DDR-Grenztruppen mit der Kamera: Die Berliner Mauer aus anderer Sicht

Seite 2: Grenzüberschreitungen

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Die Wucht der ersten Grenzdurchbrüche (die zahlreichen Fluchttunnel wurden nach ihrer Entdeckung akribisch fotografiert) führten zu einem Umdenken der Sicherheitsorgane. Der Autor Olaf Briese spricht von einem "ungeplanten Selbstläufer" (inklusive der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1962), resultierend aus dem ungebrochenen Fluchtwillen vieler Ostdeutscher "und der demonstrativen alliierten Gleichgültigkeit gegen die Absperrung". Der "Selbstläufer" hatte auch einen "Maßnahmeplan" für den "Perspektivzeitraum 1991-1995/2000" mit einer Mauer aus Infrarot- und Mikrowellenschranken – aber Abschaltung der kostspieligen Grenzbeleuchtung, der Staat musste sparen.

Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer

(Bild: BArch, DVH 60-3/19918, Bl. 101 / o. Ang.)

1966 war die Mauer um West-Berlin herum fast 164 Kilometer lang, bestehend aus Signalzäunen, Stolperdrähten, Panzergräben, Kontrollsandstreifen (Todesstreifen) und Wachtürmen, bewacht von 13 000 Grenzsoldaten auf Motorrädern und zu Fuß und von 800 Hunden. Dabei ergaben sich vielerlei, auch "außerdienstliche Kommunikationen" über die Grenze hinweg, wie die Autoren aus den Akten der Militärarchive zitieren. Was der Westen rief, wurde auf östlicher Seite penibel protokolliert (auch Beschimpfungen und Drohungen wie "Ihr seid Mörder, das wird alles registriert!").

West-Berliner versuchten auch, mit den Grenzsoldaten "anzubandeln", Zigaretten und Zeitungen wurden rübergeworfen und es gab sogar Frauen, die sich ausgezogen haben. Da gab es die Kuriosität der West-Berliner Exklave Steinstücken, deren Zugang für die Bewohner der 43 bebauten Grundstücke nur über den eigenen Kontrollpunkt möglich war. Vor allem ältere Frauen brachten den oft blutjungen Grenzposten Geschenke mit, auch als Tauschgeschäft. So wurden Brecht-Ausgaben gegen Nylonhemden getauscht, besonders beliebt waren bei den Soldaten sogenannte Herrenmagazine. Manchmal diente auch der Grenzhund als Transporteur für einen Zellophanbeutel mit Schokolade und Zigaretten.