Solares Turmkraftwerk mit 11 Turbinen

Ein neues Konzept für solare Aufwindkraftwerke nutzt auch den Abwind zur Stromerzeugung. Doch der Ansatz enthält noch Ungereimtheiten.

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Die Animation des Turmkraftwerks von EnviroMission, das mit seinem Konzept für einen 24/7-Betrieb wirbt. Doch Forscher der Qatar University und der jordanischen Al Hussein Technical University haben sich nun ein neues Konzept erdacht.

(Bild: EnvironMission / Screenshot)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Von einem Siegeszug solarer Aufwindkraftwerke können Ingenieure bisher nur träumen. Dabei punkten diese Kraftwerke mit einem besonders einfachen Konzept: Luft wird unter einem großflächigen Glasdach durch die Sonne erwärmt, steigt wegen der geringeren Dichte in einem hohen Schornstein gen Himmel und bringt dabei eine Turbine zum Rotieren, die wiederum über einen Generator Strom erzeugt.

Die Idee ist schon 120 Jahre alt und in den 1980ern zeigte eine deutsche Demonstrationsanlage in Spanien, dass sie auch funktioniert. Doch bisher hat es nur ein Exemplar in den kommerziellen Betrieb geschafft, in der Inneren Mongolei nahe des chinesischen Wuhai.

Forscher der Qatar University und der jordanischen Al Hussein Technical University wollen den Aufwindraftwerken nun mit einer Art Doppelwumms zum Durchbruch verhelfen. Kürzlich präsentierten sie im Fachblatt Energy Reports ein Konzept für eine Anlage, die nicht nur das Aufsteigen erwärmter Luft in elektrische Energie umwandelt, sondern auch das Herabfallen kalter, feuchter Luft.

Das neue Konzept, das die Forscher Twin-Technology Solar System (TTSS) getauft haben, soll die Effizienz der Kraftwerke mehr als verdoppeln können. Im Kern ist es genauso aufgebaut wie ein klassisches Aufwindkraftwerk. Ein 200 Meter hoher, zehn Meter dicker Turm ist umgeben von einem Kollektordach, das sechs Meter über dem Boden und zum Turm hin ansteigend installiert sind und die erwärmte Luft zur Turbine im Turm dirigieren.

Der Clou: Um den Aufwindschlot herum ist ein Betonmantel geplant, eine Art zweiter Turm, unterteilt in zehn Kammern, die im unteren Teil mit je einer Turbine bestückt sind. Angetrieben werden diese von Luft, die oben am Turm mit Wasser besprüht wird und kalt und schwer nach unten fällt. Das funktioniere auch in der Nacht, sodass ein kontinuierlicher Betrieb möglich sei, schreiben die Forscher.

Der Aufbau des neuen Turmkraftwerks: a.) Querschnitt des Twin-Technology Solar Systems, b.) 3-dimensionale Ansicht des Turm-in-Turms mit seinen Kammern.

(Bild: Emad Abdelsalam, Fares Almomani, Shadwa Ibrahim / Energy Reports)

Die Effizienz des Abwindsystems hängt allerdings vom Wetter ab. Feuchte Luft und kalte Temperaturen zum Beispiel sind laut der Studie eher kontraproduktiv. In der Hauptstadt Saudi-Arabiens Riad etwa könnte es den Berechnungen zufolge in typischen Wintermonaten sogar komplett ausfallen. Diesen Malus macht es aber im Sommer wieder wett und erzeugt über das ganze Jahr betrachtet mehr elektrische Energie als der Aufwindturm.

Der elektrische Output eines reinen Aufwindkraftwerks lasse sich durch die Abwindkomponente mehr als verdoppeln, schreiben die Forscher. Insgesamt kämen gut 750.000 Kilowattstunden pro Jahr zusammen. Genug Energie, um damit den Elektrizitätsbedarf von etwa 200 Zwei-Personen-Haushalten zu decken. Dennoch räumt das Team Nachteile ihres Konzepts ein, etwa der Wasserbedarf und der wetterbedingt mögliche Leistungsabfall des Abwindsystems.

Hans-Jürgen Niemann, emeritierter Professor der Ruhr-Universität Bochum, der die neue Idee im Grunde "pfiffig" findet, ist noch aus einem anderen Grunde skeptisch. "Das Wasser muss zur Turmspitze hochgepumpt werden und es gibt Energieverluste im Turm durch Reibung und auch in der Turbine. Da ist noch unklar, wie die Energiebilanz am Ende wirklich ausfällt." Niemann forscht selber schon seit zig Jahren an Aufwindkraftwerken. Sein Team an der Ruhr-Universität berechnet unter anderem neue, sich nach oben weitende, konische Turmformen, um die Effizienz der Anlagen zu steigern.

Den propagierten Vorteil des Abwind-Konzepts, es mache das Kraftwerk grundlasttauglich, lässt der Ingenieur nur bedingt gelten. "Das haben wir mit den reinen Aufwindkraftwerken auch schon hinbekommen", betont er. Schließlich speichere der Boden unter dem Glasdach die Wärme bis in die Nacht hinein, sodass auch dann noch warme Luft in den Turm ströme, wenn die Sonne schon untergegangen sei. Oder man nutzt einen Kniff. "Am besten funktioniert die Wärmespeicherung mit wassergefüllten schwarzen Kunststoffkissen, die auf den Boden gelegt werden", so der Wissenschaftler. Auch das australische Unternehmen EnviroMission, das bereits Aufwindraftwerke für verschiedene Standorte weltweit geplant hat, wirbt mit einem 24/7-Betrieb. Bisher wurde aber noch keines seiner Projekte in die Tat umgesetzt.

Als größte Hemmschuhe für den Bau von Aufwindkraftwerken gelten die hohen Investitionskosten und der Flächenbedarf. Um Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern, wurden in der Vergangenheit verschiedene Strategien ins Spiel gebracht, etwa die Turmhöhen auf bis zu 1000 Meter zu steigern und die Glasdächer auf mehrere Quadratkilometer auszudehnen oder – um Fläche zu sparen – effizientere Kollektorsysteme zu nutzen. Auch Konzepte für Kombinationen mit Photovoltaik und Systemen zur Meerwasserentsalzung wurden in der Fachliteratur vorgestellt.

Vor 15 Jahren schrieben Niemann und seine Kollegen in einem Magazin der Ruhr-Universität zum Thema solare Aufwindkraftwerke: "Wie riesige Schornsteine könnten sie einmal – etwa in Wüstenregionen – in den Himmel ragen und die Welt quasi zum Nulltarif mit elektrischer Energie versorgen." Aus Sicht des Ingenieurs ist die Verwirklichung dieser Vision noch immer erstrebenswert. Ob ein Aufwindkraftwerk mit Abwindturm dabei helfen kann, bleibt abzuwarten.

(anh)