Bertelsmann gewinnt beim Lycos/Terra-Deal

Hintergrund: Der deutsche Medienriese ist der eigentliche Profiteur nach der Übernahme von Lycos durch den spanischen Internet-Anbieter.

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Von
  • Jürgen Kuri

Hintergrund: Während Lycos und Terra von den Börsianern nach der Bekanntgabe der Übernahme des Internet-Portals durch die spanische Internet-Firma abgestraft wurden, erscheint der deutsche Medienkonzern Bertelsmann als der eigentliche Gewinner des Deals.

Einige Investment-Firmen setzten ihre Beurteilung des Lycos-Papiers von "buy" auf "hold" zurück; der Kurs brach daraufhin um mehr als 20 Prozent ein. Grund für die pessimistische Beurteilung sind Sorgen, die beiden Firmen hätten Schwierigkeiten, tatsächlich zu einem gemeinsamen Unternehmen zusammenzuwachsen. Auch der Kurs der Aktie von Terra Networks in Madrid gab gestern nach: Einige Beobachter sind der Ansicht, der Preis von 12,5 Milliarden US-Dollar, den die Spanier für Lycos bezahlen, sei viel zu hoch. Schließlich bedeutet dies einen Aufschlag von rund 50 Prozent gegenüber dem Lycos-Börsenwert vor der Bekanntgabe der Übernahme. Immerhin, langfristig sehen die meisten Börsianer halbwegs gute Chancen für den neuen Internet-Konzern – allerdings würde sich diese Einschätzung im Aktienkurs erst wiederspiegeln, wenn die Einzelheiten ausgehandelt und die Übernahme im Herbst abgeschlossen sei.

Lachender Dritter

Anders sieht die Situation für Bertelsmann aus. Der größte Medienkonzern Europas ist der lachende Dritte beim Terra/Lycos-Deal. Schon mit 27 Prozent an Lycos Europe beteiligt, wird er nun zum "strategischen Partner" für Inhaltsangebote und E-Commerce des neuen Internet-Riesen. Die Übernahme hat dem Bertelsmann-Konzern auf einen Schlag den großen lateinamerikanischen und iberischen Markt geöffnet. Bertelsmann gewinne dadurch Millionen Internet-Kunden für seine Angebote, kommentierte der Gütersloher Medienkonzern am Mittwoch.

Immerhin ist Terra/Lycos nach Abschluss der Fusion das drittgrößte Internet-Unternehmen der Welt. Terra Lycos hat 60 Millionen Kunden in 37 Ländern und wird nach spanischen Angaben nur von AOL und Yahoo übertroffen. Bertelsmann und Telefonica, eines der größten Telekom-Unternehmen Europas und Muttergesellschaft von Terra Networks, wollen über die nächsten fünf Jahre hinweg Geschäfte im Werte von einer Milliarde Dollar abwickeln. Terra verspricht sich von der Fusion einen besseren Zugang zum US-Markt samt den 30 Millionen Spanisch sprechenden Bewohnern der USA. Lycos kann im Gegenzug auf den riesigen lateinamerikanischen Markt vordringen – und für all diese Vorhaben soll Bertelsmann die Inhalte und E-Commerce-Angebote liefern.

So wollen Bertelsmann und Telefonica unter anderem die Spanisch und Portugiesisch sprechenden Märkte in Europa und Lateinamerika mit einer Gesellschaft erschließen, an der Bertelsmann zu drei Vierteln und Terra Lycos zu einem Viertel beteiligt sein sollen. Diese Unternehmungen werden als Teil von BOL operieren, des Online-Medienshops von Bertelsmann. Konzern-Chef Thomas Middelhoff wird angesichts dieser Pläne nicht müde zu betonen, Bertelsmann verfolge "weiterhin seine Strategie, den Focus auf E-Commerce zu richten und den Transport seiner vielfältigen Medieninhalte über alle Kommunikationsmittel zu sichern". Schon nach dem Ausstieg aus AOL Europe erklärte Middelhoff, das Betreiben eines Online-Diensts sei kein zentraler Geschäftsbereich des Mediengiganten; es käme vielmehr darauf an, seine Inhalte über möglichst viele Kanäle verbreiten zu können. "Wir haben den Wein und müssen nicht auch noch die Schläuche besitzen", hieß es damals in Gütersloh.

Content is King

Telefonica-Chef Juan Villalonga jedenfalls freut sich, dämpft der Deal mit Lycos doch die Kritik am seinem Kurs. Villalonga geriet unter Beschuss, nachdem die geplante Fusion mit dem niederländischen Telekom-Konzern KPN gescheitert war. Und Bertelsmann scheint bei Villalonga einen Stein im Brett zu haben: "Die Kombination von Terra und Lycos, unterstützt durch die strategische Beziehung zu Telefonica und Bertelsmann, schafft einen globalen Internetanbieter von bislang nicht da gewesenem Ausmaß", erklärte er in Madrid. Auch für Villalonga heißt das Zauberwort offensichtlich nicht Internet-Zugang, sondern Content.

Und davon hat der deutsche Medienriese einiges zu bieten: Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, Fachpublikationen, Musik, Film und Fernsehen. Alles zusammen summierte sich im vergangenen Geschäftsjahr auf ein Volumen von mehr als 25 Milliarden Mark. Das sei die Basis der Geschäfte im Internet, betont Pressesprecher Oliver Herrgesell: "Content und E-Commerce sind die zwei Säulen, auf denen unser Multimedia-Geschäft fußt". Das Netz der Netze wird nicht als Teil- oder Randaktivität gesehen, sondern soll zu einem Katalysator für alle angestammten Geschäfte werden. Durch die Zusammenarbeit mit Terra/Lycos und Telefonica sind die Gütersloher diesem Ziel ein gutes Stück näher gekommen. (jk)