Angriff der Nerv-Pop-Ups: "Klicken Sie auf OK, um Ihren Preis zu erhalten"

Seite 2: In der Direktmarketing-Falle

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Ein lukratives Geschäft: Unternehmen zahlen für solche Werbeeinwilligungen zwischen wenigen Cent bis zu mehreren Euro. Der Aufwand für die Betreiber ist hingegen überschaubar. Statt den in der Werbung versprochenen Sofortgewinnen werden hier Preise eher in Jahresfrist vergeben. Der Einsendeschluss für einen auf getyour-gift.de aktuell beworbenen Amazon-Gutschein über 250 euro ist zum Beispiel der 31. Dezember, das auf smartphone-prize.de ausgelobte iPhone 7 soll gar erst im März 2018 ausgelost werden.

Auf Anfrage von heise online zeigten sich zwei Betreiber von einer Werbewelle für die eigenen Angebote überrascht. "Der Verursacher wird von uns identifiziert und unverzüglich aufgefordert, die Bewerbung und die Verlinkung auf Gewinnspiele der Whitehouse Marketing zu unterlassen", schreibt zum Beispiel die Firma Whitehouse Marketing, die getyour-gift.de betreibt.

Auch die Mainzer Firma Lead Spot Media, die hinter der Website smartphone-prize.de steht, bestreitet jede Kenntnis. Man lasse die Website durch Affiliate-Netzwerke bewerben, die gegen Provision Besucher auf die Seite lenken, erklärte Geschäftsführer Dennis Sauer telefonisch gegenüber heise online. Nun wolle sich die Firma bemühen, die Urheber der Werbekampagne zu identifizieren, die gegen die Werberichtlinien seiner Firma verstoße.

Wie kommt die Nerv-Werbung überhaupt auf reputable Websites, die kein Interesse daran haben, dass ihre Nutzer auf zwielichtige Gewinnspiele umgeleitet werden? Die unbekannten Verursacher der Pop-Ups machen sich die Gegebenheiten des derzeitigen Werbemarktes zu Nutze. So floriert derzeit das programmatische Advertising, bei dem Werbetreibende auf Echtzeit-Marktplätzen nicht mehr Werbeplätze auf bestimmten Webseiten kaufen, sondern sich direkt an bestimmte Zielgruppen wenden.

Ruft beispielsweise eine 25-jährige Frau mit Vorliebe für Videospiele eine Website auf, wird andere Werbung ausgespielt als bei einem 58-jährigen Gartenbau-Enthusiasten. Möglich machen das weit verbreitete Werbenetzwerke, die haarklein die Surf-Historie und andere Daten erfassen, um Nutzer in vermarktbare Kategorien zu sortieren. Der Werbetreibende weiß so nicht mehr im Einzelnen, auf welchen Websites er wirbt. Er bezahlt dafür, seine Zielgruppe zu erreichen – wo immer sie grade surfen mag.

Auch Website-Betreiber haben so weniger Kontrolle darüber, welche Werbung auf ihren Websites ausgespielt wird. Folgerichtig geben sich betroffene Verlage auf Anfrage von heise online sehr einsilbig, was die Nerv-Pop-Ups betrifft: Man habe die Kampagne den technischen Dienstleistern gemeldet, heißt es unisono. Mehr Informationen gibt es aber kaum.

"Wir wollen natürlich nicht, dass unsere Leser mit unseriösen Angeboten konfrontiert werden und ergreifen alle Maßnahmen, um dies zu unterbinden", sagt zum Beispiel ein Sprecher der Madsack Mediengruppe, zu der die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" gehört. "Wir beobachten, dass mit viel krimineller Energie versucht wird, unseriöse Inhalte über das Google-Netzwerk zu verbreiten", beklagt der Sprecher. Ob die Gewinn-Pop-Ups in Frage tatsächlich über Googles Werbenetzwerke eingespielt wurden, wie es der Text einzelner Pop-Ups nahelegt, wollte er jedoch nicht bestätigen. Google selbst verweigerte auf Anfrage von heise online jeden Kommentar zu spezifischen Werbekampagnen.

Etwas auskunftsfreudiger sind Betreiber kleinerer Websites. Zum Beispiel hat die Tech-Webseite Computerbase.de Anfang Juli kurzerhand einen Großteil der Werbeauslieferungen gestoppt, nachdem die Pop-Ups für Leserbeschwerden gesorgt hatten. In Zusammenarbeit mit dem Vermarkter HiMedia konnte der Betreiber das Problem jedoch schnell beheben.

Gegenüber heise online berichtet Julia Wollering von HiMedia von den Tricks der Auftraggeber. So überprüfe der Vermarkter zwar alle Werbemittel, die auf den betreuten Websites auftauchen sollen. "Allerdings werden in solchen Fällen vereinzelt unzulässige Methoden angewandt, bei denen sich hinter sogenannten Redirects am Ende andere Werbemittel verstecken als angegeben." Nachdem die Werbekampagne bereits läuft, tauschen die Urheber also Skripte und Inhalte aus. Was vorher wie eine harmlose Bannerwerbung aussah, ist plötzlich eine Umleitung auf eine aggressive Werbe-Website.

HiMedia konnte nach kurzer Suche den verantwortlichen Account ausfindig machen und deaktivieren. Neue Nerv-Pop-Ups sind seither nicht mehr aufgetreten. Allerdings haben die Urheber Auswahl unter genug anderen Websites und Vermarktern – oder können Namen und URL wechseln. So tauchten die Nerv-Pop-Ups erst am vergangenen Wochenende zum Beispiel auf den Websites der Nachrichtenagenturen Reuters und APNews auf.