100 Tage Deutschlandticket: Knirschende Digitalisierung

Verbraucherschützer haben in den vergangenen Monaten Kritik zum Deutschlandticket gesammelt. heise online hat die Verkehrsunternehmen und die Bahn dazu befragt.

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Kommen und Gehen an einem Metronom am Bremer Hauptbahnhof.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.
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Der Wechsel von bestehenden Abos, Neukauf und die Kündigung des Deutschlandtickets sind schwieriger als nötig. So lautet ein Teil der Kritik des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) nach gut 100 Tagen, in denen das Deutschlandticket jetzt gilt. Als Grundlage ihrer Kritik ziehen die Verbraucherschützer 357 Rückmeldungen auf ihren Verbraucheraufruf heran, die vom 18. Mai bis 18. Juli bei ihnen eingegangen sind.

Kritik äußerte der vzbv auch daran, dass das Deutschlandticket nur im Abonnement erhältlich ist – und das zudem mit starren Fristen für Bestellung und Kündigung. Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) weist gegenüber heise online darauf hin, dass Bund und Länder diesem Verkaufsmodell zugestimmt hätten und nur diese die Tarifbestimmungen ändern könnten.

Für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist das Abo-Modell wichtig, weil die Kostenfrage umgekehrt werde: "Hat man ein Abo, spart man jedes Mal Geld, wenn man den ÖPNV nutzt – hat man kein Abo, muss man jedes Mal extra bezahlen", sagte er im Juli dieses Jahres. Bereits im Februar verteidigte der Minister den Ansatz, das Deutschlandticket möglichst digital zu vertreiben.

Weiter kritisiert der vzbv, dass manche potenzielle Kunden wegen der anstehenden Bonitätsprüfung kein Abo erwerben können. Der VDV betont, solche Prüfungen seien bei Abo-Verträgen nicht nur im ÖPNV ein Standardverfahren. "Dies schützt zum einen die Verbraucher:innen, weil sie dadurch im Zweifel nicht in immer weitere finanzielle Nöte geraten, sowie die Unternehmen vor Zahlungsausfällen."

Dem vzbv liegen auch Beschwerden über technische Probleme bei der Buchung des Deutschlandtickets vor. "Mitunter brach der Bestellprozess einfach ab und nach wiederholtem Buchungsversuch wurden am Ende ungewollt mehrere Deutschlandtickets gekauft", schildern die Verbraucherschützer. In anderen Fällen sei das bestellte Online-Ticket nicht in der entsprechenden App aufgetaucht. Hinzu komme, dass die Anbieter bei Problemen mitunter schlecht erreichbar seien und die Kundschaft keine Hilfe erhalte.

Der VDV erwidert darauf gegenüber heise online, die Verkehrsunternehmen und Verbünde nähmen "jede Beschwerde der Fahrgäste zum Deutschlandticket ernst und versuchen bei der Lösung dieser oft sehr individuellen Probleme zu helfen". Das sei aber nur möglich, wenn es um Probleme gehe, für die die Verkehrsunternehmen zuständig sind und auch Lösungen anbieten könnten.

Der VDV räumt ein, dass "es bei der technischen Umstellung und Transformation vieler Vertriebssysteme bei den Verkehrsunternehmen innerhalb kürzester Zeit auch mal zu entsprechenden Problemen kommen kann". Daraus entstehende Probleme mit Buchung oder Kündigung seien ärgerlich, der VDV nehme allerdings nicht wahr, dass es sich dabei um ein bundesweit größeres Problem handelt. "Sonst hätten wir nicht innerhalb von drei Monaten über 11 Millionen Tickets überwiegend digital/online verkaufen können." Zudem sei die Anzahl der vom vzbv gesammelten Beschwerden überschaubar.

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Die technischen Probleme führt der VDV unter anderem darauf zurück, "dass die Umsetzung der Digitalisierung regional und lokal sehr unterschiedlich war beziehungsweise ist und nun erstmals innerhalb weniger Monate für ein bundesweit einheitliches Tarifangebot harmonisiert werden muss". Zudem gebe es für die dafür notwendigen Programmier- und IT-Arbeiten nur eine begrenzte Anzahl an Dienstleistern. Sie seien allein aufgrund der Menge an jetzt vorliegenden Aufträgen aus der Branche bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Dadurch könnten sich vereinzelt Verzögerungen bei der IT-Umstellung ergeben.

"Diese Herausforderung muss die Branche lösen und die internen IT-Probleme sollen nicht das Problem der Fahrgäste sein", teilte der VDV mit. Deshalb habe sich die Branche auf eine Kulanz gegenüber den Kunden in der Einführungs- und Hochlaufphase des Deutschlandtickets geeinigt.

Als einen weiteren Kritikpunkt hat der vzbv ausgemacht, dass das Deutschlandticket nicht mit Fernverkehrszügen kombinierbar sei und nicht auf der gesamten Reise durchgehende Fahrgastrechte garantiere. Ein Sprecher der Deutschen Bahn kommentierte dazu gegenüber heise online: "Im Vor- und Nachlauf zu einem Fernverkehrszug kann das Deutschlandticket genutzt werden. Allerdings ist für die Strecke im Fernverkehr dann immer ein separates Ticket notwendig."

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Damit schließe die Kundschaft zwei Verträge ab, die auch fahrgastrechtlich separat betrachtet werden. Das sei beispielsweise ebenso, wenn jemand beispielsweise ein Verbund-Ticket zur Anreise zum Fernverkehrsbahnhof nutzt und dann mit dem Fernverkehrsticket im ICE weiterreisen würde. Wenn dann der Fernverkehrszug verpasst werde, sei die Zugbindung nicht aufgehoben, auch könne keine Erstattung beansprucht werden.

(anw)