Britische Eisenbahn wird teilweise wieder verstaatlicht

Die britische Regierung will die dortige Eisenbahn rückverstaatlichen. Ein wichtiger Schritt dafür ist ein Gesetzesvorhaben, dem das Unterhaus nun zustimmte.

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Gleise vor einem britischen Bahnhof

(Bild: Office of Rail and Road)

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Das Unterhaus des britischen Parlaments hat in dritter Lesung einem Gesetz zugestimmt, durch das die Eisenbahn des Landes teilweise wieder verstaatlicht werden soll. Der Betrieb durch private Anbieter endet, wenn die bestehenden Verträge auslaufen oder eine vertragliche vereinbarte Kündigungsklausel gezogen werden kann, heißt es in dem von der Verkehrsministerin Louise Haigh vorgelegten "Passenger Railway Services (Public Ownership) Bill" (PDF).

Der Gesetzentwurf liegt nun im Oberhaus, das sich am 7. Oktober in zweiter Lesung mit dem Gesetz befassen will. Es kann lediglich Änderungen vorschlagen und ein aufschiebendes Veto einlegen, die eigentliche politische Macht liegt im Unterhaus.

In Großbritannien gibt es 28 verschiedene Bahnunternehmen, die meist vorrangig eine bestimmte Region bedienen. Seit Längerem werden dort Zugausfälle, Verspätungen und hohe Ticketpreise kritisiert. Streiks hatten immer wieder Verbindungen lahmgelegt, Gewerkschaften werfen den Unternehmen vor, ihre Beschäftigten auszunutzen, Gewinne kämen nur Managern und Aktionären zugute.

Die britische Regierung hat diese Woche bereits veranlasst, dass eine Organisation namens "Shadow Great British Railways" gegründet wird. Sie soll künftig für den Betrieb der Eisenbahn verantwortlich sein und die Aufgaben des nicht gewinnorientierten Unternehmens Network Rail übernehmen, das für die Infrastruktur wie das Schienennetz verantwortlich ist.

Haigh meint, nach Jahren des Niedergangs hätten die Menschen zur Unterhauswahl am 4. Juli Veränderungen gefordert. Durch Gesetzesvorhaben wolle ihre neue Regierung eine "Supermacht für saubere Energie" werden, die Straßen sicherer machen, das Gesundheitssystem wiederherstellen und nicht zuletzt sei das Verkehrssystem wichtig, damit die Wirtschaft wachse. Die Labour-Partei hatte dank des britischen Wahlsystems gegenüber der Wahl von 2019 zwar nur 1,5 Prozentpunkte mehr Stimmen bekommen, aber die absolute Mehrheit im Unterhaus erreicht.

Helen Whately, die für Verkehr zuständige Unterhausabgeordnete der Konservativen, warf der Regierung vor, Ideologie über praktische Lösungen zu stellen. Sie habe sich den Interessen der Gewerkschaften unterworfen. Die Regierung treibe ein gefährliches Spiel mit Ideen einer Verstaatlichung, während sich andere Länder dafür entschieden hätten, die private Beteiligung an ihren Schienennetzen zu vergrößern.

Das britische Eisenbahnnetz ist das älteste der Welt. Es ist nicht das erste Mal, dass das Bahnsystem verstaatlicht werden soll. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die vier großen Anbieter zum Staatskonzern British Railways zusammengelegt. Unter der Regierung des Konservativen John Major, Nachfolger von Margaret Thatcher, wurde der Konzern von 1994 bis 1997 schrittweise in Einzelgesellschaften aufgelöst und privatisiert.

Die Deutsche Bahn ist eine Aktiengesellschaft in komplett staatlichem Besitz. Sie ist eine Holding mit diversen Tochtergesellschaften. Der ursprünglich für 2008 vorgesehene Börsengang und damit die Kapitalprivatisierung wurde 2011 abgesagt. Gegner der Privatisierung in Deutschland verweisen unter anderem auf das Beispiel Großbritannien, wo Strecken eingestellt worden seien und sich das Angebot verschlechtert habe. Befürworter gehen unter anderem davon aus, dass das Angebot durch Konkurrenz effizienter wird.

(anw)