CES

CES 2021: Mehr Chance als Krise

Die Messe ist nur virtuell, der Veranstalter trotzdem zuversichtlich: Die Pandemie wirkt vielfältig als Beschleuniger und treibt Techniktrends voran.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen

In Las Vegas wird die echte CES (und nicht nur die) schmerzlich vermisst.

(Bild: Las Vegas Convention and Visitors Authority)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die US-Elektronikbranche geht trotz Corona-Krise einigermaßen zuversichtlich ins neue Jahr. Im Vergleich zum Rekordjahr 2020 erwartet der Branchenverband Consumer Technology Association (CTA) für den US-Markt ein erneutes Umsatzplus von 4,3 Prozent auf 461 Milliarden US-Dollar. Wegen der Pandemie sind die Verbraucher zu Hause in besonderem Maße auf Technik angewiesen, um den Alltag mit Arbeit, Bildung und Unterhaltung zu bewältigen.

Das hat die Einführung neuer Technologien beschleunigt. "Die Pandemie hat hinsichtlich der Annahme neuer Technologien die Vorspultaste gedrückt", sagte CTA-Chef Gary Shapiro am Montag im Vorfeld der CES. "Doch der Weg zur völligen wirtschaftlichen Erholung ist noch lang und mit der komplexen Verteilung der Impfstoffe verknüpft." Dabei habe die Branche bewiesen, dass sie in Krisenzeiten einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Die von der CTA veranstaltete Technikmesse findet in diesem Jahr – wie zuvor viele andere Großveranstaltungen auch – nur virtuell und nicht in Las Vegas statt. Dennoch nutzen zahlreiche Hersteller die Messe, um neue Produkte und aktuelle Entwicklungen zu präsentieren. Abgesehen von der klassischen Unterhaltungselektronik gilt die CES inzwischen als Trendbarometer und Showcase für verschiedenste Branchen von der Automobilindustrie bis zum Gesundheitswesen.

Einige dieser Trends, deren Fortschritt man auf der CES sonst im Jahresrhythmus ablesen kann (oder auch nicht), haben in der Pandemie einen großen Schub bekommen. "Wenn die Wirtschaft am Boden liegt, schlägt die Stunde der Innovation", sagt CTA-Forschungschef Steve Koenig. Die Corona-Krise habe die Nutzung neuer Technologien in unterschiedlichsten Branchen stark befeuert.

Die Krise treibt kleine und mittlere Unternehmen sowie die öffentliche Hand verstärkt in die Cloud, wovon dann Riesen wie Amazon und Microsoft profitieren – deren andere Geschäftsfelder aber ebenso gestärkt werden. Große Fortschritte sind laut CTA zudem im Gesundheitsbereich zu sehen und weiterhin zu erwarten. Auf der CES sind unter anderem Roboter zu sehen, die in der Pflege, zur Desinfektion oder zur Auslieferung eingesetzt werden können.

Auch beim Entertainment wirkt die Pandemie als Beschleuniger: Streamingplattformen und Computerspiele bieten die dringend nötige Ablenkung zuhause. In den USA setzt sich der Trend zu mehreren Abos pro Haushalt fort. Beim Video-Streaming rechnet die CTA für 2021 mit einem Umsatzplus von 15 Prozent auf rund 41 Milliarden US-Dollar, im Audiobereich wächst das Gesamtvolumen der Abonnements um 19 Prozent auf 10 Milliarden US-Dollar.

Virtuelles Studio statt Bühne im Venetian: Verizon-CEO Hans Vestberg illustriert mit einem virtuellen Modell der Apollo-Landekapsel "the power of 5G".

(Bild: Screenshot)

Das Bildungswesen wird langfristig von dem Digitalisierungsschub durch die Pandemie profitieren, schätzt Koenig: "Wenn wir endlich in die Klassenzimmer zurückkehren können, werden die digitalen Tools noch da sein", sagt der CTA-Experte. "Die Anwendungen werden besser werden und eine feste Größe im Bildungswesen sein. Das wird der Bildung ganz neue Chancen eröffnen."

Weitere Technologien, deren Entwicklung die CES in den vergangenen Jahren begleitet hat, sind nun marktreif. Der Mobilfunkstandard 5G war lange ein branchenübergreifender Hype, der jetzt Realität ist. 2019 hat Hans Vestberg, CEO des US-Netzbetreibers Verizon, auf der CES das transformative Potenzial von 5G beschworen: "5G ändert alles." Zwei Jahre später eröffnet der Schwede erneut das offizielle CES-Programm – und alles ist anders, aber nicht wegen 5G.

"Seither ist viel passiert", sagt Vestberg. Corona habe erwartete Entwicklungen wie bei der Arbeit zu Hause um Jahre beschleunigt. Die Zukunftsszenarien von vor zwei Jahren sind jetzt Gegenwart. "Und diese Veränderung geschieht, während die revolutionärste Mobilfunktechnik in vielen Ländern Realität wird." Vestberg verweist auf das Potenzial von 5G nicht nur für industrielle Anwendungen, sondern etwa das Bildungswesen und die Unterhaltungbranche.

Weltweit sind inzwischen über 130 5G-Netze in Betrieb, sagt Koenig. Der neue Mobilfunkstandard ist zugleich Katalysator für verwandte Technologien wie Fahrzeugvernetzung (C-V2X) und die Smart City: "Wir haben hier viel über Fahrzeugvernetzung geredet und jetzt wird es richtig interessant", sagt Koenig. "Die ersten Autos mit C-V2X rollen von den Bändern."

Apropos Autos: In den vergangenen Jahren hat sich die CES zur Technologieschau der Fahrzeugindustrie gemausert. Die Hersteller zeigen hier nicht unbedingt neue Fahrzeuge, aber ihre technologischen Entwicklungen. Bei Autos geht der Trend zur Elektrifizierung. Nach den Kleinwagen und SUVs sollen die großen Pickup-Trucks – eine der für den US-Markt wichtigsten Fahrzeugkategorien – den Durchbruch bringen. "Elektrische Trucks sind elementar wichtig für den Markt der E-Autos insgesamt", sagt Koenig.

(vbr)