Arbeitgeber: Recht auf Homeoffice als "Spaltpilz" für die Belegschaft​

Bei einer Anhörung im Bundestag lehnen Arbeitgeberverbände einen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten entschieden ab, Gewerkschaftler trommelten dafür.

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(Bild: Jelena Zelen/shutterstock.com)

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Bei einer Anhörung zum Recht auf Homeoffice im Bundestag prallten am Montag Arbeitgeber und Gewerkschafter argumentativ frontal aufeinander. Ein Anspruch auf mobiles Arbeiten sei verfehlt und gehe ins Leere, beklagte Roland Wolf, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Gewerkschaftsseite wollte dagegen nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie reden.

Zu Hause oder von unterwegs zu arbeiten sei zwar der "Wunsch beider Seiten" und der "konkreten Lage" während der Corona-Pandemie geschuldet, räumte Wolf ein. Ein Rechtsanspruch darauf würde aber "zu einem völlig falschen Verständnis führen" und "die Belegschaft spalten". Ein solcher "Spaltpilz" würde schon deswegen zu Verwerfungen führen, da manche Tätigkeiten "objektiv nicht vom Homeoffice aus durchzuführen" seien.

Für problematisch hält der BDA-Juristen das Vorhaben auch, weil wohl niemand "Eignungs- und Charaktereigenschaften" der Mitarbeiter in ein solches Gesetz aufnehmen wolle. Zudem könnten Arbeitsschutzmaßnahmen nicht kontrolliert werden. Auch Arbeitnehmer wollten es nicht, dass ständig Aufpasser in ihre persönlichsten Bereiche eindrängen. Daher sei es wichtig, nicht von gesetzlich bereits streng geregelter Telearbeit zu sprechen, da bei dieser Räumlichkeiten begangen und überwacht werden müssten.

Wolf warb zugleich im Sinne eines FDP-Antrags zu orts- und zeitflexiblem Arbeiten dafür, anstelle einer werktäglichen eine identische wöchentliche Höchstarbeitszeit festzulegen. Dies helfe, die Vorgaben "weiter zu entzerren" und eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatleben zu schaffen. "Wir brauchen ein flexibles Arbeitszeitsregime", schlug Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in die gleiche Kerbe.

Ein Recht auf Homeoffice sei richtig, dieses funktioniere aber schon auf freiwilliger Basis gut, ergänzte der Münchner Rechtswissenschaftler Richard Giesen. Er sei gegen eine symbolische Gesetzgebung, bei der niemand wisse, was an Mitbestimmungsrechten tatsächlich dazukomme. Davon würden nur die Gerichte überlastet. Der Professor meinte zudem, dass die Beschäftigten teils selbst für die Sicherheit im Homeoffice verantwortlich seien. Sie benötigen aber Hilfe, um Risiken etwa bei der Ergonomie oder für soziale Isolation zu reduzieren.

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"Wir brauchen einen gesetzlichen Rechtsanspruch", hielt Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) dagegen. Nur damit wären "willkürliche Ablehnungen" von Anträgen auf mobiles Arbeiten nicht mehr möglich. Ein Arbeitgeber könnte aber nach wie ablehnen, wenn Homeoffice aus betrieblichen Gründen nicht funktioniere. Zugleich sei es über entsprechende Regeln durchaus machbar, "diverse Interessen innerhalb der Belegschaft auszubalancieren".

Einig waren sich beide Seiten nur, dass es keinen Zwang zum Homeoffice geben dürfe. Mit dem vom Bundestag jüngst beschlossenen neuen Infektionsschutzgesetz werden Arbeitnehmer indes erstmals verpflichtet, temporär in ihrer Wohnung zu arbeiten, falls ihr Arbeitgeber ihnen das anbietet. Auch sonst sieht Böning die Freiwilligkeit bedroht, da bereits mindestens die Hälfte der Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern "erhebliche Anpassungen" ihrer Bürobestände planten.

Die DGB-Rechtsexpertin mahnte, dass gerade mit mehr Homeoffice ein "System der lückenlosen Zeiterfassung" nötig sei. Höchstarbeitszeiten hätten ihre Berechtigung und sollten auf keinen Fall aufgeweicht werden, betonte Elke Ahlers, Leiterin des Referats "Qualität der Arbeit" beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung. "Ruhezeiten und Erholung sind Eckpfeiler in einer digitalen und flexiblen Arbeitswelt." Dies gelte für jeden einzelnen Tag, warnte sie davor, auf eine wöchentliche Zählweise "umzuswitchen".

Beim Arbeiten von zu Hause aus fehle die räumliche Trennung von Beruf und Privatleben, gab Ahlers aber auch zu bedenken: "Die Gefahr der Entgrenzung ist besonders hoch." Dies führe oft zu Schlafproblemen, psychischer Erschöpfung sowie Depressionen und könnte in einen Burnout münden. Ein alternierender Ansatz, wie ihn Linke und Grüne in ihren Anträgen empfehlen, habe daher "die meisten Vorteile für alle". Der betriebliche Arbeitsplatz müsse so bestehen bleiben. Die Beschäftigte sollten mitentscheiden können, ob, wann und wie lange "sie im Homeoffice arbeiten möchten".

Ein Rechtsanspruch sorge für "Legitimität und Normalität" des mobilen Arbeitens, führte Yvonne Lott, Leiterin des Referats Geschlechterforschung am WSI, aus. Bisher seien untere und mittlere Positionen lange von Homeoffice-Angeboten ausgeschlossen gewesen, auch Frauen ethnische Minderheiten hätten weniger Zugang dazu gehabt. Dabei könne diese Arbeitsform prinzipiell die Work-Life-Balance, die Arbeitszufriedenheit und die Produktivität erhöhen. Eine Mitbestimmung über die zuhause zu erledigende Arbeitsmenge sei aber "definitiv sinnvoll". Damit wäre "letztlich der gesamten Gesellschaft" gedient.

"Es gibt auch ein Recht auf einen Arbeitsplatz im Betrieb", hob der Arbeitswissenschaftler Peter Krauss-Hoffmann hervor. Firmen riet er, gegebenenfalls "Desksharing-Modelle" einzuführen. Großen Wert legte er auf den Wert der Erholung, die bereits vorgegebenen elf Stunden Ruhezeit und das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit: E-Mails oder Anrufe könnten das Abschalten erschweren und zu Stress beitragen: "Allein die Erwartung, erreichbar zu sein, geht teilweise schon mit Beeinträchtigungen einher."

Ob die große Koalition sich in dieser Legislaturperiode noch auf ein Gesetz einigen kann, ist ungewiss. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versucht schon seit rund zwei Jahren, einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gesetzlich zu verankern. Bislang scheiterte sein Vorhaben am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(vbr)