Auswanderer: Die Besten verlassen Deutschland

Seite 2: Braindrain – ja oder nein?

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Für Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel liegt dagegen ganz klar ein Braindrain vor, weil "wir in zehn Jahren eine halbe Million Leistungsträger verlieren". Für eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die stark auf gut ausgebildete Menschen angewiesen ist, sei das keine gute Nachricht. "Ausländische Einwanderer können das Minus nicht komplett ausgleichen, weil sie oft nicht ausreichend qualifiziert sind, es sprachliche und kulturelle Barrieren gibt, und sie vor allem selber häufig nach kurzem Aufenthalt wieder in ihre Heimatländer zurückgehen", sagt Felbermayr. Das gelte vor allem für Hochqualifizierte.

Die verlassen seiner Meinung nach Deutschland, weil in der Schweiz oder in den USA die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten besser sind. "Im internationalen Wettbewerb um Spitzenkräfte spielen Nettolöhne und damit Steuern und Sozialabgaben eine wesentliche Rolle", sagt Felbermayr. Hohe Steuern würden zwar vieles ermöglichen, etwa eine gute Infrastruktur, aber Deutschland eben auch unattraktiv für Leistungsträger machen. Umgekehrt wird der Standort genau für jene Migranten attraktiv, die im unteren Lohnsegment tätig werden.

Für Felbermayr muss Deutschland attraktiver werden, damit hochqualifizierte Zuwanderer aus anderen Industrieländern wie der Schweiz oder den USA kommen. "Dies könnte zum Beispiel durch steuerliche Vorteile in den Anfangsjahren erfolgen, wie das in Skandinavien der Fall ist." In Deutschland sind Steuern und Abgaben hoch, Nettolöhne für Hochqualifizierte im Vergleich zu anderen Ländern aber relativ gering.
Gegen die sogenannte Brain-Circulation hat Felbermayr nichts einzuwenden, "im Gegenteil, der laufende Austausch von Arbeitskräften ist höchst sinnvoll". Was uns zu denken geben solle, sei der Aderlass an hochqualifizierten Fachkräften.

Werden Zuzug und Abwanderung gegeneinander aufgerechnet, ist laut Statistischem Bundesamt die Bevölkerung Deutschlands 2018 um rund 400.000 Einwohner gewachsen. 1,2 Millionen Menschen gingen ins Ausland, 1,6 Millionen kam nach Deutschland, 90 Prozent der Zuwanderer hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft. Derzeit arbeiteten zugewanderte Migranten vergleichsweise häufig in Hilfspositionen. Anstellungen als Fachkraft oder Spezialistin sind laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge seltener.

Um mehr Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen, ist deshalb zum 1. März ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten. Als Fachkräfte gelten sowohl Akademiker mit einem in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss als auch Arbeitskräfte mit einer qualifizierten, in Deutschland anerkannten Berufsausbildung. Nach Schätzung der Bundesregierung werden durch die neuen Regeln pro Jahr etwa 25.000 Fachkräfte zusätzlich nach Deutschland kommen. Bisher prüfte die Bundesagentur für Arbeit, ob es für eine Stelle passende Bewerber aus Deutschland oder der EU gibt, bevor ein Unternehmen eine Fachkraft aus einem anderen Land einstellen durfte. Diese Vorrangprüfung entfällt nun.

Da IT-Spezialisten besonders begehrt sind, gibt es für sie eine Sonderregelung: Sie dürfen auch ohne Ausbildung einreisen – vorausgesetzt, sie können nachweisen, dass sie im Ausland schon mindestens drei Jahre in der IT gearbeitet und ein Gehalt von mindestens 4020 Euro monatlich haben.
Ob das neue Gesetzt bringt, was es soll, wird die Zeit zeigen. (mho)