Jetzt ĂĽbernimmt Elon Musk Twitter, Chefriege gefeuert
Elon Musk hält die gerichtliche Frist ein und kauft Twitter. Es ist eine Flucht nach vorne.​
Banken schicken Milliarden, Elon Musk trifft Mitarbeiter in Twitters Firmenzentrale, und die Börse NYSE hat die Twitter-Aktie für Freitag zur Aussetzung vom Handel vorgemerkt: Alle Zeichen stehen darauf, dass Musk diesen Freitag Twitter übernimmt. In einem Tweet, der an Twitters Werbekunden gerichtet ist, sprach Musk schon am Donnerstag in der Vergangenheitsform: Er habe Twitter gekauft.
Die Aktionäre bekommen 54,20 US-Dollar je Aktie, in Summe zirka 44 Milliarden Dollar. Außerdem muss Musk Nebenkosten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar tragen. Sein Versuch, aus dem im April hastig geschlossenen Übernahmevertrag auszusteigen, ist ebenso gescheitert, wie der Versuch, den Kaufpreis nachträglich zu drücken.
Chief Twit
Freitagabend läuft die von einem Gericht des US-Staates Delaware gesetzte Frist ab: Würde Musk nicht zahlen, käme es im November zu einem Prozess. Dann würde der Delaware Court of Chancery entscheiden, ob Musk den Kaufvertrag einhalten muss. Mit Zinsen und eventuell Schadenersatz könnte das für den Käufer dann noch teurer werden.
Musk, einer der reichsten Menschen der Welt, scheint sich mit seinem Kaufobjekt wieder angefreundet zu haben. Auf der Mikroblogging-Seite bezeichnet er sich selbst neuerdings als "Chief Twit", was übersetzt etwa "größter Schwachkopf" bedeutet. Natürlich ist das ein lustig gemeintes Wortspiel mit dem Firmennamen Twitter und den in Amerika üblichen "Chief ..."-Titeln für die höchsten Manager eines Unternehmens.
"FĂĽr die Zukunft der Zivilisation"
"Der Grund, warum ich Twitter gekauft habe, ist, dass es für die Zukunft der Zivilisation wichtig ist, eine gemeinsame digitale Plaza zu haben, auf dem eine große Breite an Ansichten in gesunder Manier diskutiert werden kann, ohne auf Gewalt zurückzugreifen", schrieb Musk am Donnerstag an die Werbekunden Twitters. "Es besteht derzeit die größere Gefahr, dass Soziale Netzwerke sich in ganz rechte und ganz linke Echokammern spalten, die mehr Hass und Spaltung in unserer Gesellschaft erzeugen."
Er habe Twitter nicht gekauft, um Geld zu verdienen, sondern "um der Menschheit, die ich liebe, zu helfen." Dabei bestehe das reale Risiko, zu scheitern. Twitter dürfe keine Höllenlandschaft werden, in der jeder alles ohne Konsequenzen sagen könne. Es seien nicht bloß die Gesetze zu befolgen, sondern Twitter müsse gemütlich und einladend für alle sein. User sollen sich aussuchen können, was sie auf Twitter sehen. Auch Erwachsenen vorbehaltene Inhalte sollen Platz haben.
Unternehmerisch wolle er Twitter zur "respektiertesten Werbeplattform der Welt" machen. Die Reklame solle möglichst genau auf die Interessen der Nutzer zugeschnitten werden: "Wenig relevante Werbung ist Spam, aber hochrelevante Werbung ist wirklich Inhalt!", glaubt Musk, der die Werbekunden auffordert, Twitter mit ihm gemeinsam zu etwas "außerordentlichem" zu machen.
Mit der Achterbahn zur Ăśbernahme
Im April hat Musk überraschend ein Angebot zur Übernahme Twitters gelegt und sich flott zum Kauf verpflichtet – ohne die im Vorfeld üblichen Prüfungen der Firma ("due diligence") durchzuführen. Unter anderem kündigte der Multimilliardär damals an, als Eigentümer das Spamproblem auf Twitter zu lösen.
Doch dann verlor Musk offenbar die Lust an dem Projekt. Zunächst versuchte er vergeblich, den Kaufpreis zu drücken, dann erklärte Musk den Rücktritt vom Twitter-Kaufvertrag. Dabei erhob er in erster Linie den Vorwurf, das Unternehmen habe inkorrekte Statistiken über unechte Profile und Spam verbreitet – dabei wollte Musk genau dieses Problem lösen. Am 12. Juli erhob Twitter Klage in Delaware, um die vereinbarte Übernahme zu erzwingen. Der Beklagte versuchte mehrfach, das Verfahren zu verschieben, womit sich das Gericht aber nicht anfreundete.
Noch vor dem Prozess musste Musk tagelang unter Eid aussagen. Den Prozess selbst kann er nun doch vermieden: Er vollzieht den Vertrag und kauft sich Twitter.
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Medienberichten zufolge hat Musks Ära bei Twitter mit mehreren Entlassungen von Führungspersonen begonnen. Gefeuert wurde dem Wall Street Journal zufolge der bisherige Firmenchef Parag Agrawal, der Finanzchef Ned Segal, Chefjustiziar Sean Edgett und die unter anderem für den Kampf gegen Hatespeech verantwortliche Vijaya Gadde. Über mehrere davon hatte er sich im Frühjahr öffentlich lustig gemacht.
Später twitterte Musk dann, "der Vogel ist befreit". Twitters Logo ist ein blauer Vogel – und der US-Milliardär hatte stets betont, die Plattform von aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit befreien zu wollen. Befürchtet wird aber, dass er damit Hassrede und Hetze Vorschub leisten könnte, gegen die Twitters Teams seit Jahren ankämpfen.
(ds)