Corona-Impfstoff: Eifrige Forschung mit ungewissem Ausgang

Seite 2: Ausgerechnet Großbritannien und China

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Ausgerechnet in Großbritannien und China, wo es Projekte mit vergleichsweise großem Fortschritt gibt, ist das Virus aber stark eingedämmt. Was tun? Tatsächlich finden Phase-III-Studien zu zwei dieser Impfstoff-Kandidaten nun mit Brasilien in einem Land statt, in dem das Virus weiterhin wütet.

Besonders weit sind das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca und die Universität Oxford. Gemeinsam hatten sie am 20. Juni damit begonnen, an rund 5000 Freiwilligen die Wirksamkeit ihres Impfstoffs zu prüfen. Er basiert auf bestimmten manipulierten Viren, die eigentlich bei Affen vorkommen. Die Studie läuft bis Juli 2021, Ergebnisse dürfte es aber früher geben.

An diesem Montag wollte auch der chinesische Pharmakonzern Sinovac in Brasilien einen Test an fast 9000 Angestellten aus dem Gesundheitssektor beginnen. Sinovac setzt dabei auf abgetötete Coronaviren. Weitere Unternehmen wie der US-Hersteller Moderna wollen ebenfalls anfangen. Auch deutsche Firmen mischen bei der Impfstoffforschung mit; erst kürzlich legte die Mainzer Firma Biontech in Kooperation mit dem US-Konzern Pfizer erste ermutigende Daten vor. Die Tübinger Firma Curevac kann sich vor Freiwilligen für eine erste Studie kaum retten. Beide deutschen Firmen arbeiten an einem sogenannten RNA-Impfstoff.

Das Ziel ist bei allen Impfstoffen das gleiche: Eine Immunreaktion gegen das Coronavirus soll provoziert werden, ohne dass eine tatsächliche Infektion stattgefunden hat. Dadurch soll ein längerfristiger Schutz entstehen. Doch jeder Ansatz hat laut Ulbert Stärken und Schwächen. So dürfte der von Sinovac verwendete Ansatz, mit Hilfe von Chemikalien abgetötete Coronaviren zu spritzen, zur Bildung von Antikörpern führen, die das Virus besonders effizient unschädlich machen, erklärt Ulbert. Allerdings haben chemisch abgetötete Viren auch den Nachteil, dass sie nicht in Körperzellen eindringen können. Dadurch werden weniger Virus-spezifische T-Zellen gebildet – die ebenfalls Teil der Immunantwort sind. In bestimmten Fällen kann das aber mit Hilfe von Zusatzstoffen ausgeglichen werden.

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DNA- und RNA-Impfstoffe wiederum enthalten genetische Informationen des Erregers. Die Körperzellen der geimpften Probanden sollen mit ihrer Hilfe Oberflächenproteine des Coronavirus herstellen – gegen die schließlich das Immunsystem Abwehrfaktoren bildet, neben Antikörpern auch T-Zellen. Allerdings ist bislang kein genbasierter Impfstoff für Menschen zugelassen. Wichtig sind hier auch umfangreiche Studien zu Nebenwirkungen, sagt Ulbert. Laut PEI-Präsident Cichutek müssten für genbasierte Impfstoffe die Sicherheitsvorkehrungen während der Produktion nicht ganz so hoch sein. Zudem bestätigten die Hersteller, dass sie schnell viele Dosen produzieren könnten. "Wir brauchen sehr schnell sehr hohe Dosiszahlen", sagt Cichutek. Zum Teil stellten Firmen schon Impfstoffkandidaten auf Vorrat her, obwohl es noch gar keine Zulassung gibt.

AstraZeneca und die Universität Oxford versuchen mit ihrem Impfstoff einen anderen Weg. Sie haben in Schimpansen vorkommende Viren so manipuliert, dass sie sich nicht vermehren können. Zudem enthalten diese Viren Erbgut-Schnipsel von Sars-CoV-2, die in die Körperzellen eingeschleust werden. Ähnlich wie bei DNA- und RNA-Impfstoffen wird dann eine Immunantwort ausgelöst.

Unklar ist, ob und wie lange durch eine Impfung gebildete Antikörper überhaupt etwas bringen. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Antikörper nach einer Infektion relativ schnell wieder aus dem Blut verschwinden können. Fraglich ist, ob das bei einer Impfung genauso sein würde was das für die Schutzwirkung bedeutet.

Die WHO beobachte die Ergebnisse sehr genau, sagt Swaminathan. Die Tatsache, dass neutralisierende Antikörper verschwinden, bedeute aber nicht, dass die Immunität weg sei. Es gebe Berichte, dass die zellenvermittelte Immunantwort – die T-Zellen-Antwort – ziemlich wichtig sein könnte.

Auch Ulbert setzt bei der Immunantwort auf T-Zellen. Sie könnten infizierte Zellen in Schleimhäuten direkt ausschalten und Sars-CoV-2 schon im Rachen bekämpfen, unterstützt von Antikörpern. Am Donnerstag hatten Medien berichtet, dass der Impfstoff der Universität Oxford und des Konzerns AstraZeneca auch die Bildung von T-Zellen ankurbeln kann. Es kann auch durchaus sein, dass regelmäßiges Impfen nötig sein wird. "Es ist sehr gut, dass wir so viele verschiedene Ansätze haben", sagt WHO-Forscherin Swaminathan. Abhängig von ihrem Mechanismus könnten sie möglicherweise für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen – etwa älteren Menschen, schwangere Frauen oder Kindern – gut geeignet sein.

(anw)