Android-Fall: Marathon-Anhörung zu Rekordstrafe gegen Google vor EU-Gericht
Am Montag startete vor dem Gericht der EU eine fünftägige Anhörung, in der sich Google gegen die 4,3 Milliarden Euro hohe Kartellrechtsstrafe wehren wird.
Fünf Tage lang wird sich die 6. Kammer des Gerichts der EU in Luxemburg unter dem Vorsitz der Präsidentin Anna Marcoulli in dieser Woche in einer mündlichen Anhörung mit der Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro beschäftigen, die die EU-Kommission im Juli 2018 gegen Google verhängte. In der Auseinandersetzung, die im April 2013 mit einer Kartellbeschwerde der Allianz Fairsearch startete, geht es im Kern um das mobile Betriebssystem Android und Googles Vorgaben an Gerätehersteller, die Android einsetzen.
Vorinstallierte Google-Suche
Camilla Kristensen, Sachbearbeiter des EU-Gerichts, eröffnete die teils live gestreamte Marathon-Anhörung am Montag mit allgemeinen Informationen zu dem sich seit Jahren hinziehenden Streit. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wirft darin Google und dem Mutterkonzern Alphabet vor, eine dominante Position im Sektor der Kommunikations- und Informationstechnologie missbraucht zu haben. Der US-Konzern soll Android dazu verwendet haben, die marktbeherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu festigen und Innovationen Dritter zu behindern.
Google-Chef Sundar Pichai betonte in einem Blogbeitrag kurz nach der EU-Entscheidung, dass "Android mehr Auswahl geschaffen hat, nicht weniger". Dies sei "gut für die Partner und für die Verbraucher." Die Entscheidung ignoriere die Tatsache, dass Android-Smarthpones hauptsächlich mit Apples iPhones mit iOS konkurrierten. Ferner hätten die Kartellwächter übersehen, wie viel Auswahl Android Tausenden von Telefonherstellern und Mobilfunknetzbetreibern sowie Millionen von App-Entwicklern auf der ganzen Welt biete. Google reichte daher fristgerecht Einspruch gegen den Beschluss der Kommission ein.
Beobachter gehen davon aus, dass Google die Kommission vor allem zu ihren Erkenntnissen über die Vorinstallation seiner Such- und Browser-Apps unter Druck setzen wird. Diese Debatte ist für Dienstag angesetzt. Smartphone-Produzenten wie Samsung und HTC kämen um Googles Play Store nicht herum, befand die Kommission. Indem der Konzern von den Partnern, die Zugang zu diesem App Store beantragten, die Vorinstallation aller Google-Apps inklusive der lukrativen Suchmaschine und dem Chrome-Browser verlange, schränke er die Optionen für Konkurrenten ein.
Keine Anreizzahlungen mehr
Die Brüsseler Regierungsinstitution zwang Google, diese Praxis einzustellen. Der Konzern darf Herstellern zudem keine finanziellen Anreize mehr gewähren, wenn sie ausschließlich die Google-Suche vorinstallieren. Zudem machte die Kommission den Weg frei für das Aufspielen alternativer Android-Versionen ("Forks") durch Handy-Produzenten.
Google dürfte dagegen halten, dass die Apps gebündelt würden, um die Kosten für die Entwicklung und Wartung seines als "Open Source" vermarkteten Betriebssystems zu tragen. Das kalifornische Unternehmen wird vermutlich darauf hinweisen, dass es im Gegensatz zum früheren Kartellstreit über Microsofts Media Player mittlerweile einfacher sei, alternative Apps herunterzuladen. Der Wettbewerb bei Mobiltelefonen sei viel größer als auf einem Desktop-Rechner. Verbraucherschützern zufolge bleiben Nutzer aber meist bei vorinstallierten Programmen.
Unterstützt wird die Kommission in dem Fall (Az.: T-604/18) vom europäischen Dachverband der Verbraucherschutzorganisationen BEUC, den deutschen Verlegerverbänden BDZV und VDZ, dem ursprünglich aktiv gewordenen Bündnis Fairsearch sowie den Suchmaschinenherstellern Qwant und Seznam. "Google hat das Aufkommen des Mobilfunks als Bedrohung seines Suchmonopols wahrgenommen und verschiedene wettbewerbswidrige Maßnahmen ergriffen, um auch die Kontrolle über die mobile Suche zu erlangen", betonte Thomas Vinje, Anwalt bei Clifford Chance, der vor Gericht im Namen von Fairsearch Partei ergreifen wird. Der Organisation gehören Firmen wie Nokia, Microsoft, Oracle und Tripadvisor an.
Langwieriges Verfahren
Mit einem Urteil ist in einer Zeitspanne zwischen drei und 14 Monaten zu rechnen, falls die Kammer nicht noch schriftliche Klarstellungen verlangt. Beide Seiten könnten im Anschluss in Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Kartell-Entscheidung der Kommission wird die Geldstrafe als Banksicherheit hinterlegt und gilt so als bezahlt. In den EU-Haushalt könnte sie erst im Anschluss einfließen, wenn die Richter die Auflagen mittragen.
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Das Kräftemessen vor dem Gericht findet sechs Wochen vor der Verkündung eines Urteils über Vestagers erste Google-Entscheidung statt, laut der das Unternehmen eine Geldstrafe von 2,42 Milliarden Euro zahlen soll, weil es seinen eigenen Shopping-Vergleichsdienst gegenüber anderen Anbietern bevorzugt hatte. Im Juni leitete die Kommission eine weitere große Untersuchung ein, bei der es um die Werbedienste von Google geht.
(olb)