AKW-Rückbau in Biblis: Atomkraftwerk-Silhouette bleibt

Seite 2: Zeit ist Geld

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"Der Rückbau muss möglichst schnell sein, denn Zeit ist Geld", sagt Kemmeter. Das geht nicht ohne Investitionen in Bauten und Maschinen. Gerade entsteht ein drittes Lager auf dem Gelände im Erdbebengebiet, das zweite für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (LAW II). Die Kosten dafür beziffert Kemmeter auf rund 15 Millionen Euro. Der aufwendige Rohbau ist seit einigen Monaten fertig.

"Derzeit läuft der Innenausbau", sagt Projektleiter Carsten Altenburg mit Blick auf die Technik. Ende des Jahres soll LAW II in Betrieb genommen werden. Bis zu fünf Konrad-Container können darin übereinander gestapelt werden. Eigentlich ist das Lager als Puffer gedacht, bis das Endlager Schacht Konrad aufnahmebereit ist. Das ist nach dem derzeitigem Stand allerdings nicht vor 2027, wie Kemmeter sagt. "Wenn Konrad nicht kommt, wird das zum Dauerlager." Die Entscheidung darüber liege dann aber bei der extra gegründeten bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ). 2020 gibt RWE die beiden Lager mit schwächeren radioaktiven Müll an die BGZ ab, das SZL schon 2019.

Der Rückbau von Biblis erforderte nicht nur den Bau des Lagers LAW II, sondern auch eine Reihe neuer Anlagen. "Das ist jedes Mal ein riesiger formeller Aufwand", sagt Scholl. Das stillgelegte Atomkraftwerk bekam eine neue gasbetriebne Heiztechnikzentrale. Notwendig sind aber etwa auch eine Hochdruck-Dekontaminationsanlage, eine spezielle Trocknungsanlage, ein neues System zur Abwasseraufbereitung sowie zum Pressen und Sägen. So können die abgebauten Rohrleitungen, Kabel und andere kontaminierte Materialien aus den Reaktorblöcken zerkleinert, gereinigt und das Volumen des radioaktiven Abfalls deutlich verringert werden.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

"Die abrupte Abschaltung war ein heilsamer Schock", sagt der Bürgermeister der rund 9000 Einwohner großen Stadt, Felix Kusicka (parteilos). Die Gewerbesteuer sei immer gut geflossen, und plötzlich habe Biblis mit seinen rund 9000 Einwohnern bei einem jährlichen Haushaltsvolumen von 16 Millionen bis 18 Millionen Euro auf Einnahmen in Höhe von 2 Millionen bis 2,7 Millionen Euro verzichten müssen. Vor allem mit einer deutlichen Erhöhung der Gewerbesteuer, fast einem Drittel weniger Stellen in der Verwaltung und einer restriktiven Haushaltspolitik werde die Stadt aber voraussichtlich nächstes Jahr wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Vor allem mit besseren ÖPNV-Anbindungen und einem Neubaugebiet versuche Biblis "den Wandel von einer Schlafstadt zu einer kleinen pulsierenden Gemeinde".

Zudem sei es gelungen, ein Logistik-Unternehmen neu anzusiedeln, mit 500 bis 800 Angestellten, sagt Kusicka. Rund 1000 Beschäftigte – davon 670 von RWE – haben vor der Abschaltung in dem Atomkraftwerk gearbeitet. Derzeit seien es noch etwa 300 von RWE – plus eine schwankende Zahl Beschäftigter von Partnerfirmen, wie Scholl sagt. Die Logistikfirma sei ein wichtiges Signal gewesen, "dass die Lichter nicht ausgehen", sagt Kusicka. "Die Stimmung ist gut." (anw)