Bundeskartellamt zum Strommarkt: RWE mehr als vermutlich marktbeherrschend

Die Machtverhältnisse auf dem deutschen Strommarkt haben sich verfestigt, stellt das Bundeskartellamt in einem neuen Marktmachtbericht fest.

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Strommasten in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.

RWE muss aufpassen, mit seinem Marktverhalten nicht das Missbrauchsverbot zu übertreten. Darauf weist Andreas Mundt hin, Präsident des Bundeskartellamts. In dem jüngsten Marktmachtbericht seiner Behörde zur Stromerzeugung in Deutschland wird dem weiterhin größten Erzeuger des Landes bescheinigt, "klar über der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung" zu liegen.

Die etwas umständliche Formulierung rührt daher, dass das Bundeskartellamt zu RWE noch keine "konkrete Einzelfallentscheidung" getroffen hat. Dann erst könnte eine marktbeherrschende Stellung förmlich festgestellt werden. Bisher gebe es für RWE ein "starkes Indiz" dafür, dass es hochproblematisch wäre, wenn der Konzern das Stromangebot künstlich verknappen würde.

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So wie RWE seien auch die Kraftwerke von EnBW und LEAG häufig unverzichtbar, um die Stromnachfrage zu decken, die beiden Unternehmen liegen aber für die Wettbewerbsaufsicht noch nicht eindeutig über der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung. Die Kraftwerksparks dieser drei führenden Stromerzeuger seien insbesondere dann unverzichtbar, eine hohe Nachfrage zu decken, wenn weniger Strom aus Wind und Sonne eingespeist werde.

In seinem jüngsten Marktmachtbericht (PDF) analysiert das Bundeskartellamt die Verhältnisse in der Erzeugung und dem erstmaligen Absatz von Strom im Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2023. Darin schreibt die Behörde, dass sich die Marktmachtverhältnisse verfestigt haben. Dabei seien allerdings nicht die Marktanteile aussagekräftig, denn Strom müsse genau in den Momenten produziert werden, in denen er gebraucht wird. Daher sei hier wichtig, ob und inwieweit ein Anbieter in wie vielen Stunden des Jahres für die Stromnachfrage unverzichtbar ist.

Die Marktmachtverhältnisse hätten sich verfestigt trotz der Verwerfungen im Energiesektor, die durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ab Februar 2022 ausgelöst wurde, befindet das Kartellamt. Anfang 2022 wurden noch Kraftwerke endgültig abgeschaltet, auch drei Atomkraftwerke. Um die Strompreissteigerungen durch die Kriegsfolgen zu dämpfen, wurden die Laufzeiten von drei anderen Atomkraftwerken kurzzeitig verlängert und es wurden für einen längeren Zeitraum Kohlekraftwerke reaktiviert.

Künftig könnten sich die Marktmachtverhältnisse noch verschärfen, heißt es weiter in dem Marktmachtbericht. Ende März 2023, nach dem Berichtszeitraum, seien die verbliebenen AKW mit 4 GW endgültig abgeschaltet worden, 1,9 GW reaktivierte Reserven wieder deaktiviert worden. Bis 2025 sollen zudem 7,6 GW Kraftwerksleistung abgeschaltet werden. Diese Entwicklung dürfte die verbleibenden dargebotsunabhängigen Kraftwerke noch mehr unverzichtbar machen. Das gelte für RWE, aber wohl auch für weitere große deutsche Stromerzeuger, also beispielsweise LEAG und EnBW.

RWE hatte 2021 nach nicht EEG-geförderter Erzeugung mit 77,1 TWh einen Marktanteil von 26,1 Prozent, LEAG mit 46,4 TWh 15,7 und EnBW mit 33,8 TWh 11,4 Prozent. Darauf folgen E.On mit 27,5 TWh bzw. 9,2 Prozent Marktanteil und Vattenfall mit 13,3 TWh, die 4,5 Prozent ausmachten. Diese Erzeugungsmengen seien für die Marktanteilsberechnung aussagekräftiger, da diese die im Rahmen der Kraftwerkskapazität tatsächlich abgerufene Leistung und Einsatzdauer der einzelnen Kraftwerke berücksichtige. Weiterhin schaute das Bundeskartellamt, wie sich die Marktanteile der sechs größten Erzeuger (inklusive Uniper) nicht-EEG-geförderten Stroms auf die rund 35.000 Viertelstunden des Jahres 2022 verteilten. Dabei erzielte RWE die größten Anteile.

Das Bundeskartellamt muss mindestens alle zwei Jahre einen Marktmachtbericht veröffentlichen. Der vorige Bericht liegt er ein Jahr zurück, wegen der aktuellen Entwicklungen auf dem Strommarkt will das Amt auch den kommenden Marktmachtbericht früher als nach der gesetzlich vorgesehenen Frist veröffentlichen.

(anw)