Bund muss 8 Milliarden Euro für Digitalisierung der Schiene bis 2029 aufbringen

Für eine Gesamtstrategie für smarte Gleise, digitale Stellwerke & Co. sind laut einer Machbarkeitsstudie etwa 8 Milliarden Euro vom Bund bis 2029 erforderlich.

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Abschnitt einer Schienenweiche

(Bild: heise online / anw)

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Die Bundesregierung versucht dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie und die Deutsche Bahn (DB) es mit der Digitalisierung der Schiene nicht ernst nähmen und teure Verzögerungen riskierten. Allein mit dem Haushalt 2024 seien durch den Abschluss von zehn Finanzierungs- beziehungsweise Änderungsvereinbarungen zu laufenden Maßnahmen für die Vorhaben der Digitalen Schiene rund 2,3 Mrd. Euro Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen zusätzlich gebunden worden, betont das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Weitere Mittel würden in Form einer Eigenkapitalerhöhung der Bahn in 2025 für ihr Programm Digitale Schiene Deutschland verfügbar gemacht, schreibt das BDMV. Davon flössen allein knapp 350 Millionen Euro zusätzlich in die Ausrüstung des Rhein-Alpen-Korridors mit dem Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS. Das Haus von Minister Volker Wissing (parteilos) hebt hervor: "Damit bekennt sich der Bund klar zu seiner Finanzierungsverantwortung."

ERMTS zählt neben Zugsicherungssystem ETCS ("European Train Control System") und digitalen Stellwerken (DSTW) zu den wichtigsten Faktoren eines modernen Bahnverkehrs, in dem Abstände verdichtet werden und mehr Züge hintereinander fahren könnten. ETCS konzentriert sich dabei auf die sichere Steuerung einzelner Züge, während ERTMS einen einheitlichen Steuerungs- und Kommunikationsrahmen bietet.

Berichten zufolge stockt die Digitalisierung der Schiene hierzulande: Die eingesetzte ETCS-Version stecke noch in den Kinderschuhen und führe eher zu weiteren Ausfällen. Bei der anstehenden Sanierung der Bahnstrecke Berlin-Hamburg komme das System daher gar nicht zum Einsatz. Der geplante Transfer von Mitarbeitern der Bahn-Infrastrukturtochter DB InfraGO in die 2019 ebenfalls unter dem Dach der DB gegründeten Firma Digitale Schiene Deutschland (DSD) sei offenbar nicht erfolgt, monieren CDU und CSU. Zudem sollten ab 2020 in einem Starterpaket die ersten großen Pilotprojekte mit ETCS und DSTW beginnen im transeuropäischen Korridor Skandinavien-Mittelmeer, auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main und im digitalen Knoten Stuttgart. Auch hier tue sich wenig.

Die Digitalisierung des Schienenverkehrs sei "eine entscheidende Maßnahme zur Modernisierung und Effizienzsteigerung des deutschen Schienennetzes", unterstreicht das BMDV nun. "Eine abgängige Alttechnik, abgekündigte Technologien und europäische Verpflichtungen erfordern eine zeitnahe Einführung der digitalen Technologien." Schon früher hieß es aus dem Ressort, die Umrüstung sei "auch zur Erreichung der Wachstums- und Kapazitätsziele unabdingbar".

Der Regierung zufolge wurden im Jahr 2024 insgesamt 622 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schiene aufgewendet, davon 357 Millionen Euro aus Bundesmitteln. 2023 lag der Wert bei 505 Millionen Euro (Bundesbeteiligung: 213 Millionen Euro). Für 2025 bis 2029 geht das BMDV aber im Bereich des Bedarfsplans Schiene von einem Finanzbedarf in Höhe von rund 14 Milliarden Euro aus. Die jüngst erfolgte "Absenkung der mittelfristigen Finanzlinie" habe allerdings bereits zu einem Investitionsstau geführt, was das Setzen neuer Prioritäten unumgänglich mache.

Für die nächsten fünf Jahre sind im Bereich der Digitalisierung im Kapitel "Ausrüstung der deutschen Infrastruktur und von rollendem Material" mit ERTMS über 3,5 Milliarden Euro vertraglich gebunden, erklärt das BMDV weiter. In einer aktualisierten Machbarkeitsstudie für eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung der Schiene von 2024 hätten Gutachter einen Finanzbedarf an Bundesmitteln in Höhe von etwa 8 Milliarden Euro bis 2029 ermittelt. Insgesamt gehen die Experten von einem Brutto-Gesamtinvestitionsvolumen von rund 53,9 Milliarden Euro bis 2070 für das neue "fokussierte Programm" aus. Dem stehe ein Nutzen in Höhe von 102,5 Milliarden Euro gegenüber.

Ausgehend von den Ergebnissen der Studie befasst sich das BMDV nach eigenen Angaben ferner mit der Erarbeitung eines "ganzheitlichen Konzepts" zur strategischen Steuerung des Programms. Kernbestandteile seien eine stärkere Rolle des Bundes dabei und der Aufbau einer operativen Lenkungsinstitution gemeinsam mit dem Sektor. Für die Fahrzeugausrüstung werde neben einem bestehenden Modellvorhaben eine Förderrichtlinie für ein "First-of-Class-Sofortprogramm" entworfen.

(mki)