Bandenkriminalität: Schweden nimmt Social-Media-Plattformen in die Pflicht

Nach einer Gewaltwelle im Sommer erwägt Schweden eine Altersgrenze für soziale Medien, um die Rekrutierung junger Menschen durch kriminelle Banden zu stoppen.

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Kinder am Smartphone

(Bild: TommyStockProject/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Die schwedische Regierung erwägt, Altersbeschränkungen für Social-Media-Plattformen einzuführen, wenn die Tech-Konzerne nicht in der Lage sind, zu verhindern, dass kriminelle Banden Kinder und Jugendliche für ihre Zwecke online rekrutieren. Das berichtete am Montag die Nachrichtenagentur Reuters. In Schweden hat die Bandenkriminalität in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das nordeuropäische Land verzeichnet laut Reuters heute die meisten tödlichen Schießereien pro Kopf in Europa.

Nach Angaben der schwedischen Polizei hat das organisierte Verbrechen in den letzten zwei Jahren damit begonnen, Social-Media-Plattformen zu nutzen, um zum Teil Teenager für Morde und Bombenanschläge zu rekrutieren. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden demnach in Schweden 93 Jugendliche unter 15 Jahren verdächtigt, an der Planung von Morden beteiligt gewesen zu sein. Die sozialen Netzwerke "sind Orte, an denen Kinder und Jugendliche sehr präsent sind. Offensichtlich halten sich dort auch die Kriminellen auf, um junge Menschen anzulocken und sie dann in verschlüsselte Kanäle zu locken”, sagte Schwedens Justizminister Gunnar Strömmer nach einem Treffen zwischen den skandinavischen Justizministern und Vertretern von Google, Meta, Snapchat und Tiktok am Montag in Kopenhagen gegenüber der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter. Er bezeichnete die Situation als "ernst". Man werde die Maßnahmen anderer Länder prüfen und schauen, was für Schweden das Beste sei, so der Minister.

Als erstes Land der Welt hat Australien Kinder von Social Media verbannt. Das australische Parlament beschloss Ende November im Eilverfahren ein Social-Media-Verbot für alle unter 16-Jährigen. Tech-Konzerne, aber auch Kinderschutz- und Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Schritt. Zunächst läuft eine einjährige Testphase, in der die Tech-Unternehmen Systeme zur Altersverifikation erproben. Mitte 2025 sollen die Ergebnisse ausgewertet werden.

Die neuen Vorgaben sind in keinem anderen demokratischen Land auf der Welt so streng wie in Australien. Auch Großbritannien plant eine Altersgrenze von 16 Jahren bei der Nutzung von Social Media. In Frankreich wurde im vergangenen Jahr ein Social-Media-Verbot für Kinder unter 15 Jahren verabschiedet, das allerdings mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten umgangen werden kann. Und als erster US-Bundesstaat sperrt Florida alle unter 14-Jährigen aus den sozialen Netzwerken aus. Andere US-Bundesstaaten erlauben die Nutzung nur mit Einwilligung der Erziehungsberechtigten. Auch in Deutschland wird ein Social-Media-Bann für Kinder und Jugendliche diskutiert. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ), früher Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, später jugendgefährdende Medien, spricht sich allerdings klar gegen ein pauschales Verbot aus.

Bei dem Treffen am Montag legten laut Dagens Nyheter mehrere der Tech-Unternehmen den skandinavischen Justizministern einen Aktionsplan vor. Dieser sieht unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Polizei vor. "Gleichzeitig müssen die Plattformen bei der Prüfung von Inhalten proaktiv vorgehen", forderte Strömmer. "Sie müssen sowohl KI-Tools einsetzen (…), als auch viele manuelle Überprüfungen vornehmen, um Inhalte, die mit diesen kriminellen Akteuren in Verbindung stehen, qualitativ zu identifizieren und zu entfernen." Die Minister ermahnten die Social-Media-Plattformen außerdem, die Algorithmen, die die Anzeige von Content steuern, besser zu kontrollieren und zu ändern, damit Kinder und Jugendliche nicht mit bandenbezogenen Inhalten überschwemmt werden. Die Tech-Unternehmen sollten nicht nur kriminelles Material von ihren Plattformen verbannen, sondern auch Material, das "einen kriminellen Lebensstil propagiert".

Vertreter von Telegram und Signal waren ebenfalls zu dem Treffen eingeladen, haben aber laut Strömmer "nicht einmal geantwortet". Die Vertreter von TikTok, Meta, Google und Snapchat dagegen hätten die Zusage gegeben, so Schwedens Justizminister, "dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um die nordischen kriminellen Netzwerke von den Plattformen zu entfernen". Sein dänischer Amtskollege Peter Hummelgaard Thomsen dagegen zeigte sich gegenüber Dagens Nyheter skeptischer. Ein Handschlag sei nicht dasselbe wie konkrete Maßnahmen, so Hummelgaard.

(akn)