Bundestag: Mit dem Staatstrojaner gegen kriminelle Handelsplattformen

Wer kriminelle Marktplätze etwa übers Darknet betreibt, kann künftig mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

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(Bild: Oleksiy Mark/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.

Der Bundestag geht deutlich schärfer gegen den Verkauf etwa von Betäubungsmitteln, Waffen, Falschgeld, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs, gefälschte Ausweise und gestohlene Kreditkartendaten auf kriminellen Handelsplattformen im Internet vor. Wer einen solchen Marktplatz betreibt, dem drohen künftig eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Bei gewerbsmäßigem Handeln sind bis zu zehn Jahre Haft vorgesehen.

Einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) hat das Parlament am Freitagmorgen um 01:48 Uhr mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD verabschiedet. FDP, die Linke und die Grünen waren dagegen, die AfD enthielt sich. Mit der Initiative führen die Abgeordneten einen neuen Paragrafen 127 ins StGB ein. Er richtet sich gegen Betreiber von Handelsplattformen, die den Zweck haben, Verbrechen sowie bestimmte Vergehen "zu ermöglichen oder zu fördern".

Die Straftaten, die erfasst werden sollen, sind in einem breiten Katalog aufgeführt. Er reicht von schweren Vergehen wie dem Inverkehrbringen von Falschgeld, dem Vorbereiten der Fälschung von Geld, Wertzeichen oder Zahlungskarten über den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und das Verbreiten, Erwerb oder Besitz verbotener Pornografie bis zu diversen Drogendelikten. Dazu kommen Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, aber auch gegen das Marken- und Designgesetz.

Laut der Begründung sollen ferner Verbrechen eingeschlossen sein, "die häufig als Auftragstaten im Internet bestellt werden ("Crime-as-a-Service")". Dabei könne es sich etwa um das Ausspähen oder Abfangen von Daten handeln. Aufgezählt wird fast die ganze Palette der Hackerparagrafen, die sich auch gegen das Hehlen mit oder das Verändern von Daten sowie Computersabotage und -betrug richten.

Das Ansetzen der Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsentzug ist Delikten vorbehalten, "die ein besonders schweres Tatunrecht aufweisen und damit den Bereich der mittleren Kriminalität eindeutig verlassen", heißt es in dem Entwurf. Dazu kommt ein breiter Werkzeugkasten für die Strafverfolger.

Bei gewerbsmäßigem Handeln können die Fahnder damit die Telekommunikation Verdächtiger sowie genutzter Server überwachen und Staatstrojaner für heimliche Online-Durchsuchungen einsetzen. Letzteres dürfen Ordnungshüter bislang allein im Kampf gegen "besonders schwere Straftaten". Paragraf 127 StGB wird dazu in Paragraf 100b der Strafprozessordnung (StPO) angeführt. Dies eröffnet der Polizei zugleich die Option, einen großen Lauschangriff nach Paragraf 100c StPO durchzuführen.

Auf Plattformen, "deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt ist" und die etwa "im sogenannten Darknet betrieben werden" stellt der Bundestag nicht allein ab. Zwar böten solche Bereiche des Internets aufgrund "ihres hohen Maßes an Anonymität neben vielen rechtmäßigen und wünschenswerten Nutzungsmöglichkeiten auch eine optimale Umgebung für das Betreiben krimineller Handelsplattformen". Auch im offenen Teil des Internets gebe es aber "digitale Marktplätze, auf denen illegale Waren und Dienstleistungen gehandelt werden".

Legitime Online-Marktplätze wie eBay oder Amazon sollen nicht erfasst werden. Mit einbezogen haben die Volksvertreter aber etwa auch Foren sowie nicht-kommerzielle Aktivitäten wie "Tauschgeschäfte oder Schenkungen". Um auf Nummer sicher zu gehen, sollen "konkrete Umstände des Einzelfalls" geprüft werden.

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Die im Regierungsentwurf vorgesehene eigenständige Strafbarkeit des Bereitstellens von Server-Infrastrukturen für kriminelle Handelsplätze hat die Koalition gestrichen. Sie will damit sicherstellen, dass die Verschärfungen und Ermittlungsmaßnahmen gleichermaßen auf die Bereitsteller von physischen oder virtuellen Infrastrukturen anwendbar sind, die beim Ausführen einschlägiger Taten helfen.

Bei der 1. Lesung des Vorhabens waren sich die Redner der Opposition einig, dass die vom Bundesjustizministerium ausgemachte Strafbarkeitslücke rund um kriminelle Marktplätze gar nicht existiert. Wenn auf einer Plattform auch legale Dinge gehandelt würden, könne sich der Betreiber bisher immer herausreden, hielten Sprecher von Schwarz-Rot dagegen. Zudem würden auch Plattformen erfasst, deren Verkaufsgeschehen mithilfe Künstlicher Intelligenz "selbstgesteuert" organisiert werde.

Ebenfalls beschlossen hat der Bundestag eine zweite StGB-Änderung, mit dem das Verbreiten sogenannter Feindeslisten, von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern sowie von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen etwa über das Internet kriminalisiert wird. Es drohen Strafen bis zu zwei Jahren Gefängnis.

Das gleiche Maß gilt künftig zudem bei "verhetzender Beleidigung", mit der die Menschenwürde anderer angegriffen wird. "Oft werden Hassnachrichten direkt an Betroffene geschickt – per Messenger-Nachrichten, Mails und Briefen", begrüßte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) diesen Schritt. "Mitglieder jüdischer und muslimischer Gemeinden werden verhöhnt und verächtlich gemacht. Mangels Öffentlichkeit gilt dies nicht als Volksverhetzung. Genau hier greifen wir mit der neuen Strafvorschrift ein."

(olb)