Mal wieder: Bildschirmzeit von iOS und iPadOS 17 lässt sich leicht austricksen

Mit einer Bedienungshilfe-Funktion auf dem iPhone hebeln Kinder limitierte Nutzungszeiten aus, um etwa Social-Media-Apps und Spiele unbegrenzt zu konsumieren.

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Kind schaut im Dunkeln auf ein beleuchtetes Display

(Bild: Daniel Jedzura/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eltern, die die App-Nutzung Ihrer Zöglinge mit der Betriebssystemfunktion "Bildschirmzeit" beschränken wollen, können sich seit iOS 17 und iPadOS 17 nicht darauf verlassen, dass diese App-Limits auch tatsächlich greifen. Zwar fanden kreative Kids in der Vergangenheit schon häufiger Tricks zur Umgehung der Kindersicherungsfunktionen. Doch dieses Mal macht es Apple Kindern besonders leicht.

Erziehungsberechtigte sollte sich folgenden Tricks bewusst sein. Er basiert auf die mit iOS 17 und iPadOS 17 eingeführte Bedienungshilfe "Unterstützender Zugriff". Diese Funktion ist eigentlich dazu gedacht, um das Interface des Geräts wesentlich einfacher zu gestalten. App-Icons sind dabei deutlich größer, es gibt weder Kontrollzentrum noch Mitteilungen und ein deutlich sichtbarer Zurück-Button ersetzt die Wischgeste für den Homescreen. Auch einige Apps wie Kamera, Telefon oder Nachrichten verhalten sich gänzlich anders.

Die Bedienungshilfe "Unterstützender Zugriff" macht aus dem iPhone ein Dumb-Phone.

Was Apple offenbar nicht bedacht hat: Auch auf einem per Bildschirmzeit eingeschränkten iPhone lässt sich die Funktion einschalten. Dabei legt man fest, welche Apps in diesem besonderen Modus verfügbar sein sollen. Das dürfen auch gesperrte Apps sein. Innerhalb dieses einfachen Interfaces darf man alle Apps uneingeschränkt nutzen, die App-Limits und auch alle anderen Bildschirmzeit-Funktionen greifen hier nicht.

Aktiviert ein Kind diesen Modus, bekommen Erziehungsberechtigte das nicht direkt mit. Auch die Bildschirmzeit-Statistik verrät erst dann etwas über den heimlichen Konsum, wenn das Gerät in den Normalzustand zurückkehrt. Bei Verdacht gilt es also, die Bildschirmzeit-Statistik des Kinderkontos zu prüfen. Am iPad oder iPhone sind in der Einstellung "Bildschirmzeit" unter "Familie" die Accounts der Kinder aufgeführt. Im Unterpunkt "Alle App- & Websiteaktivitäten anzeigen" verrät das Diagramm in der täglichen Ansicht beispielsweise nächtlichen App-Konsum an vergangenen Tagen. Am Mac gibt es in der Systemeinstellung "Bildschirmzeit" oben rechts eine Auswahl des Familienmitglieds und die Diagramme unter "App- & Websiteaktivität".

Bei der Einrichtung von "Unterstützender Zugriff" vergibt man einen vierstelligen Code, der unabhängig vom Gerätecode gilt. Nur darüber lässt sich dieser Modus wieder deaktivieren. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Code mit der hinterlegten Apple-ID zu verbinden. Kennen Eltern das Passwort, könnten sie damit den unterstützenden Zugriff wieder beenden. Das Problem dabei: Bei der Einrichtung der Bedienungshilfe kann man die Koppelung des Entsperrcodes mit der Apple-ID einfach überspringen.

Richtet ein Kind ohne Wissen der Eltern den "Unterstützender Zugriff" ein und rückt den Entsperrcode nicht raus, besteht keine Möglichkeit, das Gerät wieder im Normalzustand zu starten. Es bleibt dann nur noch das Zurücksetzen des Geräts mit Apple Configurator am Mac und Wiedereinspielen eines Backups.

Wer jetzt auf die Idee kommt, den unterstützenden Zugriff einfach vorab mit einem eigenen Code zu belegen, hat die Rechnung ohne Apple gemacht. Denn dieser Code ist bei Betätigung der Schaltfläche "Unterstützten Zugriff zurücksetzen" nicht erforderlich. Da sich auch der Zugriff auf die Einstellungen-App nicht per Bildschirmzeit beschränken lässt, können Kinder also leicht einen neuen Code einrichten.

Die Bediungshilfe-Funktion "Unterstützender Zugriff" lässt sich ohne Authentifizierung zurücksetzen.

Bislang ist uns keine Maßnahme bekannt, um das Aktivieren der Bedienungshilfe-Funktion zu verhindern – auch nicht in der Beta 4 von iOS 18 und iPadOS 18. Eine offizielle Aussage von Apple steht noch aus. Dem Konzern scheint die Problematik bereits länger bekannt zu sein, das Thema wurde im Apple-Forum diskutiert und von Usern gemeldet.

Der Smartphone-Entzug dürften in den meisten Fällen zu radikal sein, um zu unterbinden, dass sich unbelehrbare Kinder wiederholt mehr App-Zeit erschleichen. In der Regel sollen sie ja noch erreichbar sein und etwa digitale Tickets für den öffentlichen Nahverkehr vorzeigen können.

Im Bedienungshilfe-Modus "Unterstützender Zugriff" nimmt der permanent sichtbare Zurück-Button Apps recht viel Platz und kann etwa durch versehentliches Betätigen beim Spielen stören.

So bleiben aktuell nur diese zwei behelfsmäßigen bis radikalen Lösungsansätze:

1. Sie löschen die Zeitfresser- und Doomscrolling-Apps vom iPhone des Kindes und entziehen unter "Bildschirmzeit > Beschränkungen" die Erlaubnis für "Apps installieren".

2. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Sie kurzerhand selbst die Funktion "Einstellungen > Bedienungshilfen > Unterstützender Zugriff" auf dem iPhone Ihres Kindes einrichten. Dabei bestimmen Sie, welche Apps zugänglich sind und können sogar die Kontakte etwa für iMessages beschränken. Apps mit Suchtpotenzial sollten Sie natürlich auslassen, weil sich die Nutzungszeit nicht regeln lässt. Aufgrund des großen Zurück-Buttons bleibt Apps weniger Display-Platz, was dazu führen kann, dass schlecht programmierte Anwendungen dadurch unbedienbar werden.

Testen Sie im Vorfeld, ob alles funktioniert und überhaupt zumutbar ist. Einige Apple-Apps wie Musik, Fotos oder Kamera sind im Funktionsumfang deutlich eingeschränkt. Sollte der Modus eine Option sein, aktivieren Sie ihn beispielsweise für die meiste Zeit des Tages und schalten ihn nur in kontrollierten Situationen ab. Bequem ist das natürlich nicht, zumal dabei auch immer ein Neustart erfolgt.

Wie sinnvoll diese eher drastischen Maßnahmen aus pädagogischer Sicht sind, müssen Sie als erziehungsberechtigte Person abwägen. Idealerweise erarbeiten Sie in einem offenen und verständnisvollen Gespräch ohne Vorwürfe eine gemeinsame Übergangslösung, bis Apple nachgebessert hat.

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(wre)