Bill Gates: "Wir müssen weit mehr tun"

Google, Adobe und Skype haben Microsoft gezeigt, wo es im Internet langgeht. Nun hat Bill Gates Ansichten und Pläne des Chief Technology Officers Ray Ozzie dazu verbreitet, wie auf die Konkurrenz zu antworten ist.

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Microsoft-Gründer und Chief Software Architect Bill Gates hat in einer internen E-Mail an führende Manager seines Konzerns auf die große Bedeutung des Internet hingewiesen. Es müssten neue Technologien und Trends erkannt und genutzt und es müsse ein starkes neues Servicemodell installiert werden. "Wir müssen weit mehr tun", zitiert das Wall Street Journal aus der ihm nach eigenen Angaben vorliegenden E-Mail, die Ende Oktober in der Redmonder Führungsetage verteilt wurde. "Wir werden unsere Strategie rund um Internet-Services aufbauen", schrieb Gates demnach weiter.

Vor diesem Hintergrund erläuterte Gates, er habe zusammen mit CEO Steve Ballmer dem im März verpflichteten und seitdem zum CTO aufgestiegenen Ray Ozzie eine wichtige, die neuen drei Geschäftsbereiche überspannende Rolle bei der Entwicklung der Strategie zugewiesen. Er soll dabei helfen, dass Microsoft im immer wichtiger werdenden Internet gut aufgestellt ist. "Wir stehen vor großen Veränderungen", beschreibt Gates die Lage pathetisch.

Ozzie, dessen Memo Gates in seiner E-Mail weiterleitete, beschreibt verschiedene Entwicklungen, bei denen Microsoft keine maßgebliche Rolle gespielt habe: VoIP könne zwar über MSN-Software abgewickelt werden, populär sei die Internettelefonie aber durch Skype geworden, meint Ozzie. Microsoft habe zwar längst die Bedeutung des mobilen Messaging erkannt, doch sei das Unternehmen von Research in Motion durch den Blackberry übertrumpft worden. Microsoft Office sei für das Internet wichtig, stelle aber nicht wie PDF von Adobe entscheidende Datenformate.

Auf diese Herausforderungen erwartet Ozzie schnelle Antworten. Wenn Microsoft nicht handele, stehe das Geschäft des Unternehmens auf dem Spiel. Bis Mitte Dezember sollen aus den drei Microsoft-Sparten verantwortliche Manager bestimmt werden, die bis Januar Pläne für Online-Dienste ausarbeiten sollen, um beispielsweise vom Online-Werbeboom zu profitieren. Mit "Windows Live" und "Office Live", die vorige Woche vorgestellt wurden, hat Microsoft bereits Schritte in die angestrebte Richtung unternommen. Und es hat sich auch bereits herausgestellt, dass es sich dabei primär um Werbeplattformen handeln wird.

Dass Bill Gates sich in seiner E-Mail auf eine Memo von Ray Ozzie bezieht, verdeutlicht die hervorgehobene Stellung des Lotus-Notes-Erfinders für die Redmonder. Anscheinend hat dieser sich schon länger als Außenstehender mit Microsoft befasst, denn er schreibt, er habe über die Jahre beobachtet, dass es zwar Visionen gegeben habe, diese aber nicht schnell genug umgesetzt worden seien. Er fordert die Geschäftsbereiche dazu auf, eine neue Art von "Software Cookbook" für die Entwicklung von neuen Diensten zu entwickeln, einer "next-generation Internet services platform".

Das Wall Street Journal schreibt, Gates wolle sich zwar nicht aus seiner maßgeblichen Position verabschieden. Aber dem Microsoft-Gründer nahe stehende Personen hätten gesagt, Gates wolle anderen Führungskräften mehr Verantwortung übertragen. Ozzie scheint demnach für das Online-Geschäft verantwortlich und schreibt seinen Mitmanagern eindringlich ins Gebetbuch, dass werbefinanzierte Dienste und Software ein vielversprechendes Geschäftsmodell sei. Es habe das Potenzial für einen grundlegenden Einfluss darauf, wie Entwickler Innovationen schaffen, verbreiten und daraus Geld machen.

Anscheinend gerät der Softwarekonzern alle fünf Jahre in die Situation, auf die Entwicklungen im Internet reagieren zu müssen, damit sie sich nicht krisenhaft auf die Geschäfte auswirken. Im Mai 1995 erkannte Bill Gates, seinerzeit noch Chef der von ihm gegründeten Firma Microsoft, die Gefahren, die von plattformübergreifenden Technologien wie Web-Clients und Java ausgingen. Bald darauf begann der Software-Riese, seinen Web-Browser Internet Explorer zusammen mit seinem Betriebssystem kostenlos zu verteilen, und eröffnete so den "Browserkrieg". Im Jahr 2000 reagierte Microsoft mit seinen Next Generation Windows Services erneut mit einer breit angelegten Initiative auf die Herausforderungen durch die Konkurrenz im Internet und setzte .NET in die Welt. (anw)