach die Polizei künftig Internet-Telefonate und Messenger-Kommunikation bei Verdacht auf viele Delikte überwachen sowie Computer heimlich durchsuchen darf.
Strafverfolger dürfen künftig im Rahmen ihrer alltäglichen Ermittlungsarbeit verschlüsselte Internet-Telefonate und Chats über Messenger wie WhatsApp, Signal, Telegram oder Threema rechtlich abgesichert überwachen sowie IT-Systeme umfassend ausspähen. Der Bundesrat hat am Freitag für den zugehörigen Gesetzentwurf zum Staatstrojaner gestimmt, den der Bundestag vor zwei Wochen in einem intransparenten Eilverfahren durch die Hintertür verabschiedet hatte.
Breiter Straftatenkatalog als Grundlage
Mit der umstrittenen Initiative, gegen die schon mehrere Verfassungsbeschwerden geplant sind, kommt eine umfassende Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und die heimliche Online-Durchsuchung in die Strafprozessordnung (StPO). Ermittler sollen mit dem ersten Instrument laufende Kommunikation "an der Quelle" abgreifen dürfen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde.
Als Voraussetzung gilt der breite Straftatenkatalog aus Paragraf 100a StPO, der auch das Abhören klassischer Telefonate oder den Zugriff auf E-Mails regelt. Die Liste fängt mit Mord und Totschlag an und reicht über Steuerdelikte, Computerbetrug, Hehlerei bis zu einem Vergehen, bei dem ein Flüchtling zu einer missbräuchlichen Asylantragsstellung verleitet wird.
Zudem erhält die Polizei die Befugnis, beim Verdacht auf "besonders schwere Straftaten" heimlich komplette IT-Systeme wie Computer oder Smartphones auszuspähen. Diese Lizenz ist an den strikteren Paragraf 100c StPO gekoppelt, also an die Vorgaben für den großen Lauschangriff.
Sorge um die IT-Sicherheit
Für beide Maßnahmen ist es nötig, die Geräte der Betroffenen mit Schadsoftware in Form sogenannter Staatstrojaner zu infizieren. Damit wird die IT-Sicherheit laut Experten allgemein untergraben. Vage bleibt, wie trotz Richtervorbehalt das vom Bundesverfassungsgericht im Streit um Computerwanzen entwickelte Recht auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen in der Praxis gewahrt werden soll.
Der mitberatende Verbraucherausschuss hatte vorab empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen und die Initiative so zumindest zu verzögern. In einer Entschließung sollte sich der Bundesrat zudem besorgt zeigen, dass die gesetzlich vorgesehenen weitgehenden Befugnisse "zu einer massiven Schwächung der IT-Sicherheitsstrukturen" beitragen und Nutzer gefährden könnten. Die Länder seien zudem nicht umfassend an dem Gesetzgebungsverfahren beteiligt gewesen. Das Vorhaben stelle eine "völlig neue Schwere des Grundrechtseingriffs" dar und beinhalte "erhebliche datenschutzrechtliche" sowie verfassungsrechtliche Risiken. Die Länderchefs folgten dem aber nicht.
Die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz von den Grünen warnte in der abschließenden Aussprache, dass Betroffene durch eine heimliche Online-Durchsuchung gläsern würden. Eine gesellschaftliche Debatte darüber habe nicht stattgefunden, was nicht hinnehmbar sei. Es gebe erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Es dürften nicht aus unangebrachter Eile elementare Grundrechte gefährdet werden. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) freute sich dagegen: "Was lange währt, wird endlich gut." Die Ermittler dürften nicht blind und taub gelassen werden, wenn sich Täter über WhatsApp oder Skype unterhielten. (mho)