Comdex: Vom Spielzeug zum umkämpften Massenmarkt

Alle Jahre wieder wird das Spielerparadies Las Vegas zum Mekka der Computer-Industrie: Die Herbst-Comdex öffnet ihre Tore und steht dieses Jahr ganz im Zeichen des Mobile Computing und des mobilen Internet.

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Von
  • Jürgen Kuri

Alle Jahre wieder, so auch dieses Jahr, wird das Spielerparadies Las Vegas zum Mekka der Computer-Industrie: Die Herbst-Comdex öffnet am Montag offiziell ihre Tore. Lange Jahre eine der Leitmessen der EDV-Branche, kam sie aber in den letzten Jahren etwas unter Druck – was die US-Amerikaner in geflissentlicher Ignorierung der CeBIT als größte Computermesse der Welt bezeichnen, stand schon zum zwanzigjährigen Jubiläum im letzten Jahr am Scheideweg.

Die Trends, derer sich die Comdex erst erwehren wollte und dann doch öffnete, scheinen sich auch dieses Jahr deutlich bemerkbar zu machen. Welche Computermesse kommt schon noch am Internet und an Linux vorbei? So findet auch dieses Jahr parallel wieder die Linux Business Expo statt; und im Angesicht des Internet steht die diesjährige Veranstaltung unter dem Slogan Community, Content, Commerce. Gesellschaftlichen Veränderungen will sich die Messe auch stellen: So findet unter dem Label Comdex/Girlgeeks etwas statt, was die Veranstalter mit "Die Comdex feiert Frauen in der Technologie" beschreiben.

Rund 2.300 Aussteller wollen ihre Produkte zeigen, rund 100.000 Besucher erwarten die Veranstalter. Warum angesichts dieser Zahlen immer noch zumindest von der wichtigsten Computer-Messe der Welt die Rede ist, mag manchen wundern – selbst die Systems kann bessere Zahlen vorweisen, ganz zu schweigen von der CeBIT. Allerdings war die Herbst-Comdex lange Zeit die Veranstaltung, auf der weit mehr als zu anderen Gelegenheiten neue Produkte vorgestellt wurden und neue Trends ablesbar waren. Ob dies in diesem und den folgenden Jahren noch der Fall sein wird, wird sich zeigen müssen.

Eines jedenfalls scheint im Vorfeld klar: Was die US-Amerikaner als gadget bezeichnen und was man neutral als "Gerät", etwas weniger höflich aber auch als "Kinkerlitzchen" oder "technische Spielerei" übersetzen könnte, dürfte wie schon im letzten Jahr eines der großen Themen der Comdex werden. So will Bill Gates während seiner Keynote zur Eröffnung der Messe wieder einmal seinen Tablet PC vorführen – das Gerät, eine Art Kombination aus E-Book und Surf-Terminal, hat Gates zwar schon auf Microsofts Forum 2000 Ende Juni demonstriert, trotzdem wird es in US-Medien als die erste Sensation der Comdex bezeichnet. Ob es die wirklich wird, bleibt abzuwarten – gerüchteweise hieß es, Microsoft habe sich Transmeta ins Boot geholt, um den Tablet PC mit Crusoe-Prozessoren auszustatten. Der Konzern erwartet aber nach eigenen Aussagen nicht, den Tablet PC vor dem Jahr 2003 marktreif zu haben.

Etwas handfester dürfte es im Laufe der Woche werden, wenn eine Diskussionsrunde zwischen Microsoft und Palm über Pocket PC vs. Palm stattfindet. Handfester aber nicht etwa, weil die Konkurrenten aus der Rolle fallen – die Geräte, die die jeweiligen Firmen im Markt der PDAs protegieren, sind vielmehr schlicht elektronische Organizer, die man bereits kaufen kann und die mehr und mehr selbst zu Internet Appliances ausgebaut werden. Die beiden konkurrierenden Produktlinien stellen die populärsten Beispiele für den Trend dar, der nach Ansicht von Beobachtern die Comdex beherrschen wird: Mobiles Internet, beziehungsweise Mobile Computing. Dies natürlich nicht nur bei den PDAs – Handys mit Organizer-Funktionen und Surf-Fähigkeiten gibt es ebenso zu sehen wie wohl endlich verfügbare Produkte für die Kurzstrecken-Funktechnik Bluetooth. Nicht zu vergessen die Prozessoren: Intel wird versuchen, einen besonders stromsparenden Pentium III und andere, die Batterie schonende CPUs gegen Transmetas Crusoe zu positionieren, AMD hat ähnliche Pläne.

Und was bleibt außer portablen Geräten und mobilem Internet für die Comdex an Themen übrig? Nicht viel, möglicherweise. Sicher, Intel wird wohl den Pentium 4 zeigen, einige große PC-Hersteller wie IBM oder Compaq sind nach einer Zeit der Abwesenheit wieder vertreten: Aber auch diese Großkopferten der Branche werden sich auf das zentrale Thema "Mobilität" konzentrieren – selbst die im eigentlichen Sinn tragbaren Computer (wearable computer), also die Rechner als Teil der Kleidung, haben wieder einen großen Auftritt auf der Messe und dürften etwa bei IBM prominent vertreten sein.

Microsoft wird sich nicht allein auf Gates' Keynote verlassen, sondern auf dem eigenen Stand die .NET-Strategie in den Vordergrund stellen. Interessant wird allerdings, wie Microsoft mit seinem Pocket PC mit Internet-Zugang und dem Tablet PC gegenüber dem gerade vorgestellten Surf-Terminal von AOL und Gateway auftritt – immerhin eine harte Konkurrenz für die Pläne des Konzerns aus Redmond, mit .NET, MSN und entsprechenden Zugangsgeräten selbst eine zentrale Rolle beim mobilen, überall und jederzeit verfügbaren Internet zu spielen. (jk)