CO2-Speicherung: Algenzucht ist auch keine Lösung – laut Studie

Eine riesige Fläche des Ozeans müssten für die Algenzucht genutzt werden, um die erforderlichen Ziele auch nur annähernd erreichen zu können.

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Große Hoffnungen werden bei der Erreichung der Klimaziele auf Algen gesetzt. Hier die Algenart Fucus serratus.

(Bild: Grubio--1 / cc by-sa 4.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams

Erhebliche Mengen an Kohlendioxid der Atmosphäre zu entziehen, ist unumgänglich, wenn man die schlimmsten Gefahren der globalen Erwärmung verhindern will – darin sind sich Experten einig. Deshalb rückte der Anbau von Algen in den letzten Jahren in den Fokus. Die Idee: Sie sollen CO₂ aus der Luft saugen und im Meer binden. Regierungen wie auch private Unternehmen wie Amazon sind darauf angesprungen und haben beträchtliche Summen an Finanzmitteln beigesteuert.

Doch wie so oft gibt es auch an diesem Plan einen Haken: Möglicherweise lassen sich gar nicht genügend Algen anbauen, um die Klimaziele zu erreichen. Das verdeutlicht eine Studie, die in "Nature Communications Earth & Environment" veröffentlicht wurde. Das Autoren-Team schätzt, dass etwa eine Million Quadratkilometer Ozean (etwa die dreifache Fläche von Deutschland) bewirtschaftet werden müssten, um im Laufe eines Jahres eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Angesichts der konkurrierenden Nutzungen entlang der Küsten, wie Schifffahrt und Fischerei, ist es nicht einfach, diese Fläche an Orten zu finden, an denen Algen leicht wachsen.

Zum Vergleich: Um die Klimaziele zu erreichen, müssten jedes Jahr zwischen 2,5 Milliarden und 13 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufgefangen werden, zusätzlich zu einer drastischen Reduzierung der Treibhausgasemissionen, schreiben die Autoren der Studie.

Verschiedene wissenschaftliche Modelle legen nahe, dass wir zwischen 1,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr und 29 Milliarden Tonnen bis 2050 entfernen sollten, um zu verhindern, dass die globale Erwärmung über 1,5 °C steigt.

"Die Industrie ist der Wissenschaft voraus", sagt Isabella Arzeno-Soltero, Postdoktorandin an der Stanford University, die an dem Projekt mitgearbeitet hat. "Unser unmittelbares Ziel war es herauszufinden, ob wir unter optimalen Bedingungen tatsächlich die Größenordnung der Kohlenstoffernte erreichen können, von der die Rede ist. Und die Antwort lautet: nein, nicht wirklich."

Seegras entzieht der Atmosphäre durch Photosynthese Kohlendioxid und bindet dann einen beträchtlichen Teil davon – möglicherweise für Jahrtausende – wenn die Pflanzenmasse schließlich in die Tiefen des Ozeans sinkt. Die Idee ist, dass die Masse angebaut und dann absichtlich versenkt werden könnte, um den Kohlenstoff lange genug zu binden. So solle der Druck auf das Klima verringert werden.

Arzeno-Soltero und ihre Kollegen von der Universität von Kalifornien, Irvine, schätzten mithilfe eines Softwaremodells, wie viele Algen von vier verschiedenen Arten in den Ozeanen der Welt angebaut werden könnten. Sie fokussierten sich dabei auf tropische Rotalgen, tropische Baunalgen sowie Rot- und Braunalgen der gemäßigten Zonen.

Das Modell berücksichtigte Faktoren wie die Nitrataufnahme der Algen (die für das Wachstum unerlässlich ist), die Wassertemperatur, die Intensität der Sonneneinstrahlung und die Wellenhöhe des Meeres, wobei globale Ozeandaten aus den vergangenen Jahren herangezogen und die derzeitigen Anbaumethoden berücksichtigt wurden. Die Forscher führten mehr als 1000 Wachstums- und Erntesimulationen für jede der Algenarten durch, die ihrer Meinung nach die "optimistischen Obergrenzen" für die Algenproduktion darstellen.

Die neuen Schätzungen gingen beispielsweise davon aus, dass in den produktivsten Gewässern für Algen im äquatorialen Pazifik, etwa 200 Seemeilen vor der Küste, genügend Anbauflächen gefunden werden können. An weniger produktiven Standorten wäre es noch schwieriger, genügend Algen anzubauen, um die Klimaziele zu erreichen: Es müsste dreimal so viel Fläche für den Algenanbau zur Verfügung stehen, um die gleiche Menge an Kohlenstoff zu binden.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Anbau von Algen zur Erreichung dieser Ziele die derzeitigen Kapazitäten der Industrie übersteigt, obwohl die Erreichung der Klimaziele weit mehr als nur die Verwendung von Algen erfordert.

Agnes Mols-Mortensen, eine Makroalgenbiologin, die auf den Färöer-Inseln Algen anbaut und nicht an dem Projekt beteiligt war, sagt, dass Unternehmen, die ihre Algenzuchtprojekte ausweiten wollen, auch bedenken sollten, wie sich dies auf das Ökosystem des Meeres auswirken könnte.

"Wir sollten aufpassen, dass wir den Ozean nicht genauso übermäßig ausbeuten wie das Land", sagt sie. "Wir müssen wirklich solide, auf Forschung basierende Methoden entwickeln, bevor wir davon träumen, den Planeten mit Algen zu retten. Es gibt eine Menge Hype."

(jle)